Luftgefechte
Seine Freunde im Haus nennen ihn schon mal "unseren Robin Hood". Bei seinen Gegnern hingegen läuft er unter "der Chaot": Wolfgang Kurth (55), der Chef des Tui-Billigfliegers Hapag-Lloyd Express (HLX), polarisiert. Der Mann mit der spätjugendlichen Hornbrille strotzt vor Selbstbewusstsein und Kampfeslust - und beides lebt er beherzt aus.
Kurth führt einen Bruderkampf, der seit Wochen den Reisekonzern Tui durchrüttelt. Alle paar Tage gerät er mit Tui-Deutschland-Chef Volker Böttcher (44) aneinander, immer wegen derselben Frage: Wer gibt bei der deutschen Tui-Flugflotte künftig den Ton an?
Böttcher, dem mittelbar der klassische Ferienflieger der Tui - mit den blauen Jets der Marke Hapag-Lloyd Flug (HLF) - untersteht, muss dringend die Kosten senken. Darum will er sich den Billigheimer HLX einverleiben und für seine Zwecke nutzen. Kurth sieht die Rangfolge genau umgekehrt, er will die Macht über Hapag-Lloyd Flug.
Der Streit ist von oben angezettelt - von Tui-Chef Michael Frenzel (56). Der Konzernprimus hält die Zukunft des Fluggeschäfts für eine Schicksalsfrage. Denn das Zeitalter der klassischen Charterflieger, die Pauschaltouristen in die Ferien verfrachten, geht offenbar zu Ende. Mahnende Beispiele gab es zuletzt reichlich. Die Charterlinie Aero Lloyd ging Pleite, der große Tui-Rivale Thomas Cook stürzte wegen hoher Verluste im Charterflug tief in die roten Zahlen.
Im September gab Frenzel die Parole aus: HLX und HLF müssen eng kooperieren. Gemeinsam sollen sie dem Vorbild Air Berlin nacheifern. Air-Berlin-Chef Joachim Hunold (54) hat respektablen Erfolg, weil er seine Maschinen zur einen Hälfte mit Pauschaltouristen, zur anderen mit Individualreisenden füllt und zusätzlich noch am Billigmarkt mitmischt.
Gemeinsame Sache zu machen, fällt Kurth und Böttcher indes entsetzlich schwer. Der HLX-Manager fürchtet eine Verwässerung seines Discount-Konzepts, wenn er künftig auch Tui-Urlauber befördern soll. Denn die erwarten bei ihm den gleichen Komfort wie beim Charterflug - etwa kostenlose Verpflegung oder die Möglichkeit, Gepäck am Vorabend aufzugeben. Böttcher hingegen zögert, Gäste und Strecken herzugeben, schließlich verlöre sein Bereich dann Umsatz.
Der Zwist geht mittlerweile ins Geld. Wegen der Dauerdiskussionen kommt der abgestimmte Flugplan - HLX fliegt vom Sommer an nach Mallorca, zum Teil anstelle von HLF - erst Ende Dezember, Wochen nach der Konkurrenz. HLX gehen auf diese Weise Frühbucher verloren.
Die Auseinandersetzung könnte sich noch verschärfen. Der Einstieg von HLX ins Mallorca-Geschäft ist erst der Auftakt. Sollte die Kundschaft das Angebot akzeptieren, werden Kurth und Böttcher bald über weitere Strecken verhandeln müssen.
Wolfgang Kurth scheint zu spüren, dass Konzernchef Frenzel ihn als Provokateur braucht, um den Charterbereich aufzumischen - eine Einladung, der er kaum widerstehen kann. Michael Machatschke