Provinzfürst ohne Plan
Als Uwe Schroeder-Wildberg (38) Anfang Dezember zum ersten Mal als designierter Vorstandschef des Finanzdienstleisters MLP vor seine Topvertriebsleute trat, bedachten ihn die rund 350 Geschäftsstellenleiter mit artigem Applaus.
"Ein netter Kerl" sei der Jungmanager, waren sich die altgedienten MLP-Verkäufer einig. Ohne Stallgeruch zwar und ohne jede Erfahrung im Außendienst - aber immerhin habe er seinen bisherigen Job als Finanzchef ganz gut gemacht.
Ein passabler Einstand für den neuen MLP-Primus, vor allem, wenn man die Umstände seines Aufstiegs bedenkt.
Wenige Tage vor dem Vertriebsgipfel im Hörsaal der Wieslocher Konzernzentrale galt Schroeder-Wild- berg nämlich keineswegs als der natürliche Nachfolger von Bernhard Termühlen (48), der das Unternehmen Ende Oktober geradezu fluchtartig verlassen hatte.
Eigentlich sollte der Frankfurter Personalberater Heiner Thorborg (59) die künftige Nummer eins finden. Ein charismatischer Vertriebsprofi und durchsetzungsfähiger Manager müsse es sein - so hatte es Aufsichtsratschef und Großaktionär Manfred Lautenschläger (65) verlangt.
Professionell und umsichtig wollte der von Tennis-Courts und Wohltätigkeitsverpflichtungen in die Firmenzentrale zurückgeeilte Ex-Milliardär die Führungsfrage lösen. Um einen Topmann zu finden, so Lautenschläger noch Mitte N0vember, werde er Thorborg reichlich Zeit lassen.
Doch Ende November war es mit der neuen Gelassenheit schon wieder vorbei. Bauchmensch Lautenschläger, der zu überraschenden Volten neigt, verkündete, nun sei Schroeder-Wildberg der "heiße Kandidat" für den Chefposten. Thorborg kam nicht einmal mehr dazu, eine Namensliste zu präsentieren.
Die Beförderung des Finanzchefs sei Lautenschlägers Wunsch entsprungen, für Ruhe im Unternehmen zu sorgen, heißt es bei MLP. In Wahrheit hat der Firmengründer mit seiner Sprunghaftigkeit den gewollten Eindruck souveräner Unternehmenskontrolle widerlegt.
Schlimmer noch: Das zögerliche Ja zu Schroeder-Wildberg bestätigt die Ansicht vieler Beobachter, der Aufsichtsratschef sei mit der Neuausrichtung seines Unternehmens gründlich überfordert.
Schon in den Jahren des rasanten Wachstums unter Termühlen hatte Lautenschläger zunehmend den Überblick verloren. Die Zerfallserscheinungen im Vertrieb fielen ihm viel zu spät auf. Zerknirscht räumte er bei der Führungskräftetagung in Wiesloch Fehler ein: Er habe lange Zeit nicht genau genug hingeschaut.
Reichlich spät wird der Oberaufseher nun aktiv. Er verkaufte sogar Teile seines Aktienpakets - unter anderem, um Mitarbeitern finanziell beizuspringen, die sich verschuldet hatten, um MLP-Aktien erwerben zu können.
Auch Schroeder-Wildberg versucht, die verunsicherte Mannschaft neu zu motivieren - und zugleich den Makel des MLP-Außenseiters abzuschütteln. In zahllosen Gesprächen hörte er sich vor seiner Berufung an die Konzernspitze die Sorgen der Vertriebsleute an, für die Truppe ein wohltuender Kontrast zum Autokraten Termühlen.
Für den neuen Vorstandsvorsitzenden wird es allerdings schwer, den einstigen Edelvertrieb wieder richtig auf Touren zu bringen. "Unter Lautenschläger", sagt ein ehemaliger MLP-Manager, "bleibt das Unternehmen ein provinzieller Familienbetrieb, geführt nach Gutsherrenart."
Die neue Ära bei MLP, die Lautenschläger nach Termühlens Abgang ankündigte, wird wohl noch eine Weile auf sich warten lassen - so lange, bis sich auch der Aufsichtsratschef zurückzieht.
Georg Jakobs/Ulric Papendick