Der große Bluff
Die Attacke von Hyundai-Chef Chung Mong Koo (65) traf DaimlerChrysler-Vormann Jürgen Schrempp (59) völlig überraschend. Ausgerechnet der Chef eines Partnerunternehmens - Daimler ist an dem koreanischen Autobauer mit 10 Prozent beteiligt - ließ plötzlich jede freundschaftliche Regung vermissen.
Chung forderte den DaimlerChrysler-Regenten unverhohlen zum Rückzug aus der chinesischen Autofirma BAIC auf. Mit der hatte Daimler vor kurzem einen Kooperationsvertrag geschlossen (siehe mm 10/2003) - zu Unrecht, wie Chung behauptet.
Das koreanische Unternehmen, das mit den Chinesen zusammenarbeitet, beruft sich auf eine Klausel seines eigenen Vertrags mit BAIC. Danach darf der Autobauer aus Peking mit keinem weiteren Hersteller kooperieren. Genau dies beabsichtigt BAIC nun aber zu tun; die Firma will gemeinsam mit DaimlerChrysler Autos der Marke Mercedes-Benz bauen.
Kann Chung die Mercedes-Pläne in China stoppen? Und sind gemeinsame Vorhaben von DaimlerChrysler und Hyundai nun Makulatur?
Vorläufig stellt der barsche Vorstoß Chungs nicht viel mehr dar als einen Bluff in der Pokerrunde, die der Koreaner derzeit mit chinesischen und Stuttgarter Managern spielt.
Hyundai will sein Geschäft in China kräftig ausweiten. Chungs Abgesandte sprechen mit zwei weiteren Firmen, Jianghai und Huatai, über den Bau von Fahrzeugen. Für Chung ist dabei wichtig, dass Hyundai bei Behörden und Firmenvertretern als bedeutender Weltkonzern gesehen wird - mithin als einer, der es mit DaimlerChrysler aufnehmen kann.
Und im Zoff mit den Stuttgartern geht es Chung darum, den Wert des eigenen Unternehmens nach oben zu bringen. Auf diese Weise will er den Deutschen die Option verteuern, ihren Anteil an Hyundai um 5 Prozent aufzustocken. Dieses Recht hatte sich Schrempp 2000 beim Einstieg in die koreanische Firma gesichert.
"Chung ist ein raffinierter Mann", sagt ein Insider in China. "Er macht jetzt viel Lärm, weil er eine starke Ausgangsposition für seine Verhandlungen sucht."
Denn in der Sache liegt Chung - wie es so oft bei einem guten Bluff der Fall ist - haarscharf daneben. Sein Vertrag mit BAIC enthält zwar die Klausel, dass kein neuer Partner hinzustoßen darf. Allerdings ist eine der Vorgängerfirmen des DaimlerChrysler-Konzerns, nämlich Chrysler, schon seit 20 Jahren bei BAIC engagiert.
Auch hat die Zusammenarbeit der Konzerntochter Mercedes mit BAIC die Koreaner keineswegs überrascht. "Das wurde zuvor mit den Beteiligten besprochen", sagt ein Daimler-Manager. Deshalb gehen die Stuttgarter davon aus, dass die Chinesen ihnen in Kürze die Lizenz zum Bau der Mercedes-Fahrzeuge erteilen werden.
Dies umso mehr, als Peking von der geplanten Mercedes-Investition nur Vorteile hat. Die Marke genießt in Asien hohes Ansehen. Die Fertigung bringt der aufstrebenden Metropole weitere Prestigepunkte. Vor allem aber benötigt Peking die Fläche, auf der die veralteten BAIC-Werkshallen stehen, für den Bau von Sportstätten für die Olympischen Spiele 2008.
Für die Fertigung der Mercedes-Modelle will DaimlerChrysler außerhalb der City ein Werk bauen. Dort sollen dann auch Autos der Konzernmarken Chrysler, Jeep und Mitsubishi von den Bändern laufen.
Mitte 2005 werde die Fabrik stehen, ist ein Daimler-Mann sicher. Die Montagehallen der Marken werden voneinander getrennt sein. Gemeinsam nutzen alle die Lackieranlage.
Chung wird bis dahin Ruhe gegeben haben. Egal, ob DaimlerChrysler dann 10 oder 15 Prozent an Hyundai hält. Frank Scholtys