Urteil gegen Kreml-Kritiker
Dreieinhalb Jahre Strafkolonie für Nawalny - auf Bewährung
Der russische Dissident Alexej Nawalny wurde von einem Moskauer Gericht wegen Diebstahls für schuldig befunden. Er ist zu dreieinhalb Jahren Strafkolonie verurteilt worden - bleibt aber auf Bewährung frei. Sein Bruder muss jedoch in Haft - laut Nawalny als Druckmittel gegen ihn.
Moskau - Die Urteilsverkündung gegen den russischen Dissidenten Alexej Nawalny war überraschend um zwei Wochen vorgezogen worden. Nun verkündete ein russisches Gericht das Strafmaß: Nawalny wird zu dreieinhalb Jahren Strafkolonie auf Bewährung verurteilt. Damit wird Nawalny des Diebstahls für schuldig befunden.
Sein Bruder Oleg wurde zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Er wurde schon im Gerichtssaal verhaftet und in Handschellen abgeführt, wie russische Agenturen berichteten. Alexej Nawalny verurteilte dies lautstark als Versuch, "Druck" auf ihn auszuüben, wie ein Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Das sei eine "Schweinerei", sagte er.
Mit dem frühen Termin wollte Russlands Präsident Wladimir Putin seine Gegner offenbar austricksen: Eigentlich war der Richterspruch für den 15. Januar angesetzt. Für diesen Termin hatten Kreml-Kritiker bereits eine Demonstration auf dem Manege-Platz vor den Mauern des Kreml geplant. Nachdem am Montag bekannt geworden war, dass das Urteil vorgezogen werden sollte, planten sie um. Auf Twitter und anderen Onlineportalen riefen sie zu einer Kundgebung an diesem Dienstagabend um 19 Uhr Ortszeit (17 Uhr MEZ) auf.
Auch vor der Verkündung des Urteilsspruchs fanden sich Demonstranten vor dem Gerichtsgebäude ein. Zwei von ihnen hat die Polizei festgenommen. Der eine Mann habe ein Nawalny-kritisches Plakat getragen, der andere habe Losungen zur Unterstützung des Oppositionspolitikers gerufen, berichtete die Agentur Interfax. Außerdem riegelte die Polizei eine Straße vor dem Gebäude ab, zahlreiche Beamte waren im Einsatz.
Der Vorwurf: Untreue und Diebstahl
Beobachter sehen in den Gerichtsverfahren einen Versuch Putins, Nawalny mundtot zu machen, der sich als regierungskritischer Blogger einen Namen gemacht hat. 2011 und 2012 führte er Massendemonstrationen gegen den Kreml-Chef an.
Die Staatsanwaltschaft hatte gefordert, dass Nawalny zehn Jahre ins Gefängnis sollte. Ein Moskauer Gericht hatte den Hausarrest des Regierungskritikers um einen Monat bis zum 15. Februar verlängert.
In dem Prozess wurden Nawalny und seinem Bruder Oleg Untreue und Diebstahl vorgeworfen. Für Oleg Nawalny fordert die Staatsanwaltschaft acht Jahre Haft. Die beiden sollen 30 Millionen Rubel (rund 400.000 Euro) von zwei Firmen mittels überhöhter Rechnungen veruntreut haben - unter anderem auch mithilfe von Geldwäsche. Unter den Unternehmen soll auch eine Tochter des französischen Kosmetikkonzerns Yves Rocher gewesen sein. Beide Angeklagte bestritten die Anschuldigungen.
Nawalny war bereits im vergangenen Jahr wegen Veruntreuung von 16 Millionen Rubel zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt worden, die später jedoch ausgesetzt wurde. Nawalny kam unter Auflagen frei, durfte Moskau etwa nicht verlassen.