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Sofortiger Waffenstillstand in Syrien gefordert Trump verhängt Sanktionen gegen die Türkei

US-Präsident Donald Trump warnte zwar seinen türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan, doch machte er letztlich mit dem Rückzugsbefehl für die US-Truppen in Syrien den Weg für die militärischen Einmarsch der türkischen Streitkräfte überhaupt erst frei. Massiv unter den Druck sowohl der eigenen Partei als auch der Opposition im US-Kongress geraten, ließ der US-Präsident nun in der Nacht zu Dienstag Sanktionen gegen die Türkei verhängen und forderte zugleich von Präsident Erdogan einen sofortigen Stopp der Militäroffensive in Nordsyrien.

Trump will seinen Vize, Mike Pence, schnellstmöglich zur Vermittlung zwischen den Kurden und den Türken nach Ankara schicken. Die Sanktionen würden ausgeweitet und verschärft, solange die Türkei nicht in den Waffenstillstand trete, die Gewalt einstelle und sich damit einverstanden erkläre, eine langfristige Lösung der Probleme entlang der Grenze zwischen der Türkei und Syrien auszuhandeln, erklärte Pence am Montagabend (Ortszeit).

Die USA reagieren zunächst wie folgt:

  • Sie verhängten Sanktionen gegen Verteidigungsminister Hulusi Akar, Energieminister Fatih Donmez sowie Innenminister Süleyman Soylu. Mögliches Vermögen der Personen in den USA wird damit eingefroren.
  • Sanktionen wurden auch gegen das Verteidigungsministerium und das Energieministerium der Türkei verhängt
  • Zugleich kündigte Trump in einer Erklärung die Anhebung von Strafzöllen auf Stahlimporte aus der Türkei auf 50 Prozent an.
  • Zudem werde die US-Regierung "umgehend" Verhandlungen über ein Handelsabkommen abbrechen.

Trump telefonierte am Montag nach Angaben von Pence sowohl mit dem kurdischen General Maslum Abdi als auch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Trump habe sein Angebot wiederholt, in dem Konflikt zwischen den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) und dem türkischen Militär zu vermitteln. Erdogan habe Trump zugesichert, die Grenzstadt Kobane nicht anzugreifen, sagte Pence.

Donald Trump: Vorerst richten sich die Sanktionen gegen einzelne türkische Minister. Die angedrohten Strafzölle auf türkischen Stahl könnten mehr Wirkung entfalten, wenn sie umgesetzt werden. Vielmehr aber schadet derzeit der Absturz der türkischen Lira dem Land und seinen Menschen.

Donald Trump: Vorerst richten sich die Sanktionen gegen einzelne türkische Minister. Die angedrohten Strafzölle auf türkischen Stahl könnten mehr Wirkung entfalten, wenn sie umgesetzt werden. Vielmehr aber schadet derzeit der Absturz der türkischen Lira dem Land und seinen Menschen.

Foto: Manuel Balce Ceneta/ AP

Die Türkei hatte Mittwoch vergangener Woche einen lange geplanten Militäreinsatz gegen die kurdische YPG-Miliz begonnen, die an der Grenze zur Türkei in Nordsyrien ein großes Gebiet kontrolliert. Die Türkei hält die YPG für einen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit für eine Terrororganisation.

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Nach schnellen Verlusten hatten die von den Kurden dominierten SDF am Sonntag eine Vereinbarung mit der Regierung in Damaskus und deren Verbündetem Russland getroffen. Das syrische Militär kam den von der Türkei bedrängten kurdischen Milizen am Montag mit einem Truppenaufmarsch zu Hilfe. Über die Zahl der Truppen machte die Regierung in Damaskus keine Angaben.

Die SDF waren im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ein wichtiger Verbündeter der USA. Trump wird vorgeworfen, die Kurden im Stich gelassen zu haben, da er mit dem Abzug von US-Soldaten aus dem Gebiet faktisch den Weg für den Einmarsch freimachte. Am Wochenende ordnete Trump zudem den Rückzug verbleibender US-Soldaten aus dem Nordosten Syriens an. Der Zeitplan darüber ist unbekannt. Die Truppen würden in der Region bleiben, um ein Wiedererstarken der Terrormiliz Islamischer Staat zu verhindern, erklärte Trump am Montag. Ein kleiner Teil bleibe an einem Truppenstandort im Süden Syriens.


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Trump sei gegenüber Erdogan vollkommen deutlich gewesen: "Das Vorgehen der Türkei führt eine humanitäre Krise herbei und schafft die Voraussetzungen für mögliche Kriegsverbrechen", erklärte Trump. Die Militäroffensive gefährde Zivilisten und den Frieden, die Sicherheit und Stabilität in der Region. Die Türkei dürfe die erzielten Erfolge im Kampf gegen den IS nicht gefährden. Zudem müsse die Türkei den Schutz von Zivilisten, ethnischen und religiösen Minderheiten vorne anstellen.

Erdogan zeigt sich unbeirrt

Präsident Erdogan trägt die volle Verantwortung für die Konsequenzen, einschließlich eines möglichen Wiederauflebens des IS, möglicher Kriegsverbrechen und einer wachsenden humanitären Krise", erklärte US-Verteidigungsminister Mark Esper.

Trotz Anrückens der syrischen Kräfte von Präsident Baschar al-Assad und scharfer internationaler Kritik betonte Erdogan am Montag erneut, dass der "Kampf" fortgesetzt werde, bis der "endgültige Sieg" erreicht sei. Die Türkei will entlang der Grenze eine sogenannte Sicherheitszone unter ihrer alleinigen Kontrolle einrichten.

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Foto: SEDAT SUNA/ EPA-EFE/ REX/ Shutterstock

Die Außenminister der EU-Staaten hingegen hatten die türkische Offensive in Nordsyrien zwar scharf verurteilt, aber keine Einigung auf ein Waffenembargo oder Sanktionsdrohungen erzielt. In einer in Luxemburg verabschiedeten Erklärung wurde lediglich auf die Bemühungen der Mitgliedstaaten hingewiesen, Rüstungsexporte auf nationaler Ebene einzuschränken. Von möglichen Sanktionen gegen die Türkei ist gar nicht die Rede.

"Sanktionen gegen die Türkei, einen Nato-Partner, wären kontraproduktiv", sagte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, der "Passauer Neuen Presse" (Dienstag). "Den Einsatz zu kritisieren ist das eine, Maßnahmen, die die Türkei schwächen, wären etwas ganz anderes."

Die angekündigten US-Sanktionen dürften die angeschlagene türkische Wirtschaft empfindlich treffen, glauben türkische Ökonomen. Schon die Androhung hatte die türkische Landeswährung Lira auf Rekordtiefstände geschickt und gestern zugleich für starke Kursverluste an der türkischen Börse gesorgt. Die Risikoaufschläge für türkische Staatsanleihen zogen am Montag zugleich deutlich an.

rei/dpa/Reuters
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