Was die Weltwirtschaft von Trump erwarten kann Die vier Merkmale populistischer Wirtschaftspolitik

Trump's up: Donald Trump an seinem Golf-Klub.
Foto: MIKE SEGAR/ REUTERSNoch ist vieles offen. Noch gibt es keine Regierungsmannschaft. Wie sein Verhältnis zum Parlament sein wird, muss sich erweisen. So etwas wie ein Programm existiert nicht, auch nicht in der Wirtschaftspolitik, die ja das zentrale Thema des Wahlkampfs war.
So viel lässt sich jetzt schon sagen: Sollte Trump frühere Ankündigungen umsetzen, werden die USA weltweit die Finanzmärkte in Aufregung versetzen. Zinsen und Wechselkurse zucken bereits jetzt, Anleger sollten sich auf die eine oder andere Achterbahnfahrt vorbereiten. Von wichtigen Partnerländern, gerade von Deutschland, dürfte der neue Präsident geringere Exportüberschüsse und höhere Rüstungsausgaben fordern.
Das klingt alles ein bisschen nach Retro-Wirtschaftspolitik: nach den frühen Achtzigerjahren, als Ronald Reagan ein paar aufregende erste Jahre hinlegte, sich dann aber als durchaus erfolgreicher Präsident erwies. Der Unterschied ist nur: Reagan war kein Populist. Er war ein konservativer Geschichtenerzähler, strammer Antikommunist und Marktliberaler. Sein Denken beruhte auf einem Set von Überzeugungen, die ihn auch unpopuläre Entscheidungen treffen ließen.
Welche Überzeugungen aber hat Trump? Offenkundig nicht viele. Nach Jahrzehnten, in denen er als öffentliche Figur die Klatschspalten und Reality-TV-Formate füllte, lässt sich so viel sagen: Trump will gemocht und bewundert werden. Er will Anerkennung. Es ist deshalb nicht abwegig anzunehmen, dass er seine Wirtschaftspolitik zuvörderst an Umfragewerten ausrichten wird. Hauptsache, er ist beliebt. Das heißt aber auch: Wenn seine Popularitätswerte in den Keller gehen, könnte es ziemlich ungemütlich werden.
Es gibt diverse Erfahrungen mit populistischer Wirtschaftspolitik. Lateinamerika durchläuft seit Jahrzehnten immer wieder populistische Phasen. Europa hat den italienischen Premier Silvio Berlusconi erlebt und hat es nun mit Viktor Orbán in Ungarn zu tun. Auch Recep Tayyip Erdogans Politik trug populistische Züge, bevor er sich zum Autokraten wandelte. Vorbilder, von denen sich einige Schlussfolgerungen ableiten lassen:
Möglich, dass Trump eine Art amerikanischer Berlusconi wird: Hauptdarsteller in einer täglichen Reality-Soap - ein Inszenierer des Staatsgeschäfts und seiner selbst. Das eigentliche Regieren übernähme in diesem Szenario ein konservatives Team um Vizepräsident Mike Pence, das sich mit einem ebenfalls konservativ dominierten Kongress auf ein Minimalprogramm - ein paar Steuersenkungen, moderate Ausgabenerhöhungen - einigt und ansonsten Trumps großsprecherische Ankündigungen gekonnt ausbremst.
- Makro schlägt Mikro. Populismus als politische Strömung und Strategie fußt darauf, widerstrebende Interessen in der Bevölkerung zu übertünchen. Die Einheit des Volkes wird beschworen, ein großes Wir konstruiert. Das mühsame Geschäft mikroökonomischer Strukturreformen passt nicht zu dieser Grundausrichtung: Wer die Funktionsweise von Märkten und Institutionen verbessern will, produziert zwangsläufig Verlierer. Es gibt Widerstände, Streiks, Ärger. Populistische Wirtschaftspolitik fokussiert sich deshalb typischerweise auf makroökonomische Instrumente: staatliche Sozial- und Investitionsprogramme, Steuersenkungen, niedrige Zinsen. Unabhängige Notenbanken sind mit diesem Ansatz übrigens nur bedingt kompatibel.
- Kurz schlägt lang. Populisten neigen zur radikalen Vereinfachung komplexer Sachverhalte - und zu entsprechend einfachen Lösungsvorschlägen. Wer im Wahlkampf rasche Problembeseitigung versprochen hat, neigt dazu, an wirtschaftspolitischen Stellschrauben zu drehen, die schnelle Wirkung versprechen. Ob diese Maßnahmen langfristig tragfähig sind, steht auf einem anderen Blatt.
- Innen schlägt außen. Populistische Politik ist prinzipiell kompatibel mit einer international ausgerichteten Wirtschaft. Erdogans Türkei war in ihren Boomjahren eine durchaus offene Volkswirtschaft, die ausländische Investoren einlud. Auch Orbáns Ungarn hat nichts gegen internationale Konzerne, die sich im Land engagieren. Solange Jobs und Einkommen im Inland entstehen, gibt es keinen Konflikt. Problematisch wird es, wenn die Wirtschaft nicht mehr läuft. Dann hat im Zweifel der kurzfristige Schutz inländischer Jobs Priorität, siehe die rigide Zollpolitik Argentiniens und Brasiliens in den vergangenen Jahren.
- Inszenierung schlägt Substanz. Wenn die Popularität des populistischen Führers das Hauptziel der Politik ist, genügt es womöglich, ein großes, buntes Staatsschauspiel aufzuführen - und wirtschaftspolitisches Handeln weitgehend zu unterlassen. Silvio Berlusconi zum Beispiel: In der Makropolitik hatte er keinen Bewegungsspielraum - als Mitglied der Eurozone konnte Italien weder eine eigene Geld- noch eine unabhängige Finanzpolitik betreiben. Notwendige, aber unpopuläre Strukturreformen packte er einfach nicht an. Was blieb, war ein stets triviales, manchmal frivoles und häufig peinliches Polittheater. Vertane Jahre, unter denen Italien bis heute leidet.
- Solange die Wirtschaft läuft, weiterhin Jobs entstehen und die Inflation nicht aus dem Ruder läuft, könnte das genügen, um die Umfragewerte des Präsidenten oben zu halten. Trumps Rolle würde sich darauf beschränken, Amerikas angebliche neue Greatness in Szene zu setzen.
Was, wenn es Probleme gibt?
Wenn die Wirtschaft allerdings zu stottern beginnt, dürfte es mit seiner Popularität nicht mehr weit her sein. Dann könnte ein ganz anderer Trump auftreten: einer, der Schuldige für die Misere sucht - einer, der rabiat zur Sache geht und Konflikte sucht mit ausländischen Handelspartnern, die sich angeblich unfaire Vorteile verschaffen; mit der US-Notenbank, die angeblich die Wirtschaft mit zu hohen Zinsen abwürgt; mit Ratingagenturen, die Amerikas schlechtere Finanzlage mit Herabstufungen quittieren; mit internationalen Institutionen wie dem IWF, der OECD oder der WTO, die die USA zu einem Kurswechsel auffordern.
Eigentlich hätte der neue US-Präsident genug anzupacken. Der Pfad der wirtschaftlichen Entwicklung ist abgeknickt; um gerade noch 1,5 Prozent jährlich wächst das Produktionspotenzial. In den Neunzigerjahren waren es nach OECD-Berechnungen noch 3,2 Prozent, in den Nullerjahren 2,2 Prozent. Wer Amerika wirklich wieder great machen will, müsste sich vor allem darum bemühen, den Wachstumspfad nachhaltig anzuheben.
Das aber ist ein schwieriges Geschäft. Es geht zum Beispiel um Bildung: Von der frühkindlichen Erziehung bis zur Qualität von Schulen und Hochschulen - jenseits teurer privater Eliteinstitute sind die Resultate des US-Bildungssystems dürftig im Vergleich zu anderen reichen Ländern. Es geht um Umwelt: Die USA müssen ihren Energie- und sonstigen Ressourcenverbrauch deutlich senken, um nachhaltig konkurrenzfähig zu sein. Es geht um Steuern: Die gestiegenen Ansprüche an den Staat müssen nachhaltig finanziert werden. Dafür braucht Amerika höhere Steuereinnahmen und ein effizienteres Steuersystem, beispielsweise eine allgemeine Mehrwertsteuer, die inzwischen überall in der entwickelten Welt zum Standard gehört.
Aber all das wird nicht geschehen. Derlei Strukturreformen sind umstritten, unpopulär, langwierig. Und deshalb unattraktiv - populistisch gesehen.
Die wichtigsten Wirtschaftstermine der kommenden Woche
MONTAG
Tokio - Globalisierungsindikator - Neue Zahlen vom japanischen Außenhandel im Oktober.
Brüssel - Großeinkauf - Die Frist für die EU-Wettbewerbskommissarin läuft ab im Fall der Übernahme der französischen Supermarktkette Colruyt France durch den deutschen Metro-Konzern.
DIENSTAG
Brüssel - Die Stimmung vor Weihnachten - Neue Zahlen zum Verbrauchervertrauen in der Eurozone.
MITTWOCH
London/Berlin - Dunkle Wolken, heitere Atmosphäre? - Neues zur Stimmung bei den Einkaufsmanagern der Unternehmen in Deutschland und in der Eurozone insgesamt, veröffentlicht vom Institut Markit.
DONNERSTAG
München/Nürnberg - Deutsche Launen - Konjunkturfrühindikatoren: Neue Zahlen vom Ifo-Geschäftsklimaindex für Deutschland und vom Gfk-Konsumklimaindex.
Essen - Stahlharte Zeiten - ThyssenKrupp stellt seine Jahresbilanz vor.
FREITAG
Tokio - Deflation, Inflation, Trumpflation? - Das lange deflationsgeplagte Japan meldet neue Erkenntnisse von der Preisentwicklung.