USA nach dem Super Tuesday Fünf Warnzeichen für Amerikas Elite

Von Arvid Kaiser
Fotostrecke

Machtkampf der Milliardäre: Donald Trump im Weißen Haus? Diese Superreichen könnten es nicht ertragen

Foto: AP/dpa

Angst geht um, Angst vor einem Präsident Donald Trump, der poltert, Hass schürt und zu Gewalt aufruft. Nicht nur die Milliardärskollegen des Immobilienmoguls wenden sich mit Abscheu ab.

Ökonomen wie Larry Summers warnen  - wenn auch Vergleiche Trumps mit Mussolini oder Hitler "übertrieben" seien - vor "der größten gegenwärtigen Gefahr für Wohlstand und Sicherheit der Vereinigten Staaten", womöglich einer neuen Finanzkrise, sollte Trump seine nationalistischen Abschottungsfantasien wahr machen.

"Financial-Times"-Kolumnist Martin Wolf malt ein "globales Desaster"  an die Wand. Die "größte Republik seit Rom, die Bastion der Demokratie, der Garant der liberalen Weltordnung" stehe vor dem Ende.

Die Elite hat offensichtlich nichts dagegen in der Hand, dass Trump an den Wettbörsen jetzt schon ein Drittel Wahrscheinlichkeit auf den Job im Weißen Haus eingeräumt wird. Die Favoritin und einzige Hoffnung des Establishments heißt nach wie vor Hillary Clinton (Restchancen auf das Präsidentenamt gibt es noch für Marco Rubio, Bernie Sanders oder Ted Cruz).

Aber auch wenn Clinton das Rennen macht, wird dieses Wahljahr Amerika wohl dramatisch verändern.

Der Einfluss des großen Gelds - Nervosität bei den Big Spendern

Verlierer Jeb Bush: Das Rennen ums Geld gewonnen, das um die Wähler nicht

Verlierer Jeb Bush: Das Rennen ums Geld gewonnen, das um die Wähler nicht

Foto: RANDALL HILL/ REUTERS

Ein Großthema des Wahlkampfs ist der Einfluss des großen Gelds. Paradoxerweise motiviert gerade dieses Argument die Unterstützer des Multimilliardärs Trump - nach der kruden Logik, der sei ja schon reich und müsse sich daher nicht mehr kaufen lassen. Und auf der anderen Seite hat die Wahl den reichen Gönnern auch die Grenzen ihrer Macht aufgezeigt, wie das Beispiel Jeb Bushs verdeutlicht.

Das Rennen ums Geld hat der Ex-Berater der Pleitebank Lehman Brothers locker gewonnen. Mit 158 Millionen Dollar hatte die Kampagne das mit Abstand größte Budget auf Seiten der Republikaner eingesammelt; allein in Bushs Spendensammelmaschine "Super-Pac" fanden sich 124 Millionen, weit mehr als selbst Clinton einzuwerben vermochte.

Nach gängiger Vorstellung sollte das reichen, um sich den Sieg zu kaufen: wertvolle Fernsehwerbung, eine flächendeckende Wahlkampfoperation, wohlmeinende Experten … Aber nix da: In drei Vorwahlen kam Bush, dessen Bruder und Vater schon im Weißen Haus saßen, nicht über den vierten Platz hinaus. Er konnte gerade vier Delegierte für den Parteitag zählen und musste Ende Februar aufgeben. Für seine Großspender hätte das Geld kaum schlechter angelegt sein können.

Sozialismus wird gesellschaftsfähig

Liebling der Massen: Der "demokratische Sozialist" Bernie Sanders

Liebling der Massen: Der "demokratische Sozialist" Bernie Sanders

Foto: BRIAN SNYDER/ REUTERS

Die Trump-Bewegung wird vor allem von der Wut der alten weißen Männer angetrieben. Doch gegen das Establishment richtet sich auch die Kandidatur von Bernie Sanders bei den Demokraten. Sanders wird zwar wohl nicht im Weißen Haus landen, aber schon die Tatsache, dass es überhaupt eine ernstzunehmende Konkurrenz für Obamas auserkorene Nachfolgerin Clinton gibt, spricht Bände. Die im Vergleich der Industrienationen stärkste Wirtschaft mit sieben Jahren Wachstum und einer Arbeitslosenrate unter 5 Prozent reicht als Bindemittel offenbar nicht aus.

Ungleichheit und Umverteilung beschäftigen die Amerikaner weit über die Occupy-Proteste der vergangenen Jahre hinaus. Bernie Sanders füllt mit diesen Themen die größten Hallen, sammelt die meisten Facebook-Likes und sammelt über Kleinspenden auch gewaltige Summen ein. So nah wie er ist dem Präsidentenamt seit 1924 kein selbst erklärter Sozialist gekommen - auch wenn Sanders' Sozialismus nur bedeuten würde, Amerika ein bisschen mehr wie Dänemark zu machen.

Auf diese Kraft müsste auch eine Präsidentin Clinton Rücksicht nehmen, zumal sie auch noch von Trump geprägte Republikaner als Opposition im Nacken hätte. Die Politik wird künftig die Frage ernster stellen müssen: Was nützt es Amerikas Arbeitern?

Splendid isolation

Mehr nationaler Egoismus: Auch Favoritin Clinton wendet sich von ihrer früheren Freihandelspolitik ab

Mehr nationaler Egoismus: Auch Favoritin Clinton wendet sich von ihrer früheren Freihandelspolitik ab

Foto: © David Becker / Reuters/ REUTERS

In der Handelspolitik wirkt diese Dynamik bereits. Trump teilt die Welt sowieso in Gewinner und Verlierer ein, will es den Chinesen mit Zöllen zeigen und den Mexikanern mit einer Mauer, und überhaupt nur Deals durchziehen, bei denen Amerika auf Kosten anderer gewinnt - so protektionistische Töne sind ein klarer Bruch mit dem Freihandelsdogma der vergangenen Jahrzehnte.

In dieser Hinsicht stimmt Trump aber mit Sanders überein. Und erstaunlicherweise positioniert sich nun auch Clinton, die sich als First Lady in der Amtszeit von Ehemann Bill oder als Außenministerin unter Obama noch Handelsabkommen wie Nafta oder TPP verschrieben hatte, gegen TPP.

Wer immer die Wahl gewinnt: Amerika wird sein eigenes Wohl stärker als bisher in den Vordergrund schieben als bisher.

Konservative Ideologie reicht nicht mehr als Kitt

Christlicher Kreuzzügler: Ginge es nach konservativer Ideologie, müsste Ted Cruz die Evangelikalen gewinnen

Christlicher Kreuzzügler: Ginge es nach konservativer Ideologie, müsste Ted Cruz die Evangelikalen gewinnen

Foto: JOSH EDELSON/ AFP

Die republikanischen Rivalen Trumps verzweifeln, weil ihre Kritik nicht verfängt, der Reality-TV-Star sei gar kein echter Konservativer. Der Basis sind die so lange beschworenen "family values" plötzlich egal, selbst evangelikale Christen ziehen Trump den glaubwürdigeren Vertretern ihres Glaubens vor. Aggressiver Nationalismus ist ihnen anscheinend genauso attraktiv.

Für die Parteieliten bedrohlich ist diese Tendenz, weil die konservativen Werte stets halfen, Steuersenkungen für Reiche und Schläge gegen Gewerkschaften mit zu verkaufen. Dabei schwang immer latenter Rassismus mit, um die weiße Mittelschicht gegen die vorgeblich vom Staat gepäppelten Minderheiten zu mobilisieren. Trump holt diesen Rassismus zwar an die Oberfläche, wirft dafür aber die sonstigen konservativen Ideale über Bord. Selbst die Revoluzzer der Tea Party, die 2010 noch für den freien Markt antraten, wirken jetzt als altbackene Vertreter des Establishments.

Der starke Staat ist gefragt

Teure Versprechen: Trump will den Staat um elf Billionen Dollar erleichtern - und zugleich die Ausgaben erhöhen

Teure Versprechen: Trump will den Staat um elf Billionen Dollar erleichtern - und zugleich die Ausgaben erhöhen

Foto: SCOTT AUDETTE/ REUTERS

Natürlich folgt auch Trump der bewährten Übung der Republikaner, billionenschwere Steuergeschenke zu versprechen, die vor allem den Reichsten zu Gute kämen. Seit den Tagen der Amtsinhaber Reagan und Bush, die tatsächlich riesige Lücken in den Haushalt rissen, sind die Pläne noch um ein Vielfaches größer geworden. Trumps Plan würde den US-Staat laut Tax Policy Center satte 11,2 Billionen Dollar kosten und die Staatsverschuldung von 73 auf 112 Prozent der Wirtschaftsleistung treiben.

Im Unterschied zu den Rivalen Rubio und Cruz - die das mit ihren Plänen auch nicht vermögen - unternimmt Trump gar nicht erst den Versuch, seine Versprechen gegenzufinanzieren. Und er verbindet ihn auch nicht mit der Vision, den Sozialstaat komplett abzuschaffen. Im Gegenteil will er staatliche Rente und Gesundheitsfürsorge, die mit Abstand größten Haushaltsposten, erhalten. Und natürlich die Armee, Kostenfaktor Nummer drei, kräftig ausbauen.

Make deficits great again, heißt das wohl. Die Zeit, als die Sanierung der Staatsfinanzen in Washington das drängendste Problem erschien, ist wohl endgültig vorbei.

Die führenden Kandidaten von Demokraten und Republikanern stehen für einen wieder stärkeren Staat. Die große Frage des Wahljahrs 2016 wird nur, ob die Präsidentschaft dafür ausreichend Handlungsfähigkeit bringt. Zugleich stehen die Mehrheiten in Parlament und dem obersten Gericht zur Disposition - zwei Institutionen, die in den Obama-Jahren etliche zentrale Vorhaben der Regierung blockierten.

Aber auch das amerikanische System der checks and balances könnte nach diesem Jahr neu austariert werden.


Alle relevanten News des Tages gratis auf Ihr Smartphone. Sichern Sie sich jetzt die neue kostenlose App von manager-magazin.de. Für Apple-Geräte hier  und für Android-Geräte hier . Viel Vergnügen bei der Lektüre!

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren