Chinas Bosse - Teil 2 Der unbekannte Aufkäufer - ChemChina-Chef Ren Jianxin

ChemChina-Chef Ren Jianxin
Foto: AFP"Er ist der wichtigste Dealmaker, von dem Sie noch nie etwas gehört haben", urteilte die South China Morning Post. Er managte über 100 Beteiligungen und Übernahmen. Erst in China, aber nun zunehmend in aller Welt. Mit der Übernahme des schweizerischen Agrochemie-Giganten Syngenta hat er sogar den größten M&A-Deal eines chinesischen Unternehmens eingefädelt und durchgezogen.
Wer ist dieser unbekannte, aber weltweit immer wichtiger werdende Aufkäufer? Er heißt Ren Jianxin und ist Chef von ChemChina, wie die China National Chemical Corporation in Kurzform heißt. Ren ist kein typischer Manager eines Staatsunternehmens. Schon vom Aussehen her. Er trägt im Sommer keine kurzärmeligen weißen Hemden und altmodischen Blousons - so etwas wie die Uniform der SOE-Bosse -, sondern elegante westliche Anzüge mit durchaus farbenfrohen Krawatten. Auch ungewöhnlich: Ren kennt bislang nur dieses eine Staatsunternehmen. Kein Wechsel in ein anderes oder in die Politik.
Vielleicht ist dies damit zu erklären, dass er eine wichtige, einflussreiche Fürsprecherin und Mentorin hat - Gu Xiulian. Sie leitete zwischen 1989 und 1998 das Ministerium für Chemieindustrie und war über 20 Jahre lang Mitglied des Zentralkomitees der KP Chinas. Zur Feier des chinesischen Neujahrsfestes 2012 lud Ren die längst pensionierte Gu ein und platzierte sie neben sich. Vor ihr eine große Platte mit Orangen - ein Symbol.
Ren (1958) kommt aus der Provinz Gansu, einer eher armen Gegend. Dort studierte er an einer lokalen Universität Wirtschaft. Anschließend hatte er einen lauen Job als Sekretär der kommunistischen Jugendliga im Chemical Machinery Research Institute. Mitte der 80er Jahre gründete er die Blue Star Chemical Cleaning Group. Das Startkapital von 10.000 Yuan lieh Ren von seinem Institut.
Blue Star wuchs zu einem stattlichen Chemieunternehmen heran, ehe es 2004 staatlich wurde. Damals erfolgte die Verschmelzung mit ein paar staatlichen Chemiefirmen zur ChemChina. Und aus dem Privatunternehmen wurde ein Staatskonzern.
Doch die Vergangenheit hat das Unternehmen weiterhin geprägt. "Im Vergleich zu anderen chinesischen SOEs sind wir mehr offen, mehr international", sagte Michael König der South China Morning Post. König ist der lebende Beweis. Der ehemalige Bayer-Vorstand ist einer der Topmanager bei ChemChina. Ausländer auf Vorstandsetagen sind immer noch eine Seltenheit.
Seit ein paar Jahren ist Ren auch im Ausland auf Einkaufstour. In Deutschland kaufte er Krauss-Maffei. Das war mal ein Rüstungskonzern, hat aber längst abgerüstet. Jetzt produziert die ehemalige Waffenschmiede Plastikmaschinen und wurde deshalb für ChemChina interessant. 925 Millionen Euro zahlten sie für das Münchner Unternehmen.
Berühmt wurde Ren allerdings durch zwei andere, spektakuläre Deals. Erst kaufte er Pirelli, dann Syngenta. Der Reifenhersteller Pirelli ist eine italienische Traditionsmarke. Über 140 Jahre alt. ChemChina hat auch eine Reifensparte. Eine runde Sache, dachte Ren und kaufte für 7,1 Milliarden Euro den fünftgrößten Reifenhersteller der Welt, den "Prada der Reifenindustrie" (Ren). Zusammen sind sie jetzt ein Global Player in diesem Business. Ren spricht von einer "wundervollen Hochzeit mit Pirelli". Dabei erfüllte er viele Wünsche seines Partners: "Wir verlegen nicht den Sitz des Unternehmens, wir wechseln nicht das Management aus, und wir transferieren keine Technologien. Das steht alles in unserem Abkommen." Inzwischen plant Ren ein Re-Listing von Pirelli an der Börse.
Auch bei Syngenta - wie bei Pirelli - gab es das Bekenntnis von Ren, alles beim Alten zu belassen. Syngenta-Vorstandschef Erik Fyrwald betonte immer und immer wieder: "Syngenta bleibt Syngenta. Wir haben nur einen chinesischen Eigentümer.
Der Firmensitz bleibt Basel." Im achtköpfigen Verwaltungsrat - was in etwa dem deutschen Aufsichtsrat entspricht - sitzen nur vier Vertreter des chinesischen Eigentümers. Chef des Gremiums ist Ren Jianxin. Bei einem Patt hat er allerdings die entscheidende Stimme. Managern der übernommenen Unternehmen pflegt Ren zu sagen: "Ich bin euer Boss, aber ihr seid mein Lehrer." Der Syngenta-Deal war die spektakulärste Übernahme durch ein chinesisches Unternehmen - und dann noch durch einen Staatskonzern. 43 Milliarden Dollar musste ChemChina für den Schweizer Agrochemie-Konzern hinblättern. Das war selbst für ChemChina nur über Kredite und Schulden zu finanzieren. Dabei zeigte sich mal wieder, wie das chinesische System funktioniert.
Fast das ganze Kreditvolumen wurde über chinesische Banken finanziert, allen voran die Bank of China. Nur eine ausländische Bank war im Konsortium dabei: Morgan Stanley. Man darf davon ausgehen, dass die Regierung ein großes Interesse am Zustandekommen dieses Deals hatte und deswegen "ihre" Banken anwies, "ihrem" Unternehmen finanziell unter die Arme zu greifen.
"Diese Transaktion ist extrem wichtig für China und seine Bauern", sagte Ren während der Pressekonferenz, in der er den Deal ankündigte. Und dann fügte er seine persönliche Erfahrung hinzu: "Ich wurde mit 15 Jahren aufs Land geschickt. Ich bin mir sehr bewusst, was die Bauern brauchen." Sie brauchen Saatgut, zur Not auch genmodifiziertes. Das hat Syngenta im Programm.
Wenn dieses in China zugelassen werden sollte, tut sich ein riesiger Markt für Syngenta auf. Das wäre dann wirklich eine Winwin-Situation, von der so oft bei Mergers gefaselt wird.
Nun wird aber der erfolgsverwöhnte Ren möglicherweise zu etwas gezwungen, wo er nicht mehr Herr des Verfahrens ist, sondern nur ausführendes Organ. Die SASAC will ChemChina zur Fusion mit Sinochem zwingen - als Teil der großen Reform des Staatssektors, der vor allem effizienter gestaltet werden soll.