

Eigentlich wollte er nur die Reform des Mehrwertsteuersystems in der EU vorstellen. Doch dann kam Pierre Moscovici auf die Panama Papers zu sprechen - und geriet in Fahrt. "Die Menschen haben genug", sagte der EU-Finanz- und Wirtschaftskommissar am Donnerstag in Brüssel. Er drohte Steueroasen offen mit Sanktionen: "Wir müssen sie auf eine gemeinsame schwarze Liste der EU setzen und bereit sein, sie mit angemessenen Strafen zu treffen, falls sie sich weigern, sich zu ändern."
Das Problem: Eine solche gemeinsame schwarze Liste hat die EU nicht. Die EU-Kommission hat zwar kürzlich improvisiert und eine Liste aus den Negativlisten der einzelnen Mitgliedstaaten gebastelt. Sie hat allerdings erhebliche Lücken.
Panama etwa gilt demnach nur in acht von 28 EU-Staaten als Steuerparadies. Manche EU-Länder haben laut Moscovici bis zu 85 Länder auf ihrer schwarzen Liste, andere überhaupt keine. Zu letzterer Gruppe gehört übrigens auch Deutschland. Deshalb müsse man anhand einheitlicher Kriterien alle Steueroasen erfassen. "Ich will diese Liste spätestens in sechs Monaten haben", sagte Moscovici.
Allerdings ist das Ringen mit den Steueroasen zäh . Wie wenig sich in den vergangenen Jahren getan hat, zeigen aktuelle Daten des "Netzwerks Steuergerechtigkeit". Die Britischen Jungferninseln etwa beherbergen demnach nicht weniger als 481.000 Firmen. Das ist mehr als ein Drittel der Zahl deutscher Unternehmen - in einem Land mit weniger als 33.000 Einwohnern.
Damit sind die Jungferninseln einsame Weltspitze, was die Zahl der registrierten Unternehmen pro Einwohner betrifft: Hier kommen fast 15 Firmen auf jeden Insulaner. Dieser Wert ist mehr als achtmal höher als der auf den zweitplatzierten Seychellen. Immerhin: Mit Liechtenstein schafft es auch ein europäisches Land in die dubiosen Top 5 der Steuerparadiese.
Für den Pro-Kopf-Vergleich mit den meisten anderen europäischen Ländern stoßen Diagramme buchstäblich an ihre Grenzen - denn der Balken für die Jungferninseln müsste 700 Mal länger sein als etwa der für Deutschland. Deswegen haben wir die Jungferninseln aus der nächsten Grafik entfernt, um wenigstens das Pro-Kopf-Verhältnis von Firmen und Einwohnern anderer Länder darstellen zu können.
Je kleiner die Inseln, desto beliebter scheinen sie für Steuervermeider zu sein. Die Top 20 der Länder mit den meisten Firmen pro Einwohner zeigt eine Vorliebe für exotische Orte: Hauptsache, viele Palmen und wenig Steuern. "Nur für kleine Staaten rechnet sich das Steuergeschäft", sagt der Grünen-Europapolitiker Sven Giegold. "Sie verkaufen ihre Souveränität an Vermögende und richten anderswo Milliardenschäden an."
Insgesamt rund 240.000 Briefkastenfirmen sind in den geleakten Unterlagen des Offshore-Firmenanbieters Mossack Fonseca verzeichnet. Die Kanzlei bietet reichen Kunden also Firmenhüllen an, die ihren Sitz in Steueroasen haben und deren Besitzer unbekannt ist. Gute Voraussetzungen, um Geld zu verstecken. Jede zweite dieser Briefkastenfirmen - rund 113.000 - hat ihren Sitz im Steuerparadies der britischen Jungferninseln (im Bild). Die Virgin Islands sind also die mit Abstand beliebteste Steueroase der Mossack-Kunden. An zweiter Stelle der Lieblings-Steueroasen folgt ...
Panama: Knapp 50.000 Firmen aus dem Briefkasten-Firmenreich von Mossack Fonseca haben ihren Sitz in Panama. Kein Wunder, schließlich hat auch die Kanzlei Mossack Fonseca selbst dort ihren Hauptsitz. (im Bild: Panamakanal)
Platz 3 - Bahamas: Im Atlantis Hotel auf den Bahamas (im Bild) lässt es sich gut leben - und auf der Inselgruppe lässt sich ebenso gut Geld verstecken. Rund 18.000 Briefkastenfirmen, die Mossack Fonseca an reiche Kunden vermittelt hat, haben ihren Sitz auf den Bahamas.
Platz 4 - Seychellen: Der Inselstaat im Indischen Ozean befindet sich mit rund 17.000 Briefkastenfirmen, die dort ihren Sitz haben, ebenfalls in den Top 5 der Lieblings-Steueroasen.
Platz 5 - Niue: Die Koralleninsel im Südpazifik ist selbstverwaltet und frei mit Neuseeland assoziiert. Nicht nur bei der Münzprägung ist Niue einfallsreich - auch als Steueroase ist die Insel sehr beliebt. In den Firmendaten der Kanzlei Mossack Fonseca finden sich rund 15.000 Briefkastenfirmen mit Sitz in Niue.
Platz 6 - Samoa: Der Inselstaat im südwestlichen Pazifik bringt es auf rund 8000 Briefkastenfirmen bei Mossack Fonseca. Knapp dahinter ...
Platz 7 - British Anguilla: Wer jetzt meint, Steueroasen befänden sich grunsätzlich am Palmenstrand irgendwo im Pazifik, irrt. Ebenfalls unter den Top Ten der Steueroasen befindet sich ein US-Wüstenstaat ...
Platz 8 - Nevada: Die USA sind gut darin, ausländische Steuerparadiese anzuprangern. Doch eine der beliebtesten Steueroasen weltweit liegt mitten in den USA. In Nevada finden sind mehrere tausend der von Mossack Fonseca vermittelten Briefkastenfirmen angesiedelt. Mossacks Konkurrent Trident Trust, ebenfalls eine der großen auf das Versteckspiel spezialisierten Firmen, begründet den Zustrom in das US-Steuerparadies mit: "Cayman wurde dichtgemacht", oder "Sie wollen raus aus der Schweiz".
Platz 9 - Hong Kong: Der "duftende Hafen", die Sonderverwaltungszone im Süden Chinas, liegt im Steueroasen-Ranking weit hinter Samoa und Nevada zurück. Die Top Ten komplettiert als einziger Europäer ...
Platz 10 - England: ... der Finanzplatz London. Keine große Überraschung, denn in Geldgeschäften will man auf der Insel nichts verpassen.