Klimagipfel - die Welt beschließt Energiewende Was der Klimavertrag von Paris für Investoren bedeutet

Feierstimmung: Ausnahmsweise war dieser Klimagipfel mal ein echter Erfolg - und seine Folgen sind weitreichend
Foto: DPAWer im Vorfeld noch skeptisch war, wurde in Paris eines Besseren belehrt: Der Klimagipfel ist beendet, und man kommt nicht umhin, von einem echten Erfolg zu sprechen. Die internationale Staatengemeinschaft hat sich zu einem sehr ambitionierten Klimaziel durchgerungen - die globale Erwärmung soll auf deutlich unter zwei Grad begrenzt werden, und die regelmäßig alle fünf Jahre geplante Evaluierung des Weges dorthin gewährleistet grundsätzlich ein adäquates Monitoring und eine höhere Verbindlichkeit als bisher.
Der Beschluss ist gefasst, die Richtung stimmt, doch jetzt kommt alles auf die Umsetzung an. Ein "Weiter so" kann es nach dem Klimagipfel in Paris nicht geben - weder für Unternehmen noch für Investoren.
Aus Sicht der Anleger ist bemerkenswert, dass die Klimaverhandlungen in Paris in weiten Teilen in Form von Finanzverhandlungen stattgefunden haben. Und zwar nach folgendem Mechanismus: Die entwickelte Welt legt Ziele vor, die die Schwellenländer gerne einhalten - allerdings unter Finanzierungsvorbehalt. Nüchtern betrachtet treffen reiche Staaten mit weit fortgeschrittener Klimaeffizienz auf arme Staaten mit vielen CO2-Einsparpotenzialen. Gerade Deutschland und Japan zeigen sich offen dafür, Geld in Drittstaaten zu überweisen, damit dort CO2-Emissionen eingespart werden.
Dahinter steckt folgendes Kalkül: Mit jedem Euro, der in den Schwellenländern genutzt wird, um dort etwa Kohle- durch Gasöfen zu ersetzen, bewirkt man deutlich mehr als mit der gleichen Summe in Deutschland, wo die Häuser ohnehin schon dick isoliert und mit Energiesparlampen ausgerüstet sind. Also leistet man Finanzhilfe in Sachen Klimaschutz, was nicht nur unter Gesichtspunkten der globalen Kooperationsfähigkeit durchaus beachtlich ist.

Ingo Speich ist seit April 2019 bei der Deka Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance. Zuvor war er 14 Jahre im Portfoliomanagement von Union Investment tätig.
Ab dem Jahr 2020 soll der so genannte Green Climate Fund von den Industriestaaten jährlich mit mindestens 100 Milliarden US-Dollar bestückt werden - damit lässt sich in den Schwellenländern durchaus etwas bewegen. Damit verbunden werden natürlich auf politischer Ebene ausgehandelte wirtschaftliche Interessen, von der die jeweiligen Geldgeber im Umkehrschluss profitieren sollen. Schon heute gibt es privatwirtschaftliche Initiativen, die zeigen, dass die Bereitschaft, in den Klimaschutz zu investieren, stetig zunimmt.
Für Vermögensverwalter und Investoren hat der Weltklimavertrag von Paris weitreichende Implikationen.
Die zentrale Frage lautet: Was bedeutet das ehrgeizige Ziel, die Erderwärmung möglichst auf weniger als zwei Grad zu begrenzen, für die Unternehmen?
Hier geht es nicht um Tagespolitik, sondern um langfristige Aspekte der Zukunftsfähigkeit von Geschäftsmodellen.
Denn Aktionäre sind oft länger in einem Unternehmen investiert, als die durchschnittlichen Verträge von Vorständen laufen. Erste Pflicht eines verantwortungsbewussten und aktiven Aktionärs ist es deshalb, zu hinterfragen, ob das Management auch wirklich langfristig für die Zukunft des Unternehmens plant - und nicht nur kurzfristig für die eigene. Das gilt freilich für alle Belange, hat aber in Fragen des Klimawandels eine Besonderheit: Denn die Konsequenzen werden weder innerhalb einer Legislaturperiode noch während der durchschnittlichen Vertragslaufzeit eines Vorstands sichtbar.
Es gibt durchaus Hinweise auf die steigende Bedeutung von Klimathemen: Nach Daten des Carbon Disclosure Project (CDP) für Deutschland, Österreich und die Schweiz ist bei neun von zehn Unternehmen das Thema Klima im Vorstand verankert. Das klingt zunächst einmal gut.
Allerdings findet sich das Thema nur bei jedem fünften Vorstand auch im Vergütungsmodell wieder, was dem Ziel wenig zuträglich ist. Dort müssen Investoren ansetzen, denn nur eine zielgerichtete Incentivierung über die langfristigen Vergütungsbestandteile kann dauerhaft Schwung in die Klimaziele der Unternehmen bringen. Doch es liegt nicht immer nur am Management. Ein Teil der mangelnden Sensibilität ist auch den Aufsichtsräten geschuldet, die häufig einer anderen Zeit entstammen und zu deren Amtszeit als Vorstand das Klimathema mitunter noch nicht hinreichend präsent war.
Mehr Bewegung bei Großkonzernen
Erfreulicherweise haben sich zahlreiche Unternehmen beim Thema CO2-Emissionen einer größeren Transparenz geöffnet. Als Indikator sei erneut das CDP genannt, das weltweit Klimadaten sammelt. Auch für Fondsgesellschaften hat das Auswirkungen. Nicht nur nehmen die Informationen hinsichtlich der Klimafreundlichkeit von Unternehmen und Geschäftsmodellen zu. Es bestehen darüber hinaus völlig neue Möglichkeiten, sich über die Zusammensetzung der verwalteten Vermögenswerte Gedanken zu machen. Mithilfe des so genannten Carbon Footprint lassen sich komplette Portfolios auf ihre klimatischen Auswirkungen und Risikopotenziale hin überprüfen, was über das Montréal-Carbon-Pledge-Abkommen transparent gemacht wird.
Ein weitere Weichenstellung aus Paris wird unmittelbaren Einfluss auf die Geschäftsmodelle zahlreicher Unternehmen haben: Der Beschluss, in den USA, Kanada, Europa und China die CO2-Bepreisung auf weitere Branchen wie beispielsweise den Transportsektor auszuweiten, bringt noch mehr Bewegung in die Großkonzerne. Auf die Automobil- oder Flugzeugindustrie warten künftig zusätzliche Kosten, die es in die Kalkulation mit einzubeziehen gilt. Der VW-Abgasskandal kommt zur politischen Unzeit, da in den USA und Deutschland langsam der Wahlkampf losgeht und fehlerhafte Emissionswerte in Zeiten des Weltklimagipfels politisches Dynamit sind.
Auf der anderen Seite stehen die vielen kleinen und mittleren Unternehmen mit hohen Wachstumsraten, die in die energiepolitisch geschlagenen Nischen springen und davon profitieren - zu beobachten etwa in den Bereichen Windkraft, Solar und Energieeffizienz. Der Haken für Investoren: Viele dieser energiepolitischen Start-ups können nur überleben, solange die staatlichen Fördergelder sprudeln. Die hohe Wettbewerbsdynamik wird es diesen Unternehmen auf Dauer schwer machen.
Ölmultis müssen sich für Strukturbrüche wappnen
Paris hat in einigen Punkten für Klarheit gesorgt: "Kohlelastige" Unternehmen werden es am Kapitalmarkt künftig schwer haben, und auch die großen Ölmultis, noch vor wenigen Jahren die mächtigsten und wertvollsten Unternehmen der Welt, müssen sich für Strukturbrüche wappnen.
Aber: Es gibt nicht nur hopp oder topp, zumal es Dekaden dauern wird, fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas durch erneuerbare Energien zu ersetzen. Der energiepolitische Wandel bringt es mit sich, dass Unternehmen ihre Geschäftsmodelle mehr oder weniger radikal verändern müssen, um ihre Existenz zu sichern. Man denke etwa an die Aufspaltungspläne von RWE und Eon.
Oder an die Akquisition von British Gas durch Royal Dutch Shell, um den Ertragsmix vielseitiger zu gestalten. Für langfristig orientierte Investoren können solche strategischen Akquisitionen entscheidende Punkte sein, die ein Unternehmen zum Klassenprimus erheben. Ähnliches gilt für BMW, wo man - trotz aller Herausforderungen - sehr aktiv den Weg in Richtung Elektromobilität beschreitet. Diese Entwicklung dürfte an Fahrt gewinnen, wenn der CO2-Ausstoß tatsächlich auch bei den Autobauern mit einem Preisschild versehen wird.
Kreative Lösungsansätze und Fehlentwicklungen in der Folge der jetzt gefassten Klimabeschlüsse müssen von Investoren gleichermaßen ernst genommen werden, denn die Karten werden neu gemischt und es geht um sehr viel Geld.
Zum einen können neue Geschäftsmodelle entstehen und ganze Branchen erschüttern. Zum anderen kann der Klimawandel die Geschäftstätigkeit von Unternehmen einschränken, weil immer strengere gesetzliche Vorgaben zu erfüllen sind. Es ist für Investoren deshalb wichtiger denn je, bei ihren Anlagen auch unter Klimaaspekten Chancen und Risiken einer Anlage zu beurteilen.
Ingo Speich ist Mitglied der MeinungsMacher von manager-magazin.de. Union Investment bezieht Inhalte von der manager magazin Verlagsgesellschaft. Diese Geschäftsbeziehung hatte keinen Einfluss auf die Entscheidung, Ingo Speich in die Gruppe der MeinungsMacher zu bitten.