Powell verkündet neue Strategie
Fed will für längere Zeit höhere Inflation zulassen
Erstmals seit 2012 hat die US-Zentralbank ihre Strategie überholt: Jobs haben künftig Vorrang vor stabilen Preisen. Auch jahrelang hohe Inflationsraten würden toleriert - wenn sie denn kämen.
Jerome Powell bei einem Auftritt vor dem US-Kongress am 30. Juni
Foto: POOL New / REUTERS
Die US-Notenbank Federal Reserve stellt mitten in der Corona- und Wirtschaftskrise ihre geldpolitische Strategie um und legt einen stärkeren Fokus auf den Arbeitsmarkt. Dieser am Donnerstag von Fed-Chef Jerome Powell (67) näher erläuterte Schwenk bietet der Fed zugleich mehr Spielraum beim Ansteuern ihres Inflationsziels von 2 Prozent. Demnach könnte sie die Inflationsrate für einen längeren Zeitraum über dem angepeilten Idealwert halten, wenn diese zuvor geraume Zeit darunter geblieben ist. Zugleich soll aber stets das Ziel der Vollbeschäftigung an erster Stelle stehen.
Powell erläuterte die überarbeitete Strategie zum Auftakt des jährlichen Wirtschaftssymposiums, das wegen der Corona-Pandemie nicht wie üblich in Jackson Hole im US-Staat Wyoming, sondern online abgehalten wird. Dabei wies er wenige Wochen vor den Anfang November anstehenden US-Präsidentschaftswahlen darauf hin, dass die Fed bei ihrer Strategie auch die sozial Benachteiligten im Blick hat. Sie trage damit der Tatsache Rechnung, dass ein starker Arbeitsmarkt "besonders Wohngegenden mit niedrigem oder moderatem Einkommen" zugutekomme.
Die US-Notenbank hatte ihr Ziel Vollbeschäftigung nach eigener Definition annähernd erreicht, doch haben die Corona-Krise und die dadurch losgetretene Welle von Entlassungen Massenarbeitslosigkeit ausgelöst. Bei der Inflation hat die Fed das Ziel von 2 Prozent jedoch meistens verfehlt. Im Mai sank die Teuerungsrate auf 0,1 Prozent, bis Juli erholte sie sich auf 1,0 Prozent.
Mehr Toleranz beim Inflationsziel
Unter Ökonomen ist umstritten, ob das darauf hindeutet, dass der Aufschwung noch immer zu schwach war, um die wirtschaftlichen Kapazitäten auszulasten. Als eine Erklärung für den in vielen Ländern schwachen Preisauftrieb gilt auch der Trend zur Digitalisierung und zum Onlinegeschäft.
Der nun überarbeitete Katalog der Fed zu Langfristzielen und geldpolitischer Strategie stammte aus dem Jahr 2012. Darin hatten die Währungshüter unter anderem festgelegt, dass sie für ihr Ziel stabiler Preise eine Jahresteuerung von 2 Prozent anstreben. Dabei galt es ihnen allerdings "als Grund zur Sorge", wenn der angestrebte Wert dauerhaft unter- oder überschritten werden sollte. Dies ändert sich nun, indem größere Schwankungen um das Ziel herum toleriert werden.
"Damit ist der Druck reduziert, mit Zinserhöhungen gegenzusteuern", erläuterte Ralf Umlauf von der Helaba: "Kurzfristig bestehen keine Zweifel an einer fortgesetzt ultralockeren Geldpolitik der Fed und die heute eingeleitete Strategieänderung der Fed lässt dies mehr als bisher auch für die mittlere Frist erwarten." Die Fed hat den Leitzins in der Corona-Krise auf die Spanne von null bis 0,25 Prozent gesenkt und signalisiert, noch längere Zeit daran festhalten zu wollen.