Vor dem G7-Gipfel G7 und EU wollen russische Gas-Pipelines dauerhaft stilllegen

Erdgas-Produktionsanlagen in Russland: Die G7-Staaten planen, russische Gasimporte über Pipelines wie Nord Stream 1 dauerhaft zu verbieten
Foto:Frank Herfort / Getty Images
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Monatelang hatte sich der Westen gegen ein Importverbot für russisches Gas gewehrt. Zu groß waren die Bedenken, die heimische Energieversorgung könnte mit Einschränkungen zu kämpfen haben. Jetzt, 15 Monate nach Kriegsbeginn, deutet sich eine Kehrtwende bei den Sanktionen gegen Russlands Gassektor an, wenn auch mit zunächst geringen Konsequenzen für die wichtige Industrie des Landes.
Die G7-Staaten wollen zusammen mit der Europäischen Union (EU) auf dem am Freitag beginnenden G7-Gipfel in Japan offenbar dauerhaft russische Gasimporte über Pipelines verbieten. Die Rede ist von einem Importverbot für Routen, über die Moskau bereits die Gaslieferungen in die EU eingestellt hat. Das berichtete die "Financial Times " unter Berufung auf Beamte, die an den Verhandlungen beteiligt sind. Es wäre das erste Mal seit Beginn des Ukraine-Kriegs, dass der Westen von sich aus Gaslieferungen aus Russland blockiert.
Betroffen davon wäre etwa Nord Stream 1. Die Ostsee-Leitung mit einer jährlichen Kapazität von 55 Milliarden Kubikmetern war bis vor Kurzem noch Deutschlands wichtigste Pipeline für russisches Erdgas. 55 Prozent seines Erdgases erhielt die Bundesrepublik vor dem russischen Angriffskrieg aus Russland. Anfang September stellte Moskau die Lieferungen über die Pipeline nach Deutschland und in große Teile der EU von sich aus vollständig ein und löste damit eine Energiekrise in Europa aus. Bei einem Sabotageakt Ende September wurden beide Stränge der Pipeline Nord Stream 1 und ein Strang von Nord Stream 2 beschädigt.
Keine schnelle Rückkehr zu billigem Gas aus Russland
Auf die aktuelle Gasversorgung Europas hätten die Pläne der G7 darum kaum Auswirkungen. Aber ein solches Gasembargo würde verhindern, dass europäische Staaten und die G7-Länder den Handel mit Russland für Pipeline-Lieferungen wieder aufnehmen. Neben Deutschland waren auch Staaten wie Lettland und Österreich in den vergangenen Jahren besonders abhängig von russischem Gas und hatten ein europäisches Gasembargo blockiert. Nur auf ein EU-Embargo auf Öl und Kohle aus Russland hatte man sich einigen können. Die Zahlungen an Russland für Gas gingen also weiter, die Wirkung der Sanktionen insgesamt fiel geringer aus. Erst der russische Lieferstopp setzte dem ein Ende.
Der Kurswechsel jetzt in Richtung einer dauerhaften Abkehr von russischem Erdgas hätte also zum einen hohe symbolische Wirkung. Die geplante Stilllegung der Pipelines würde Europas Entschlossenheit unterstreichen, sich aus der jahrzehntelangen Abhängigkeit zu lösen und die Zahlungen für Pipeline-Gas an Russland auch weiterhin zu kappen. Einer der Beamten, der anonym bleiben will, sagte, man wolle sicherstellen, "dass die Partner ihre Meinung in einer hypothetischen Zukunft nicht ändern".
In dem Entwurf einer G7-Erklärung, die der "FT" vorliegt, heißt es, dass die sieben führenden Industrienationen ihre Nutzung russischer Energiequellen weiter einschränken werden. Dies beinhaltet auch, dass "die Wiederöffnung von Wegen verhindert wird, die Russland [...] verschlossen hat", zumindest bis "eine Lösung des Konflikts" erreicht sei. Russland nutze Energie als Waffe, heißt es weiter.
Pläne stärken Vertrauen für Investitionen in LNG-Projekte
Die Pläne der G7 hätten aber noch einen weiteren Effekt: Sie könnten das Vertrauen von Investoren in LNG-Infrastrukturprojekte in Europa und Nordamerika stärken. Als LNG wird Flüssigerdgas bezeichnet, das Europa in den vergangenen Monaten unter anderen aus den USA importierte, um die fehlenden Erdgaslieferungen aus Russland zu kompensieren. Die permanente Sperrung der Pipelines würde die Befürchtung seitens der Investoren ausräumen, dass es so schnell keine Rückkehr zum billigem russischem Gas geben wird.
Zuletzt fiel der Anteil Moskaus an den europäischen Gasimporten von 40 Prozent auf weniger als 10 Prozent. "Da die europäischen Füllstände der Gasspeicher für die Jahreszeit ungewöhnlich hoch sind und die Großhandelspreise langsam wieder in die normale Preisspanne zurückkehren, kann man verstehen, warum die europäischen Entscheidungsträger zuversichtlich sind, dass dieser Plan die Versorgungssicherheit in absehbarer Zeit nicht gefährden wird", sagt Tom Marzec-Manser vom Energieberatungsunternehmen ICIS.
Beschlossen werden soll die Maßnahme auf dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten, also Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten. Der G7-Gipfel findet dieses Jahr im japanischen Hiroshima statt und dauert von Freitag bis Sonntag. Das Embargo könnte im Rahmen des 11. Sanktionspakets der EU in Kraft treten.
Ähnliches Verbot für Öl-Pipelines fraglich
Auch über eine Stilllegung der Öl-Pipelines wie des nördlichen Abschnitts der Druschba-Leitung, die Raffinerien in Ostdeutschland und Polen versorgt, könnte in diesem Zuge diskutiert werden. Einem EU-Diplomaten zufolge muss Brüssel aber noch die möglichen Auswirkungen einer solchen Blockade klären, zumal die Druschba-Pipeline momentan für die Anlieferung kasachischen Rohöls zur PCK-Raffinerie ins deutsche Schwedt vorgesehen ist.
Neben der Verschärfung der Sanktionen bei Energielieferungen planen die G7-Staats- und Regierungschefs noch weitere Maßnahmen auf Exporte, die Moskaus Kriegsanstrengungen unterstützen, sagten Beamte der Nachrichtenagentur Reuters. Im Fokus steht dabei die Frage, wie Sanktionsumgehung durch Drittländer vermieden werden könne. Die US-Regierung fordert, von einer Negativliste für Exporte nach Russland auf eine Positivliste umzuschwenken. Dies würde bedeuten, ein automatisches Ausfuhrverbot zu verhängen und dann Warengruppen zu definieren, die davon ausgenommen sind. Der Ansatz der USA stößt jedoch in Berlin und auch in anderen G7-Hauptstädten auf Kritik. Hintergrund dürfte sein, dass aus Europa deutlich mehr Güter in nicht sanktionierten Branchen – von Medikamenten bis Nahrungsmitteln – nach Russland exportiert werden als aus den USA.
Insbesondere bei Rüstungsgütern zeigten sich zuletzt immer wieder Schlupflöcher. Einer der weltweit größten Werkzeugmaschinenbauer hat jetzt begonnen, die spätere Verwendung seiner Produkte zu überwachen, um sicherzustellen, dass sie nicht für militärische Zwecke eingesetzt werden: Laut "FT" forderte das deutsch-japanische Unternehmen DMG Mori seine Kunden weltweit auf, ein System zu installieren, das Geräte aus der Ferne abschalten kann, wenn sie entfernt oder demontiert werden.