G20 Gipfel in China Merkels Ausblick, Obamas Abschied

Merkel, Obama (beim G7 Treffen im Mai in Japan): Der US-Präsident nimmt Abschied, die Kanzlerin sorgt für den Ausblick. Auf den G20 Treffen in Hangzhou an diesem Wochenende folgt 2017 der G20 Gipfel in Hamburg
Foto: Michael Kappeler/ dpa
Putin, Merkel, Erdogan: Die wichtigsten G20-Akteure in Hangzhou
Diesmal wird die Kanzlerin in dem großen Kreis der Weltpolitiker quasi erstmals das letzte Wort haben. Zum Abschluss des G20-Gipfels am Montag im ostchinesischen Hangzhou ist Angela Merkel für den Ausblick zuständig. Denn am 1. Dezember übernimmt Deutschland die G20-Präsidentschaft für ein Jahr und richtet 2017, kurz vor der Bundestagswahl, erstmals das Treffen der Staats- und Regierungschefs der 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer sowie der EU-Spitze aus.
Merkel wird für den Gipfel in Hamburg neben den üblichen G20-Schwerpunkten Wirtschaft und Finanzen voraussichtlich Terror, Flucht, Klima, Gesundheit und Zivilgesellschaft nennen. Themen, die die Runde über Jahre beschäftigen werden. Und die über die Zukunft entscheiden.
Zum Auftakt in Hangzhou am Sonntag könnte Merkel bei aller Weltpolitik aber in die harte heimatliche Wirklichkeit zurückgeschleudert werden: Bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern, wo sie ihren Bundestagswahlkreis hat, droht die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) Merkels CDU zu überholen und Platz zwei hinter der SPD einzunehmen. Wenn um 18 Uhr die Prognosen von der Ostsee kommen, ist es in Ostchina Mitternacht. Es könnte eine schlaflose Nacht für Merkel werden.
Wie vor genau einem Jahr am 4. September, als sie gegen Mitternacht mit Österreichs Kanzler Werner Faymann entschied, Flüchtlinge, vor allem aus Syrien, unbürokratisch aufzunehmen.
Krieg in Syrien, Steuerflucht der US-Konzerne
Der Krieg in Syrien wird auch in China eine Rolle spielen. Regionale Krisen und Konflikte sind zwar nicht Gegenstand der Arbeitssitzungen - dort geht es vor allem um Wirtschaftswachstum, Handel und Finanzen wie zum Beispiel um die Steuerflucht der multinationalen Konzerne wie Apple, Google oder Amazon.
Doch es gibt kaum ein besseres Forum als G20 für Gespräche in kleinem Kreis am Rande. Denn nur bei G20 sind die wichtigen Entscheider zusammen: Die Präsidenten der USA, Russlands und Chinas, Regierende der Schwellenländer und Europas. Wenn auch nur für gut 24 Stunden.
So will US-Präsident Barack Obama in China auf den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan einwirken, dass sich dessen Truppen und die von Kurden angeführten Milizen im Norden Syriens nicht weiter bekriegen, sondern sich auf den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) konzentrieren.
Dabei wäre ein Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin wohl noch wichtiger, um über ein Ende des so blutigen Krieges zu sprechen, in dem Moskau das Regime von Machthaber Baschar al-Assad unterstützt und Washington Luftangriffe gegen den IS fliegt. Putin und Obama haben aber so gar keinen Draht zueinander. Ungewiss, ob sie die Chance für ein persönliches Gespräch nutzen.
Erdogan trifft Putin - und Merkel
Erdogan will sich in Hangzhou auf jeden Fall mit Putin treffen. Und auch im Viererkreis mit Merkel, dem französischen Staatspräsidenten François Hollande und Italiens Regierungschef Matteo Renzi. Dabei dürfte es vor allem um den Flüchtlingspakt von EU und Türkei gehen sowie die Verhandlungen über visumfreie Einreise für Türken in die Europäische Union, die als Gegenleistung für die Flüchtlingshilfe in Aussicht gestellt worden waren. Voraussetzung ist dafür ist aber eine Änderung scharfer Anti-Terror-Gesetze, was Ankara bislang ablehnt. Erdogans "Säuberungswelle" gegen Verdächtige nach dem erfolglosen Putschversuch von Militärs im Juli erschreckt die EU zusätzlich.
Putin wiederum ist bestrebt, mit Hollande (am Sonntag) und Merkel (am Montag) persönlich über die noch lange nicht gelöste Ukraine-Krise zu sprechen. Kiew und Moskau werfen sich gegenseitig Verletzungen des Minsker Friedensabkommens vor, das von Putin, Merkel, Hollande und dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko im Februar 2015 ausgehandelt worden war. Poroschenko ist in China nicht dabei. Spannend ist, ob in China ein neues Vierertreffen vereinbart wird.
Erstes Gipfeltreffen für Theresa May, letzter Gipfel für Obama
Weitere Personalien: Merkel trifft auf jeden Fall den Gastgeber, Staatschef Xi Jinping, der mit dem Gipfel Chinas Führungsanspruch in der Welt bekräftigen will. Für die neue britische Premierministerin Theresa May, von der Antworten zum Ausstieg der Briten aus der EU (Brexit) erwartet werden, ist es der erste G20-Gipfel, für Obama der letzte. Seine Amtszeit läuft in diesem Jahr aus.
Eine alte Bekannte ist nicht mehr dabei, weil sie in Brasilien gerade auf umstrittene Weise als Regierungschefin abgesetzt wurde: Dilma Rousseff.
Beim Abschlusskommuniqué ist manchmal weniger interessant, was darin steht (bis sich alle Chefs geeinigt haben, sind so gut wie alle Formulierungen entschärft), sondern vor allem, was nicht darin steht - obwohl alle Welt darüber spricht.
TTIP wird ausgeklammert
Strittige Themen werden aus dem Abschlusskommuniqué ausgeklammert - sei es das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen EU und USA oder Chinas heikler Konflikt mit seinen Nachbarn um Gebietsansprüche im ostchinesischen Meer. Oder der Vorstoß von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zu einer globalen Finanztransaktionssteuer. Schäuble ist in Hangzhou dabei. Die Deutschen hoffen darauf, dass das Thema Dumping und Überkapazitäten wie bei der chinesischen Stahlproduktion, mit der Peking anderen das Leben schwer macht, Erwähnung findet. Für China ist das Wichtigste, wie die Weltwirtschaft zu mehr Wachstum gelangen kann, was in jedem Fall in der Erklärung auftauchen wird.
Anders als bei früheren Gipfeln wird in China allerdings die Zivilgesellschaft praktisch nicht vertreten sein. "Mir ist keine internationale Nichtregierungsorganisation bekannt, die eine Akkreditierung bekommen hätte", sagte der Vertreter einer großen Organisationen.
Selbst die Entwicklungsorganisation Oxfam durfte nicht anreisen, gibt den Staatenlenkern aber ihre Forderungen mit auf dern Weg: "Ohne gerechte und transparente Steuerregeln wird die Geldschneiderei der Reichen und Mächtigen noch unverschämter und das künftige Wohlergehen aller bedrohen." Und die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch mahnt, wenn die G20 den Schutz der Zivilgesellschaft wirklich ernst nähmen, "sollten ihre Führer Chinas Gefängnisse besichtigen, nicht die Konferenzörtlichkeiten des Gipfels in Hangzhou".

Putin, Merkel, Erdogan: Die wichtigsten G20-Akteure in Hangzhou