

Wie Präsident Trump seinen Schrecken verlieren könnte Fünf Gründe gegen die Trump-Panik


Brexit mal fünf? Ganz so wild ist es nicht
Foto: © Lucas Jackson / Reuters/ REUTERSSein erstes Versprechen hat der künftige US-Präsident Donald Trump schon am Tag der Wahl gebrochen. Seine Wahl werde ein Ergebnis wie "Brexit mal fünf", hatte er als Kandidat geprahlt. Gemessen an der Reaktion der Finanzmärkte am Tag danach, ist der Trump-Schock allerdings spürbar schwächer als der von Großbritanniens EU-Austritt - und auch der hat sich seitdem gelegt.
Unsicherheit herrscht - die kann sich aber in einem breiten Spektrum von Ergebnissen der Trump-Präsidentschaft niederschlagen, zwischen katastrophal und gar nicht so schlecht. Auch nach 18 Monaten Wahlkampf, in denen fast jedes Detail beleuchtet wurde, ist noch nicht klar, was der Triumph des Baumoguls für die Wirtschaft wirklich bedeuten wird.
Es gibt zwar ein Wahlprogramm, aber das ist unrealistisch, kaum in sich schlüssig und zudem hat Trump viele der Positionen aus dem Standardrepertoire der Republikaner nie für sich angenommen - oder auch öffentlich das Gegenteil vertreten, in wichtigen Fragen von Gesundheit über Rente bis Steuern und Schulden.
Klar ist nur Trumps nationalistische Haltung mit einem harten Anti-Immigrations-Kurs, der Rassismus und Hass nährt - schlimm genug. Was alles andere angeht, gibt die Wahl (bei aller Vorsicht) durchaus auch Anlass zur Hoffnung auf einige positive Impulse. Hier eine Auswahl.
Baut Amerika wieder auf

Ein Fall für die Bauindustrie: Straßenschaden nach Erdbeben in North Carolina
Foto: Steve Earley/ APTrumps Siegesrede war kurz und arm an inhaltlichen Aussagen. Nicht einmal die Mauer an der Grenze zu Mexiko, sein Wahlkampf-Dauerbrenner, fand Erwähnung. Dafür aber das: "Wir werden unsere Straßen, Brücken, Tunnel, Flughäfen, Schulen und Krankenhäuser wiederaufbauen. Wir werden unsere Infrastruktur wiederaufbauen, die übrigens erstklassig wird, und Millionen Menschen dabei Arbeit geben."
Ein Spleen des Unternehmers aus der Bauwirtschaft? Keineswegs. Die mangels staatlicher Investitionen verfallende Infrastruktur ist tatsächlich eines der großen Probleme der amerikanischen Wirtschaft. Gegenzusteuern würde nicht nur kurzfristig Wachstum und Jobs bringen (trotz niedriger Arbeitslosenquote herrscht noch immer Unterbeschäftigung), sondern auch das langfristige Wachstumspotenzial erhöhen.
Ökonomen sind sich weitgehend einig, dass ein groß angelegtes Ausgabenprogramm hier bestens angelegtes Geld wäre. Auch Obama oder Clinton hätten gern mehr geleistet. Die größte Hürde war bisher das republikanisch dominierte Parlament, das kein Geld dafür bereitstellen mochte. Ob sich die Abgeordneten immer noch querstellen, wenn ihr eigener Präsident das zu seinem Schlüsselprojekt macht?
Vergesst TTIP und TPP

Hafen Los Angeles: Die Marktöffnung für China war für die meisten ein Verlustgeschäft
Foto: ROBYN BECK/ AFPDie größte Abkehr vom Dogma seiner Partei - und der Schlüssel zum Glauben vieler Wähler, Trump könne ihren tatsächlichen oder empfundenen Abstieg umkehren - liegt in Trumps ständig wiederholter Opposition zu Handelsabkommen. Nicht auszuschließen, dass Präsident Trump die nordamerikanische Freihandelszone Nafta auflöst, das Symbol der globalisierungsseligen Clinton-Jahre. Ziemlich sicher laufen die gerade vor dem Abschluss stehenden Abkommen TPP und TTIP ins Aus.
Dieser neue Protektionismus wird von vielen Ökonomen als Beleg für eine drohende Trump-Rezession angeführt. Doch es gibt starke Belege dafür, dass der Polterer mit seiner Elitenkritik zumindest in diesem Punkt richtig liegt.
Historisch hat das Senken der Handelsschranken vielleicht zu Wohlfahrtsgewinnen in Form billiger Warenimporte geführt - diese Gewinne sind aber ungleich verteilt. Amerikas Arbeiterklasse (nicht nur die weiße) hat in den vergangenen Jahrzehnten mit dem Verlust von Millionen Jobs und sinkenden Löhnen unterm Strich draufgezahlt.
Die neuen Abkommen versprechen kaum noch Zusatznutzen
Trump dürfte zwar kaum wirksame Konzepte in petto haben, um die Produktion aus Mexiko oder China zurückzuholen. Großen Schaden wird er andererseits aber auch nicht anrichten, denn die jetzt zur Debatte stehenden Abkommen versprechen kaum noch Zusatznutzen, außer für sehr spezielle Interessen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat der Welthandel seinen Wachstumszenit ohnehin überschritten, ob die Politik nun protektionistisch ist oder nicht - einfach weil die Produktivitätsgewinne aus globaler Arbeitsteilung annähernd ausgeschöpft sind.
Und wenn die neue Regierung es doch schaffen sollte, einem Industrierevival den Weg zu bereiten - umso besser. Ein weniger importabhängiges Amerika wäre ein Beitrag zu einer stabileren Weltwirtschaft.
Der erste nicht-neoliberale Präsident

Kongress in Washington: Der Staat könnte eine stärkere Rolle einnehmen
Foto: Michael Reynolds/ dpaTrump wird der erste nicht-neoliberale Präsident seit den 70er Jahren, so lautet ein verbreitetes Fazit an diesem Mittwoch. Trotz aller Rettungspolitik seit der Finanzkrise waren auch Obama und Clinton noch der Doktrin vom schlanken Staat verhaftet, die 2008 so krachend gescheitert ist.
In seiner eigenen Partei saßen die hartnäckigsten Anhänger, und die hat Donald Trump ohne Mühe beiseitegeschoben. Das für sich genommen spricht noch nicht dafür, dass etwas Besseres an die Stelle der alten Lehre tritt. Wenn Trump dem Buchstaben seines Programms treu bliebe, würde er seine Rhetorik sogar als pure Täuschung entlarven: Eine nie dagewesene Steuersenkung vor allem für Superreiche und Konzerne, verbunden mit dem Aus für die Obamacare-Krankenversicherung.
Andererseits hat sich der Kandidat mit dem oft wiederholten Versprechen aus dem Fenster gelehnt, mit seinem Obamacare-Ersatz allen Amerikanern Gesundheitsschutz zu bieten. Die staatliche Rente, die George Bush noch zu privatisieren versuchte, will er bewahren. Und dann kommen noch allerlei Ausgabenversprechen obendrauf.
Wie passt das mit dem zu erwartenden Einnahmenminus zusammen? Wohl nur dank Trumps ideologischer Flexibilität, sich nicht um Defizite zu scheren und im Zweifel bei den Staatsschulden "einen Deal zu machen".

Klingt katastrophal, aber tatsächlich braucht sich der US-Präsident kein bisschen um das Vertrauen der Finanzmärkte zu sorgen. Wohin sollten die Anleger mit ihrem überschüssigen Kapital auch fliehen? Wenn irgendwo ungenutztes Potenzial zu finden ist, das Trump für doppeltes Wachstum zu erschließen verspricht, dann in den wohl noch weiterhin niedrigen Zinsen.
Es könnte sein, dass sein erratisches Verhalten zu einer pragmatischen, sinnvollen Wirtschaftspolitik mit staatlichen Impulsen führt. Allzu wahrscheinlich ist es angesichts seiner Ratgeber jedoch nicht.
Uns bleibt immer noch Janet Yellen

Fed-Präsidentin Janet Yellen: Trump ist nicht aus Prinzip gegen niedrige Zinsen
Foto: CARLOS BARRIA/ REUTERSBesonders widersprüchlich agiert Donald Trump mit Blick auf die Geldpolitik. Im September attackierte er gar die von Janet Yellen geführte Federal Reserve, sie halte aus politischen Gründen die Zinsen niedrig, um die Wirtschaft in eine Wohlfühl-"Blase" zu pumpen und den Demokraten zum Sieg zu verhelfen. Würde es stimmen, hätte es nicht geklappt.
Aus der Episode könnte man schließen, dass Trump den unter den Republikanern verbreiteten Hartgeld-Fanatikern anhängt, die am liebsten einen Kollaps der ganzen Kreditwirtschaft sähen und die Fed auch gerne ganz abschaffen mögen. Zwar kann ein US-Präsident die Fed-Chefin nicht einfach feuern. Doch Yellen und Kollegen müssten sich mindestens auf ständigen Druck einstellen.
Plausibler jedoch wäre, dass Trump damit nur ein Wahlkampfmanöver fuhr. Er hat nichts gegen niedrige Zinsen per se - solange sie ihm in seiner eigenen Präsidentschaft helfen.
Wenn die Fed im Dezember tagt, könnten sich die Interessen sogar treffen: Yellen hätte wegen der Trump-induzierten Unsicherheit einen Grund, die erwartete Zinserhöhung abzusagen. Und Trump könnte sich dann einen anschließenden Boom auf die Fahnen schreiben.
Peacemaker oder Atom-Abenteurer?

Demonstration der Stärke: Präsident Trump könnte auch als Friedensstifter wirken
Foto: ANDREW KELLY/ REUTERSAll die möglichen wirtschaftlichen Vorteile verblassen gegen das Risiko, dass Präsident Trump leichtsinnig mit den Codes für das nukleare Arsenal umgeht. Es gibt jedoch auch die mindestens ebenso realistische Chance, dass er sich als Friedensstifter erweist. Mit seiner Absage an bewaffnete Interventionen in aller Welt hat er die neokonservativen Masterminds hinter Irak- und Afghanistankrieg gründlich vergrault.
Seine Argumentation, man könne die in sinnlosen Abenteuern verbrannten Billionen Dollar sparen und Menschenleben auch, ist nicht von der Hand zu weisen. Freilich bräuchte er diplomatisches Geschick, um in Fällen wie Syrien oder Jemen nicht noch größere Debakel anzurichten.
Die angedeutete Freundschaft mit Russland bietet die Chance auf Kooperation und die Aufhebung von Sanktionen. Sofern sie nur auf den Respekt vor starkem Gehabe gründet, kann sie aber ebenso schnell in Feindschaft nach dem Muster der On-Off-Beziehung Erdogan-Putin umschlagen - von der möglichen Konfrontation mit China ganz zu schweigen.
In der Außenpolitik ist die Linie zwischen einer guten und einer katastrophalen Präsidentschaft besonders dünn. In den vorgenannten Punkten gehört eine ordentliche Portion Wunschdenken dazu, um wie Silicon-Valley-Investor Peter Thiel stets an das Gute in Trump zu glauben. Wahrscheinlich wird er einfach ein ganz normaler schlechter Staatsführer. Aber das Potenzial zu mehr ist da.
Video: Trumps Siegesrede im Original
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