Fed-Gouverneurin Lael Brainard Die unbequeme Kronprinzessin der Fed

Die in Hamburg geborene Fed-Gouverneurin Lael Brainard hat sich als Deregulierungs-Kritikerin hervorgetan. Das befördert ihre Karriere in der US-Notenbank – vielleicht bis nach ganz oben. Amerikas Großbanken stehen damit härtere Zeiten bevor.
Energische "Abweichlerin" der Federal Reserve: Ihre Standfestigkeit macht Fed-Gouverneurin Lael Brainard (59) nun zur heißen Anwärterin auf zwei Topjobs in der US-Notenbank

Energische "Abweichlerin" der Federal Reserve: Ihre Standfestigkeit macht Fed-Gouverneurin Lael Brainard (59) nun zur heißen Anwärterin auf zwei Topjobs in der US-Notenbank

Foto: ERIC BARADAT / AFP

Diese Frau hat einen ungewöhnlichen Ruf in der Welt der Notenbanken: Ein Kolumnist der "New York Times" bezeichnete Lael Brainard (59) unlängst  als "The Great Dissenter" der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) – also als "Andersdenkende" oder "Abweichlerin".

Bislang galt eine solche Zuschreibung für Notenbanker eher als Karrierehindernis. Schließlich zählen in der obersten Sphäre der US-Finanzwelt Werte wie Kontinuität, Zurückhaltung und Mäßigung in besonderem Maße. Doch die in Hamburg geborene US-Ökonomin Brainard hat nun beste Chancen auf einen wichtigen Karriereschritt innerhalb der US-Notenbank, möglicherweise sogar gleich an deren Spitze.

Seit 2014 ist die Diplomatentochter und Harvard-Absolventin Notenbank-Gouverneurin, außerdem ist sie Mitglied des siebenköpfigen Fed-Direktoriums, dem Aufsichtsrat der Notenbank. Die verheiratete Mutter dreier Kinder ist zurzeit die einzige Demokratin in dem Gremium. Vor ihrer Zeit bei der Fed war sie nach einem Karrierestart als McKinsey-Beraterin unter anderem Wirtschaftsberaterin der Clinton-Regierung, Mitarbeiterin des renommierten Think-Tanks Brookings Institution und von 2009 bis 2013 Staatssekretärin des US-Finanzministeriums.

In der Amtszeit von Donald Trump (75) war sie die einzige Fed-Gouverneurin, die sich regelmäßig gegen die von dessen Regierung vorangetriebene Wall-Street-Deregulierung stemmte. Bei mehreren Entscheidungen, so berichtet die New York Times , stimmte Brainard klar gegen die Deregulierungsagenda des übrigen Direktoriums – etwa bei Liquiditätsanforderungen, Handelsregeln und Kapitalrücklagen. Ihre Entscheidungen habe sie stets "energisch vertreten", was sie zur Heldin all jener mache, die eine stärkere Regulierung des Bankensektors befürworten.

Brainard hat auch gute Chancen, Fed-Chef Powell nachzufolgen

Mit dieser Haltung stieg Brainard zur Gegenspielerin von Fed-Chef Jerome Powell (68) auf – und auch zum Antagonisten von Randal Quarles (64), dem "Vice Chair of the Federal Reserve for supervision" und damit der oberste Aufseher der US-Notenbank. Quarles' Amtszeit läuft diese Woche ab, die US-Regierung wird also demnächst seine Nachfolge bekannt geben. Gut möglich, dass US-Präsident Joe Biden (78) nun Brainard zur Chefin des Fed-Aufsichtsgremiums berufen wird – oder sie für noch höhere Weihen vorgesehen hat.

Denn auch die Amtszeit von Powell endet in absehbarer Zeit, nämlich Anfang kommenden Jahres. Lange schien es, als würde Biden Powell für vier weitere Jahre bestellen. Doch in den vergangenen Wochen sprachen sich zahlreiche prominente Demokraten offen gegen den bisherigen Notenbankchef aus. Deshalb ist es gut denkbar, dass Biden den seit 2018 amtierenden Powell als Fed-Chef ablöst.

Brainard gilt dabei vielen US-Beobachtern als Kronprinzessin. Zumal ihre jüngsten öffentlichen Wortmeldungen zeigen, wie sehr sie eine Thematik umtreibt, die gut zu Joe Bidens nächster großer Herausforderung passt: das Eindämmen des Klimawandels.

Großbanken will sie über Regulierung zu Klimaschutz zwingen

Mitte vergangener Woche deutete Brainard in einer virtuellen Konferenz an, dass die US-Notenbank künftig ernsthaft testen will, welchem finanziellen Risiko Großbanken durch den Klimawandel ausgesetzt sind. "Am Ende erwarte ich, dass es hilfreich sein wird, Richtlinien für große Finanzinvestitionen zur Verfügung zu stellen", sagte Brainard laut einem öffentlichen Redemanuskript . Diese sollen die Großbanken bei ihren Anstrengung unterstützen, "substanzielle Klima-verbundene Risiken" in passender Art und Weise "zu messen, zu überwachen und zu managen".

Übersetzt heißt das: Die Fed sollte laut Brainard ihre Anstrengungen verstärken, die durch den Klimawandel bedingten Risiken für Banken zu messen. Auf die Regulierer warte dabei noch eine Menge Arbeit, so Brainard, da es Datenlücken zu schließen und neue Modelle aufzubauen gilt. Nach der Trumpschen Deregulierung will die Fed also Banken offenbar wieder stärker an die Kandare nehmen.

Einen der beiden Top-Jobs in der US-Notenbank werde Brainard bekommen, meint auch der US-Wirtschaftssender CNBC . Die Fed habe sich zuletzt in Richtung progressiverer Positionen bewegt, meint ein Marktbeobachter darin. Deshalb wäre es "kein großer Schock", wenn Brainard nun mehr Macht als Fed-Chefin oder oberste Fed-Reguliererin bekommen werde.

Für die US-Finanzbranche werde Brainards Einfluss wohl in drei Bereichen spürbar werden, heißt es bei CNBC: Beim Klimawandel, bei der Schaffung einer Notenbank-gedeckten Digitalwährung – und dabei, Banken zum Zurücklegen von mehr Kapital in guten Zeiten zu bewegen.

Das bedeutet auch: Für die US-Großbanken gehen die allzu sorglosen Zeiten zu Ende. "Wall Street-Banken sollten sich auf eine aggressivere Überwachungs- und Kontrollumfeld vorbereiten", erklärte der frühere Fed-Rechtsberater Jeremy Kress gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg . "Banken haben in den vergangenen vier Jahren einen Vertrauensvorschuss bekommen. Das ist nun wohl vorbei."

wed
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