Quantitative Easing Warum Anleihekäufe der EZB der Euro-Zone schaden

Die EZB wird am Donnerstag wohl mit Staatsanleihekäufen beginnen, um ein Chaos an den Finanzmärkten zu vermeiden. Das "Quantitative Easing" wird der Euro-Zone jedoch nicht helfen - es dürfte sogar schaden. Statt Staaten verdeckt zu finanzieren, wäre es effizienter, den Bürgern das Geld direkt zu überweisen.
Euro in Not: Kauft die EZB Staatsanleihen auf, läuft dies auf eine Sozialisierung der Schulden hinaus. So entsteht ein Schuldentilgungsfonds durch die Hintertür - selbst dann, wenn die nationalen Notenbanken die Schulden des jeweiligen Landes aufkaufen

Euro in Not: Kauft die EZB Staatsanleihen auf, läuft dies auf eine Sozialisierung der Schulden hinaus. So entsteht ein Schuldentilgungsfonds durch die Hintertür - selbst dann, wenn die nationalen Notenbanken die Schulden des jeweiligen Landes aufkaufen

Foto: Stuart Minzey/Getty Images

Kritiker wie ich haben in den vergangenen Wochen mehrfach darauf hingewiesen, dass Quantitative Easing in der Eurozone nichts bewirken wird. Die Gründe dafür sind vielfältig:

1. Zum einen ist festzuhalten, dass Quantitative Easing auch in den USA , England und Japan nicht die gewünschten Effekte hatte. Japan steckt noch immer in der Krise, England profitierte vor allem über die Schwächung des Pfundes und in den USA lag der Nutzen ebenfalls in der zeitweisen, deutlichen Schwächung des US-Dollars.

Dass die USA heute besser dastehen als wir in Europa, liegt vor allem an der konsequenteren Sanierung der Banken und einem großzügigeren Konkursrecht. Die Privaten konnten deutlich einfacher als in Europa die Schulden senken. Hinzu kam die günstigere Energie dank Fracking - ein Vorteil, der sich in den letzten sechs Monaten jedoch abgebaut hat.

2. Im Unterschied zu den USA ist in Europa der Bankensektor für die Finanzierung entscheidend. Die wenigsten Firmen haben einen direkten Kapitalmarktzugang. Solange das europäische Bankensystem nicht saniert ist und solange die bestehenden hohen privaten Schulden nicht gesunken sind, wird es nicht zu einer deutlichen Belebung der Kreditvergabe kommen.

3. Billigeres Geld wirkt sich - ebenfalls im Unterschied zu den USA - nicht auf bestehende Kreditverträge aus. Die amerikanischen Immobilienbesitzer werden durch sinkende Zinsen entlastet. Die Europäischen zahlen hingegen weiterhin den ursprünglich vereinbarten Zinssatz.

4. Das Zinsniveau in Europa befindet sich auf Jahrhundert-Tiefstständen. Da bringen ein paar weitere Punkte an Zinssenkung herzlich wenig.

Obwohl Quantitative Easing nichts bringt und zudem einiges dafür spricht, dass es sogar schadet, will die EZB unbedingt ein entsprechendes Programm auflegen. Wie hier schon diskutiert, liegt dies nicht zuletzt daran, dass die EZB gar nicht anders kann, als die Erwartungen der Kapitalmärkte zu erfüllen.

Tut sie es nicht droht ein Chaos, wie nach dem Aufheben der Kursuntergrenze des Franken: der Euro würde deutlich steigen, die Zinsen in den Krisenländern vermutlich auch.

Schuldentilgung durch die Hintertür - und Deutschland trägt den größten Anteil

Zugleich wird vermutet, dass es der EZB in Wahrheit darum geht, die Schulden der Euroländer über ihre Bilanz zu sozialisieren. Faktisch also ein Schuldentilgungsfonds durch die Hintertür, ohne jegliche demokratische Legitimierung. Da alle Länder mit ihrem Kapitalanteil an der EZB für diese haften, hätte Deutschland so einen Anteil von 28 Prozent an den potentiellen Verlusten zu tragen. Und diese sind angesichts von drei bis fünf Billionen Euro faulen Schulden  von Staaten und Privatpersonen in der Euro-Zone erheblich.

Um diese Ängste zu zerstreuen, wirbt Mario Draghi, wie der Spiegel berichtet , um einen anderen Ansatz. Anstatt QE auf Ebene der EZB durchzuführen, sollen die einzelnen Notenbanken  nur die Staatsanleihen des jeweils eigenen Landes aufkaufen. Somit käme es nicht zu der gefürchteten Schuldensozialisierung durch die Hintertür, so die Argumentation.

Dies kann nur glauben, wer die Dynamik der Eurozonen-Politik unterschätzt und Schaden zudem nur in der Form von Abschreibungen definiert. Doch im Einzelnen:

1. An der grundsätzlichen Kritik, dass QE im Umfeld der Eurozone nichts bringt, ändert auch das geänderte Vorgehen nicht. Es wird etwas gemacht, was realwirtschaftlich keine Wirkung hat und letztlich nur Staaten, Banken und Spekulanten nutzt.

2. Kauft eine lokale Notenbank, zum Beispiel die Banca d'Italia die Staatsanleihen des eigenen Landes, so haftet der italienische Staat für diese Forderungen. Im Klartext: ein auf die Pleite zulaufendes Land verschuldet sich bei der eigenen Notenbank und garantiert dieser selbst die Rückzahlung. Zu Zeiten der Lira hat das funktioniert, im Euroraum geht es nur, wenn die Käufe dauerhaft fortgesetzt werden. Die dann resultierenden Effekte für den Geldwert träfen alle Bewohner der Eurozone, nicht nur die Italiener.

Wenn Italien seine Schulden abschreiben darf - dann folgen auch alle anderen

3. Kommt es wirklich zu einer Schuldenkrise in einem der Mitgliedsländer - und davon ist angesichts der ungebremsten Schuldendynamik mit Sicherheit auszugehen - steht die Eurozone vor der Wahl: die Pleite zuzulassen, offiziell Schulden zu vergemeinschaften oder aber zuzulassen, dass die nationale Notenbank die Forderungen gegen den eigenen Staat abschreibt. Forderungen in diese Richtung gibt es schon seit einiger Zeit. Sie dürften dann unüberhörbar sein.

4. Es ist naiv anzunehmen, dass die Politiker der anderen Euroländer dann nicht auf eine Gleichbehandlung drängen. Sollte die italienische Notenbank die Forderungen abschreiben, dürfte in Frankreich, Spanien, Portugal, Belgien und anderen Ländern das gleiche passieren. Und letztlich auch in Deutschland.

Die Folgen eines solchen Vorgehens sind heftig umstritten. Einige Volkswirte sehen es als einen schmerzfreien Weg die Schulden loszuwerden ohne inflationäre Folgen. Andere, wie der ehemalige Chefvolkswirt der Bank für internationalen Zahlungsausgleich, William White, der immerhin die Finanzkrise vorhergesagt hat, warnen hingegen vor den deutlichen inflationären Gefahren .

Würde das Vertrauen in Geld schwinden, dann droht ein Zinsanstieg, dem die Notenbanken nur durch noch mehr Intervention begegnen könnten - mit erheblichen Folgen für den Geldwert. Und dies träfe nicht nur die Bevölkerung in den Krisenländern.

Damit wird deutlich: egal, wie die EZB ihr Programm des Quantitative Easing verpackt und wie sehr sie versucht, den Anschein zu wahren, dass es zu keiner Schuldensozialisierung durch die Hintertür kommt, so ist es doch der Fall. Allerdings dürfen wir der EZB keinen Vorwurf machen. Sie hat angesichts des Versagens und der Weigerung der Politik das Problem der Überschuldung anzugehen, keine andere Wahl.

Die EZB sollte den Bürgern das Geld direkt überweisen - das wäre effizienter

Wer jetzt denkt, dies sei doch alles zu schwarz gemalt, den möchte ich an die Vorgänge in Irland im Jahre 2013 erinnern. Verpackt in einigen komplizierten Transaktionen - wohl mit der Absicht es zu verschleiern, wie die Financial Times bemerkte - hat damals die irische Notenbank den Staat direkt finanziert.

Immerhin 31 Milliarden Euro - nicht ganz 20 Prozent des irischen BIP - konnte sich der Staat damals direkt von der Notenbank leihen. Die Anleihen haben eine Laufzeit zwischen 25 und 40 Jahren, sind zunächst tilgungsfrei und die Zinsen werden von der Notenbank direkt wieder als Gewinn an den Staat ausgeschüttet. Urteil der Financial Times: "Das ist direkte Staatsfinanzierung".

Die EZB hat dies damals "nur zur Kenntnis" genommen und wohl erwartet, dass niemand dies durchdringt. Dabei war es nur eine Frage der Zeit, bis auch andere Krisenländer diesen Weg gehen wollen.

Die Grundlage wird nun dafür gelegt, wie sehr sich Mario Draghi und die EZB auch bemühen, es zu verschleiern. Angesichts dieser Aussichten bleibe ich bei meinem Vorschlag: es wäre allemal fairer und effizienter, den Bürgern das Geld direkt zu überweisen.


Diesen Text veröffentlichen wir mit freundlicher Genehmigung von Daniel Stelter, beyond the obvious .

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren