Was in Venedig Alltag ist, bedroht zahlreichen weitere Städte: Ausgaben für Schutzmaßnahmen gegen den Klimawandel könnten Staatshaushalte überfordern
Foto: LUIGI COSTANTINI/ APHamburg - Während die meisten seiner republikanischen Parteifreunde den Klimawandel schlicht leugnen, zeichnet Ex-US-Finanzminister Henry Paulson ein äußerst düsteres Bild von der Zukunft. Die Erderwärmung könne die Hypothekenkrise von 2008/2009 locker in den Schatten stellen, schreibt Paulson in einem Gastbeitrag "The Coming Climate Crash" für die New York Times.
Seine Argumente:
• Ähnlich wie bei der Finanzkrise baut die Gesellschaft derzeit enorme Schulden auf. In den Jahren vor 2008 waren es faulende Hypothekenkredite, nun sind es Kohlendioxid-Emissionen, die Folgekosten nach sich ziehen und weiter ansteigen
• Diese Kosten sind extrem hoch und zugleich nur zum Teil vorhersehbar. Gerade habe allein die Stadt New York die Kosten für den erforderlichen Hochwasserschutz auf 20 Milliarden Dollar beziffert. Schon jetzt verstärkt der steigende Meeresspiegel die Folgeschäden von Stürmen wie "Sandy" oder "Kathrina". Auch Hilfsmaßnahmen nach Stürmen und Dürren würden die Staatsschulden signifikant erhöhen und die "wirtschaftliche Sicherheit gefährden".
• Die meisten Experten "sehen den Crash kommen, aber die Verantwortlichen tun nichts dagegen" - ähnlich wie bei der Hypothekenkrise. Vor allem Politiker neigten dazu, sich erst mit einem Problem zu befassen, wenn es für eine Lösung zu spät oder fast zu spät ist
Die möglichen Folgen sind in den Augen von Paulson, der von 1999 bis n2006 die Investmentbank Goldman Sachs geführt hat, weit gefährlicher als bei der Finanzkrise. "Damals ist es uns gelungen, die Krise in allerletzter Minute zu entschärfen", schreibt er mit Blick auf die staatlichen Rettungsprogramme. Doch es sei ungleich schwieriger das Klima-Problem aus der Welt zu schaffen. "Das Kohlendioxid bleibt für Jahrhunderte in der Atmosphäre und heizt den Planeten auf."
Steuer auf Kohlendioxid als Lösung
Als Lösung schlägt Paulson eine Steuer auf Kohlendioxid vor. Auf diese Weise würden automatisch neue Technologien entwickelt, die effizienter und umweltfreundlicher sind als die Verbrennung von Öl, Kohle und Gas. Mit den Einnahmen solle die Anpassung an den Klimawandel und die Beseitigung der Folgeschäden bezahlt werden.
Immer wieder haben auch Konservative in den USA eine solche Abgabe in den vergangenen Jahren gefordert, weil der Staat es dem Markt überlässt, welche Alternativ-Technik sich durchsetzt. Allerdings überwog bei Republikanern zuletzt immer der Wille, gar keine Steuern zu erhöhen.
Bei Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman stießen Paulsons Lösungsrezepte indes bereits auf Kritik. Die CO2-Steuer sei angesichts der politischen Großwetterlage in den USA unrealistisch, Paulson müsse daher auch "zweitbeste Lösungen" akzeptieren, bei denen der Staat eine stärkere Rolle einnimmt - etwa die gezielte Förderung der Photovoltaik.
Das Thema Klimawandel gewinnt in den USA derzeit wieder rasant an Bedeutung. Hintergrund sind nicht zuletzt zahlreiche Initiativen von Präsident Barack Obama, so seine Richtlinie für geringere Kraftwerksemissionen. Auch innerhalb der Wirtschaftelite aus Topmanagern und Unternehmern verläuft eine scharfe Trennlinie zwischen denen, die einen aggressiven Klimaschutz befürworten, und anderen, die das Problem ausblenden.
Ex-Minister Paulson und andere prominente Mitglieder der Wirtschafts- und Politikelite appellieren derweil direkt an Topmanager, den Klimawandel endlich wie andere Risiken in ihren Planungen zu berücksichtigen. Schon in den kommenden 15 Jahren werden die jährlichen Klimawandelkosten allein an der US-Ostküste auf 35 Milliarden Dollar ansteigen.
Kämpfer gegen Klimaschutz
David H. Koch, Industrieller: Koch besitzt mit seinem Bruder Charles das Konglomerat Koch Industries ¿ die zweitgrößte US-Firma in Privatbesitz - und gilt als einer der aggressivsten Gegner einer aktiven Klimaschutzpolitik. Die Brüder (geschätztes Vermögen: jeweils 36 Milliarden Dollar) sind Geldgeber eines ganzes Netzwerks von Lobbyvereinigungen. Einige von ihnen, darunter ¿Americans for Prosperity¿, orchestrieren landesweit Angriffe auf Gesetze, die den Verbrauch von fossilen Brennstoffen verteuern oder erneuerbare Energien fördern. Die Kochs sind unter anderem an Ölvorkommen in Kanada beteiligt und setzen sich für den Bau der umstrittenen Megapipeline ¿Keystone XL¿ zum Golf von Texas ein.
Donald Trump, Immobilienmilliardär: Trump sorgte im Januar mit einem Tweet für Aufregung, in dem er die Erderwärmung bestritt und Gegenmaßnahmen pauschal als ¿bullshit¿ bezeichnete. Ist er frustriert, weil er in Schottland Ärger mit einem Offshore-Windpark hatte? Einen solchen genehmigten die Behörden in Sichtweite eines von Trump geplanten Golf-Resorts. Den Kampf gegen die Windmühlen werde er niemals aufgeben, ließ er die Briten zuletzt wissen.
Rex Tillerson, Chef von Ölkonzern ExxonMobil: Nach Jahrzehnten des Leugnens erkennt mittlerweile auch Ölkonzern ExxonMobil an, dass das Verbrennen fossiler Rohstoffe die Erdatmosphäre aufheizt. Das Unternehmen hat zudem die Finanzierung von Propaganda-Organisationen reduziert, die dies infrage stellen. Konzernchef Tillerson indes will von ambitionierten Klimaschutzmaßnahmen nichts wissen, da sie Exxons Geschäftsmodell zerstören könnten. Angesichts zunehmender Dürren in den USA empfahl Tillerson notleidenden Farmern, hitzeresistente Rinder zu züchten, wie sie im heißeren Indien vorkommen. Wie die dortigen Landwirte mit steigenden Temperaturen klarkommen sollen, sagte er nicht.
Rupert Murdoch, Medientycoon: In den Blättern und Sendern von Murdochs Medienkonzerns News Corp. gilt der Kampf gegen den Klimawandel als Versuch der Linken, die Weltherrschaft zu übernehmen. Der populäre US-Nachrichtensender Fox ist die Heimstätte derartiger Verschwörungstheoretiker. Zuletzt beschwerte sich Talkshowgast Michael Moyer darüber, ihm sei verboten worden, die Probleme des Klimawandels zu thematisieren. Murdoch selbst nannte den Klimawandel 2007 eine Bedrohung. Zuletzt bezeichnete er jedoch die Versuche, ihn zu bekämpfen ¿ beispielsweise mit erneuerbaren Energien ¿ als schlimmer als die Erwärmung selbst. Murdoch werden enge Verbindungen zur australischen Kohleindustrie nachgesagt.
Kämpfer für Klimaschutz
Tim Cook, CEO Apple: Auf der jüngsten Apple-Hauptversammlung platzte Chef Tim Cook der Kragen. Ein ultrakonservativer Aktionärsvertreter hatte das Engagement des Konzerns für erneuerbare Energien infrage gestellt. Sofern er nicht an den Klimawandel glaube, solle er doch seine Aktien verkaufen, riet Cook. Apple jedenfalls wolle die Welt künftigen Generationen als einen besseren Ort hinterlassen. Das Unternehmen stellt seine Energieversorgung derzeit auf 100 Prozent regenerative Quellen wie Photovoltaik um.
Tom Steyer, kalifornischer Milliardär: Der Ex-Hedgefonds-Manager (Gründer von Farallon Capital Management) hat sich seit 2012 ganz dem Kampf für alternative Energien verschrieben. In Florida will Demokrat Steyer vor den Kongresswahlen einen Häuserwahlkampf zum Klimawandel unterstützen. Der steigende Meeresspiegel setzt schon jetzt Städten wie Miami zu. Republikanische Politiker wie Ex-Gouverneur Jeb Bush oder Marco Rubio weigern sich, über Schutzmaßnahmen zu sprechen.
Elon Musk, CEO Tesla: Multiunternehmer Musk hat praktisch seine gesamte Tätigkeit am Klimawandel ausgerichtet: Seine Tesla-Elektroautos sollen mit Strom aus Photovoltaik-Zellen seiner Firma Solar City geladen werden und so den Durchbruch für eine emissionsarme Mobilität schaffen. Zudem plant Musk mit seiner Raumfahrtfirma Space X bemannte Flüge zum Mars ¿ so könnte die Menschheit laut Musk eines Tage ihr Leben auf einem anderen Planeten fortsetzen, falls es auf der Erde zu unwirtlich wird. Im vergangenen Jahr geriet der Südafrikaner zudem mit Facebook-Chef Mark Zuckerberg in Sachen Energie aneinander, als eine Zuckerberg-Initiative für den Bau der Mega-Ölpipeline KeystoneXL warb.
Robson Walton, Gründer von Wal Mart: Die größte Supermarktkette der Welt gilt als einer der wichtigsten Investoren in erneuerbare Energien. Auf den Filial-Dächern sind Solaranlagen mit einer Maximalleistung von etwa 100 Megawatt installiert (das ist etwa ein Zehntel von einem Atomkraftwerk). Als Haupttreiber gilt Gründer Rob Walton, der sich zudem für nachhaltige Wirtschaftskreisläufe stark macht. So war es kein Zufall, dass US-Präsident Obama die neue Energiestrategie der Regierung unlängst in einer Wal-Mart-Filiale verkündete. Auf dem Parkplatz demonstrierten allerdings Dutzende gegen den Auftritt ¿ er helfe Wal Markt lediglich, sich zu Unrecht ein grünes Image zu verpassen.
Rex Tillerson, Chef von Ölkonzern ExxonMobil: Nach Jahrzehnten des Leugnens erkennt mittlerweile auch Ölkonzern ExxonMobil an, dass das Verbrennen fossiler Rohstoffe die Erdatmosphäre aufheizt. Das Unternehmen hat zudem die Finanzierung von Propaganda-Organisationen reduziert, die dies infrage stellen. Konzernchef Tillerson indes will von ambitionierten Klimaschutzmaßnahmen nichts wissen, da sie Exxons Geschäftsmodell zerstören könnten. Angesichts zunehmender Dürren in den USA empfahl Tillerson notleidenden Farmern, hitzeresistente Rinder zu züchten, wie sie im heißeren Indien vorkommen. Wie die dortigen Landwirte mit steigenden Temperaturen klarkommen sollen, sagte er nicht.
Foto: REUTERSRupert Murdoch, Medientycoon: In den Blättern und Sendern von Murdochs Medienkonzerns News Corp. gilt der Kampf gegen den Klimawandel als Versuch der Linken, die Weltherrschaft zu übernehmen. Der populäre US-Nachrichtensender Fox ist die Heimstätte derartiger Verschwörungstheoretiker. Zuletzt beschwerte sich Talkshowgast Michael Moyer darüber, ihm sei verboten worden, die Probleme des Klimawandels zu thematisieren. Murdoch selbst nannte den Klimawandel 2007 eine Bedrohung. Zuletzt bezeichnete er jedoch die Versuche, ihn zu bekämpfen ¿ beispielsweise mit erneuerbaren Energien ¿ als schlimmer als die Erwärmung selbst. Murdoch werden enge Verbindungen zur australischen Kohleindustrie nachgesagt.
Foto: ADRIAN SANCHEZ-GONZALEZ/ AFP