
In neuen Anteilshöhen: Frankreich kauft Renault-Aktien zu - und sichert sich so langfristig mehr Einfluss beinahe zum Nulltarif
Foto: RenaultDie französische Regierung erhöht ihren Anteil an Renault - angeblich nur kurzfristig. Denn ein neues Gesetz sichert den Einfluss des Staates bei dem Automobilhersteller langfristig ab. Offenbar nehmen sich die Franzosen am Rivalen Volkswagen ein Beispiel.
Die schützende Hand des Staates langt in Frankreich wieder etwas fester zu: Der französische Staat erhöht seinen Anteil an Renault auf fast 20 Prozent, um sich seine Kontrolle bei dem Autobauer zu sichern. Laut einer Mitteilung des Finanzministeriums kauft Frankreich bis zu 14 Millionen Aktien oder 4,73 Prozent hinzu. Der Wert der Papiere bewege sich zwischen 814 Millionen und 1,23 Milliarden Euro.
Mit dem Kauf steigt der Anteil des französischen Staats an Renault nun auf 19,7 Prozent, die Staatsholding hat nun 23,2 Prozent der Stimmrechte.
Vorbild VW-Gesetz
Damit ähnelt die künftige Renault-Aktionärsstruktur in einem wichtigen Punkt dem großen Rivalen Volkswagen. Bei den Wolfsburgern ist das Land Niedersachsen seit Jahrzehnten einer der wichtigsten Anteilseigner. Das Land hält zwar nur 12,7 Prozent des gezeichneten Kapitals, verfügt aber über 20 Prozent der Stimmrechte. Damit hat Niedersachsen eine Sperrminorität, kann also bei wichtigen Entscheidungen ein Veto einlegen. Das Gesetz soll eine feindliche Übernahme des größten Autoherstellers Europas verhindern.
Eine ähnliche Intention treibt nun auch den französischen Staat zum Anteilskauf an dem traditionsreichen Autohersteller Renault. Die Eile der Staatsdiener ist nachvollziehbar. Am 30. April hält Renault seine jährliche Aktionärsversammlung ab. Für das Investorentreffen liegt ein Antrag vor, der den staatlichen Einfluss bei Renault verkleinern könnte. Mit der Aufstockung der staatlichen Anteile wollen die Beamten den missliebigen Antrag von vorne herein ausbremsen - und können so auch noch behaupten, Renault vor besonders umtriebigen Investoren und Spekulanten zu schützen.
Florange-Gesetz soll vor umtriebigen Aktionären schützen
Denn Frankreichs Regierung hat sich vor kurzem eine wirksame neue Waffe zur Wahrung ihres Wirtschaftseinflusses zugelegt. Im vergangenen Jahr führte Frankreich eine Vorgabe zum Schutz französischer Industriestandorte ein, das sogenannte Florange-Gesetz. Es räumt jenen Investoren ein Doppelstimmrecht ein, die Aktien im eigenen Namen erwerben und diese mindestens zwei Jahre lang halten.
Damit sollen Investoren ausgebremst werden, die innerhalb kurzer Zeit größere Anteile an Unternehmen aufkaufen, um dann öffentlich Druck zu machen für Strategie- oder Managementänderungen. Das Ziel der in den USA auch "corporate raider" genannten Aktionärs-Aktivisten ist es, durch die von ihnen erzwungenen Änderungen den Wert des Unternehmens schnell zu steigern - und ihre Anteile dann mit viel Gewinn zu verkaufen.
Frankreichs Wirtschaft hatten im letzten Jahrzehnt einige unliebsame Erfahrungen mit höchst aktiven Aktionären gemacht. Der in Frankreich geborene US-Investor Guy Wyser-Pratte etwa mischte sich im vergangenen Jahrzehnt ins Tagesgeschäft der französischen Unternehmen Vivarte und Valeo ein. Schützenhilfe erhielt er dabei vom US-Hedgefonds Pardus, der auch beim Unternehmen Atos Origin eingriff. Mit seinen Umbauplänen für den französischen Medienkonzern Lagardère scheiterte Wyser-Pratte im Jahr 2010 jedoch.
Aber auch der französische Industrielle Vincent Bolloré gilt als "corporate raider". Er hat sich nach seinem Einstieg bei der französischen Werbegruppe Havas und dem Konzern Vivendi öffentliche Kämpfe mit dem Management geliefert.
Staat will Struktur der Renault-Nissan-Allianz zementieren
Das Florange-Gesetz gibt Frankreichs Unternehmen jedoch eine Wahlmöglichkeit: Aktionäre können allerdings auf Hauptversammlungen beschließen, das Einstimmrecht pro Aktie beizubehalten. Genau das haben offenbar einige Renault-Investoren vor.
Denn für das Aktionärstreffen von Renault am 30. April liegt ein Antrag vor, der das international verbreitete Prinzip "Eine Aktie - eine Stimme" für die Zukunft festschreiben soll. Der französischen Regierung, die mit ihrem Gesetz langfristige Aktionäre besserstellen will, passt das nicht. Derzeit ist der Staat der größte Renault-Anteilseigner, an zweiter Position folgt Renaults Allianz-Partner Nissan. Diese Struktur will der französische Staat auch in Zukunft halten.
Der Kauf von Renault-Aktien durch den französischen Staat ziele darauf ab, " die derzeitige Struktur der Renault-Nissan-Allianz gegen Aktionärsaktivismus zu schützen", erläuterte der UBS-Analyst Philippe Houchois gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg.
Renault hält sich dank Dacia und Nissan in der Spur
Doch langfristig hat der Staat nicht das Ziel, seine erhöhte Beteiligung zu halten. Frankreichs Industrieministerium erklärte, der Kauf sei "in keinem Fall" als langfristige Aufstockung des Staatsanteils bei Renault geplant. Analysten vermuten, dass der französische Staat bereits längst den Verkauf der Anteile plant. Jetzt müssen die Franzosen nur die neue erworbenen Anteile mindestens zwei Jahre lang halten - und können dann die Hälfte verkaufen, ohne dass ihre Stimmrechtszahl abnimmt.
Den staatlichen Einfluss bei Renault kann Frankreichs Industrieminister Emmanuel Macron, ein früherer Rothschild-Banker, möglicherweise so wohl fast zum Nulltarif halten - wenn der Renault-Aktienkurs innerhalb der kommenden zwei Jahre deutlich steigt.
Gewinne bringt Renault derzeit vor allem seine Billigmarke Dacia und seine Beteiligung an Nissan. Denn die Wirtschaftskrise in Russland hat zuletzt tiefe Spuren bei Renault hinterlassen.

Nach dem Einbruch des einstigen Hoffnungsmarktes Russlands fiel aus der Beteiligung am größten dortigen Autobauer Avtovaz ein Verlust von 182 Millionen Euro an. Weil aber unter anderem die Billigmarke Dacia auf Wachstumskurs blieb und Renault die Kosten drücken konnte, stieg der operative Konzerngewinn um 30 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro. Unter dem Strich blieben dank der Beteiligung am japanischen Partner Nissan 1,9 Milliarden Euro Gewinn. Renault hat stark auf das Wachstum großer Schwellenländer gesetzt und bekommt nun deren Flaute kräftig zu spüren.