Die Achillesferse des US-Präsidenten Warum der Kapitalmarkt Trump stoppen könnte

A dream? US-Präsident Donald Trump.
Foto: SAUL LOEB/ AFP
Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist nach gängigem Urteil der mächtigste Mensch der Welt. Schließlich steht er an der Spitze eines Landes, das über enorme Machtmittel verfügt: das größte Militärarsenal, die größte Volkswirtschaft, die wichtigste Währung. Und er ist vom Volk gewählt, was ihm direkte Legitimation verleiht.
Seit knapp einem Monat sitzt Donald Trump auf dem Chefsessel im Oval Office. Ein Mann, der dabei ist, die Machtfülle des Amtes auszutesten wie wohl keiner seiner Vorgänger. Und viele fragen sich inzwischen: Wer oder was kann ihn stoppen?
Formal unterliegt die Macht des US-Präsidenten diversen Beschränkungen: Das Parlament, die Bundesgerichte, das Recht auf freie Meinungsäußerung auf der Straße, in den Medien und in der Wissenschaft - all diese verfassungsmäßig verankerten Faktoren können einen US-Präsidenten bremsen.
Doch in seinen ersten Wochen im Weißen Haus hat Trump immer wieder signalisiert, dass er nicht gewillt ist, diese Schranken ohne Weiteres zu akzeptieren. Am Parlament vorbei hat er Fakten geschaffen und eine Reihe von Dekreten erlassen. Er hat Richter öffentlich kritisiert. Auch mit kritischen Medien wie der New York Times und CNN hat er sich angelegt und liberalen Unis mit Geldentzug gedroht.
Die Gefahr bestehe, schrieb SPIEGEL-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer vor einigen Tagen, dass der Widerstand gegen die Übergriffe erlahme und sich die USA allmählich dem umfassenden Machtanspruch ihres Präsidenten ergäben. Am Ende wäre die Verfassung nur soviel wert, wie die Kraft und die Zähigkeit, die ihre Verteidiger aufbringen.
Wie seine Administration mit außenpolitischem Druck umgeht, darauf werden die Treffen der G20-Außenminister (ab Donnerstag) und die Münchner Sicherheitskonferenz (ab Freitag) ersten Aufschluss geben. Doch es gibt da noch einen anderen Faktor, der Trump bremsen könnte: die Kapitalmärkte.
Der Präsident, der angetreten ist, Amerika wieder great zu machen, läuft Gefahr, das bislang unerschütterliche Vertrauen, das die USA bei internationalen Investoren genießen, zu verspielen. So wie die Dinge liegen, ist die Trump-Regierung genau auf deren Wohlwollen angewiesen. Denn das außenwirtschaftliche Defizit der USA dürfte durch den angekündigten Kurs, soweit bislang konkretisiert, deutlich in die Höhe schnellen. Steigende Ausgaben bei gleichzeitigen Steuersenkungen werden genau das zur Folge haben: Amerika muss sich beim Rest der Welt Geld leihen, und zwar in großem Stil.
Bislang war das nie ein Problem. US-Staatsanleihen galten als eine der sichersten Anlageformen der Welt, der Dollar war die wichtigste Anlagewährung. Bisher genossen die USA deshalb ein unschätzbares Privileg: Sie konnten sich zu niedrigen Zinsen in eigener Währung verschulden und sich dauerhaft hohe laufende Defizite leisten - mehr als eine halbe Billion Dollar 2017 und potenziell rapide steigend.
Wird Amerika unter Trump weiterhin das Vertrauen der Anleger genießen? Womöglich nicht. Es sei durchaus vorstellbar, dass irgendwann internationale Investoren die Qualität von US-Staatsanleihen infrage stellen, befürchtet Karsten Junius, Chefökonom beim Bankhaus J. Safra Sarrasin.
Eine grundsätzliche Neubewertung der US-Kreditwürdigkeit - das hätte gravierende Folgen. Gerade für Amerika selbst.
Vor allem zwei Argumente sprechen dafür, dass die Finanzmärkte der neuen US-Regierung Grenzen aufzeigen werden:
Die zwei Gefahren für Trump
Erstens: Im Wahlkampf ließ Trump bereits durchblicken, dass man seine Schulden ja nicht unbedingt vollständig zurückzahlen müsse. Ein "Haircut" auf US-Bundesanleihen ("Treasuries"), also ein teilweiser Zahlungsausfall - dergleichen gab es noch nie. Aber so wie der neue Präsident auch in der Handels-, Klima- oder Außenpolitik den Eindruck erweckt, sich nicht an bestehende Verträge gebunden zu fühlen und im Zweifel Amerikaner gegenüber Ausländern bevorzugen zu wollen, so könnte er auch vor einer Diskriminierung ausländischer Kreditgeber nicht zurückschrecken. Immerhin 42 Prozent der US-Staatsanleihen gehören ausländischen Gläubigern; sie liegen insbesondere bei Notenbanken und Staatsfonds in Japan, China und den Opec-Staaten. Sollten die ein erhöhtes Ausfallrisiko befürchten, wäre die "rationale Antwort, dieses Risiko zu begrenzen", so Junius. Sie würden also weniger neue US-Schulden kaufen - und wenn, dann zu deutlich höheren Zinsen.
Zweitens: Das Vertrauen, dass die USA ihre hohen Auslandsschulden auch künftig bedienen können, basiert auf der traditionellen Dynamik der US-Wirtschaft. Rasche Produktivitätszuwächse verbunden mit einer freizügigen Einwanderungspolitik haben den USA über Jahrzehnte deutlich mehr Wachstum beschert als Westeuropa oder Japan. Eine wachsende Wirtschaft wiederum kann steigende Schulden locker tragen. Trumps Politik jedoch behindert Amerikas Dynamik: Handelsbeschränkungen, restriktive Zuwanderungspolitik sowie ein Fokus auf alte Industrien wie Auto, Öl und Bau werden aller Erfahrung nach der Volkswirtschaft dauerhaft Schaden zufügen.
Die Solvenz der USA ist denn auch die Achillesferse Trumpscher Politik. Sollten sich Zweifel an der Kreditwürdigkeit verfestigen, wäre das Resultat absehbar: höhere Zinsen, ein fallender Dollarkurs, verbunden mit anziehender Inflation (achten Sie auf die Statements der Fed-Chefin am Dienstag und Mittwoch in beiden Kammern des US-Parlaments) und geringeren Investitionen. Ein ungemütliches Szenario. Der Lebensstandard vieler US-Bürger wäre gefährdet - und die Popularität des Präsidenten gleich mit.

Allerdings hätte die Sache eine ironische Wendung: Ungewollt könnte Trump seinem Ziel, die US-Handelsbilanz auszugleichen, ein Stück näherkommen. Ein schwacher Dollar würde Importe verteuern und US-Produzenten einen Preisvorteil verschaffen. Höhere Zinsen würden die Nachfrage nach Importen zusätzlich dämpfen. Der Zustand einer derart dezimierten US-Volkswirtschaft wäre allerdings alles andere als great.
Die entscheidende Frage wird sein, ob Trump die außenwirtschaftlichen Restriktionen zur Kenntnis nimmt. Ob er sie akzeptiert - oder ob er am Ende nach Schuldigen für eine Misere sucht, die er selbst angerichtet hat.
Die wichtigsten Wirtschaftstermine der kommenden Woche
MONTAG
TOKIO - Angegriffen - Neue Zahlen vom japanischen Wirtschaftswachstum im letzten Quartal 2016. Neben China, Mexiko und Deutschland hat die US-Regierung auch Japan wegen hohen Handelsbilanzüberschüsse angegriffen.
DIENSTAG
WIESBADEN/BRÜSSEL - Wachstum, auf europäische Art - Neue Zahlen zum Zuwachs des Bruttoinlandsprodukt im Schlussquartal 2016 in Deutschland und in der Eurozone insgesamt.
WASHINGTON - Fed auf Kollisionskurs I - Halbjährliches geldpolitisches Statement von Fed-Präsidentin Yellen im Bankenausschuss des US-Senats. Wenn Trump seine auf Pump finanzierten Ausgabenprogramme realisiert, wird die Zentralbank mit höheren Zinsen gegensteuern müssen.
Berichtssaison I - Geschäftszahlen von Électricité de France, Michelin, Tui.
MITTWOCH
WASHINGTON - Fed auf Kollisionskurs II - Halbjährliches geldpolitisches Statement von Fed-Präsidentin Yellen im Finanzdienstleistungsausschuss des US-Repräsentantenhauses. Die von Trump begonnene Lockerung der Bankenregulierung wieder dürfte ein Thema sein.
Washington - Inflation - Neue Daten zur Preisentwicklung in den USA. Die US-Konjunktur läuft nach Schätzung von Wirtschaftsforschern am Rande der Überhitzung. Das spricht für weitere steigende Preise.
Berichtssaison II - Geschäftszahlen von Deutsche Börse, Air Liquide, Credit Agricole, Cisco, ABN Amro, Kraft Heinz, Danone, Euronext, Heineken, Akzo Nobel.
DONNERSTAG
BONN - Wer regiert die Welt? - Die Außenminister der G20-Staaten treffen sich (bis Freitag) unter Vorsitz des neuen deutschen Außenamtschefs Sigmar Gabriel. Erstmals dabei: Rex Tillerson, Ex-Chef von ExxonMobile und jetzt Trumps Secretary of State.
STRASSBURG - Trumps netter Nachbar - Kanadas Ministerpräsident Trudeau spricht vor dem Europaparlament.
FREITAG
MÜNCHEN - We arm the world - Münchner Sicherheitskonferenz (bis Sonntag) unter radikal veränderten geopolitischen Bedingungen. US-Präsident Trump hat Bündnispartner rund um den Globus im Zweifel gelassen, inwieweit sie künftig noch mit US-Beistand rechnen können. Absehbare Folge: ein neues Wettrüsten in Europa, in Südostasien und am Golf.
FRANKFURT - Schon wieder Ärger - Nachdem Deutschland in der zurückliegenden Woche einen Rekordüberschuss in der Leistungsbilanz vermeldet hat - sehr um Unmut der Amerikaner, übrigens -, legt die EZB jetzt Zahlen für die Euro-Zone insgesamt vor. Auch der gemeinsame Überschuss dürfte neue Höchstwerte erreichen.