Nationaler Volkskongress China will nur noch moderat wachsen und erhöht Militärausgaben

Nationaler Volkskongress: Etwa 3000 Abgeordnete werden in dem von Kritikern oft als Scheinparlament bezeichneten Legislativorgan Chinas zahlreiche Beschlüsse verabschieden
Chinas Führung steht personell vor dem Umbruch und setzt trotz der Abkehr von der strikten Corona-Politik auf ein moderates Wirtschaftswachstum. Wie der scheidende Ministerpräsident Li Keqiang (67) zum Auftakt der Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses in Peking am Sonntag ankündigte, wird dieses Jahr ein Plus beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von rund fünf Prozent angepeilt. Er verwies dabei auf zahlreiche Risiken für die Konjunktur.
"Die Inflation ist weltweit nach wie vor hoch, das globale Wirtschafts- und Handelswachstum verliert an Schwung, und die Versuche von außen, China zu unterdrücken und einzudämmen, nehmen zu", sagte Li in seinem Rechenschaftsbericht zur Eröffnung der bis zum 13. März angesetzten Parlamentstagung. Zudem müsse der Binnenkonsum weiter angekurbelt werden.
Im vergangenen Jahr hatte die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt noch ein Wachstum von 5,5 Prozent angepeilt, aber belastet von den strengen Corona-Maßnahmen und einer Krise im Immobiliensektor nur drei Prozent geschafft, eines der schwächsten Ergebnisse seit Jahrzehnten. In einem Bericht, den Ministerpräsident Li vorlegte, hieß es, China werde in diesem Jahr "etwa zwölf Millionen neue Arbeitsplätze in den Städten" schaffen und die Arbeitslosenquote dort auf etwa 5,5 Prozent senken.
Frühindikatoren signalisierten zuletzt aber einen kräftigen Wachstumsschub in der Volksrepublik. Der Experte Alfredo Montufar-Helu vom Conference Board China Center geht davon aus, dass das nun gesetzte Wachstumsziel eher erreichbar sein wird als die Zielmarke im Vorjahr. Zugleich gestehe sich die Führung damit ein, dass die Wirtschaft im Reich der Mitte "dieses Jahr erheblichem Gegenwind" ausgesetzt sei.
Um das Wachstum anzukurbeln, plant die Regierung, an ihrem Plan für Infrastrukturausgaben festzuhalten und die Finanzierung für Großprojekte zu verstärken. Der scheidende Regierungschef gab zugleich das Ziel aus, dass China Wissenschaft und Technologie weiter stärken müsse, damit das Land auf diesen Gebieten auf eigenen Füßen stehen könne. Die Volksrepublik sieht sich wachsendem Druck der USA ausgesetzt, die aus Gründen der nationalen Sicherheit den Zugang zu chinesischen Halbleitern und Technologien für künstliche Intelligenz beschränken.
Experte sieht technologische Autarkie noch weit weg
Dies konterkariert die Pläne von Präsident Xi China als globale Technologiemacht zu etablieren und das Land in Sachen Hightech autark zu machen. Vieles deute darauf hin, dass Autarkie schwierig zu erreichen sein werde, trotz eines "Gefühls der Dringlichkeit", sagte Experte Montufar-Helu. Bereits 2015 habe die Führung das Zukunftskonzept "Made in China 2025" propagiert, das einen Hightech-Entwicklungsschub für die Industrie bringen sollte. Das Zwischenziel, bis 2020 insgesamt 40 Prozent der in den heimischen Wertschöpfungsketten benötigten Mikrochips auch in China zu produzieren, sei aber klar verfehlt worden. Stattdessen habe man 2021 nur 16 Prozent erreicht: "Und dies trotz der Hunderte von Milliarden Yuan an Investitionen, die in den letzten Jahren in den Sektor geflossen sind".
7,2 Prozent mehr Geld für das Militär
Zugleich kündigte Li vor den rund 3000 Delegierten in der Großen Halle des Volkes eine Erhöhung der Militärausgaben um 7,2 Prozent an, nach einem veranschlagten Anstieg von 7,1 Prozent im vergangenen Jahr. Damit liegt der Wert erneut deutlich über dem Ziel beim BIP-Plus. Li rief zu einem Ausbau der Streitkräfte auf. Im vergangenen Jahr lagen Pekings Verteidigungsausgaben bei umgerechnet rund 200 Milliarden Euro und damit weltweit an zweiter Stelle nach den USA (751 Milliarden Euro). Ausländische Experten sind allerdings der Ansicht, dass China tatsächlich weit mehr als offiziell bekannt gegeben für sein Militär ausgibt.
Die Streitkräfte sollten sich verstärkt der Ausbildung unter Kampfbedingungen widmen und die Kampfbereitschaft erhöhen, sagte Li weiter. In Bezug auf Taiwan schlug Li einen gemäßigten Ton an. China solle die friedliche Entwicklung der Beziehungen zwischen beiden Seiten der Taiwanstraße fördern und den Prozess einer "friedlichen Wiedervereinigung" mit der Insel vorantreiben. Zugleich bekräftigte er aber auch, entschlossene Schritte gegen die Unabhängigkeit Taiwans zu unternehmen.
Taiwans Regierung trat dem umgehend entgegen. China solle "das Bekenntnis des taiwanesischen Volkes zu Souveränität, Demokratie und Freiheit respektieren", erklärte sie. Die Volksrepublik betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz, die wieder in das chinesische Staatsterritorium eingegliedert werden soll.
Taiwan-Konflikt gärt weiter, Geburtenrate ist ein Problem
China kämpft aber noch mit weiteren Problemen. Dazu gehören auch die sich verschlechternden demografischen Aussichten mit sinkenden Geburtenraten und einer alternden Gesellschaft. Im vergangenen Jahr ist die Bevölkerungszahl erstmals seit Jahrzehnten geschrumpft. Die Regierung will nun die Kosten für Geburten, Kinderbetreuung und Bildung senken und so darauf reagieren, wie am Sonntag ebenfalls angekündigt wurde.
Der 67-jährige Li und eine Reihe eher reformorientierter politischer Funktionäre werden während der Tagung des Volkskongresses abtreten und Platz machen für loyale Gefolgsleute von Staats- und Partei-Chef Xi Jinping (69). Als ausgemachte Sache gilt, dass Li Qiang (63) zum neuen Ministerpräsidenten berufen wird. Xis Amtszeit als Präsident soll zugleich verlängert werden. Der 69-Jährige hatte seine Macht auf dem Kommunistischen Parteitag im Oktober als wichtigste Führungsfigur des Landes seit Mao Tse-tung auf Jahre hinaus zementiert. Er wurde damals für eine bislang beispiellose dritte Amtszeit von fünf Jahren an der Spitze der Kommunistischen Partei bestätigt.