Obama besucht Argentiniens Präsident Macri Warum Argentinien der größte Hoffnungswert für die Weltwirtschaft ist

Zurück im Kreis der Elite: Mauricio Macri im Januar in Davos - als erster argentinischer Präsident seit 13 Jahren beim Weltwirtschaftsforum
Foto: Laurent Gillieron/ AP/dpaFür Juan Luciano ist es ein Heimspiel. Der Chef von Archer Daniels Midland zählt zu den prominenten Rednern unter mehr als 1000 Managern, die sich am Rand des Staatsbesuchs von US-Präsident Barack Obama in Argentinien versammeln.
Luciano selbst ist Argentinier, unter seiner Führung hat der Agrarriese aus Chicago im vergangenen Jahr in ein neues Exportterminal für Getreide und Soja am Rio Paraná investiert - rechtzeitig zum überraschenden Wahlsieg des Konservativen Mauricio Macri, der prompt die Exportsteuern auf Agrargüter abschaffte und Kapitalkontrollen auch, was das Geschäft von ADM in Argentinien gleich viel profitabler machte. Luciano kann seinen Managerkollegen von einer Erfolgsgeschichte vorschwärmen, die Hoffnung auf weitere lukrative Investitionen macht.
Argentinien, über Jahre verschrien wegen der eigenwilligen Staatsführung, ist plötzlich Investor's Darling. Das Interesse der Konzerne ist noch größer als an der vorangegangenen historischen Visite Obamas in Kuba. Während der Besuch in Havanna der Versöhnung mit den störrischen Linken Lateinamerikas diente, kann die US-Elite in Buenos Aires die Rückkehr eines Verbündeten feiern - wenn auch verbunden mit einer Demutsgeste zum 40. Jahrestag des von den USA unterstützten Militärputsches.
Der Deal mit den Geierfonds muss noch durchs Parlament
Argentiniens Rechts-Wende sei "ungefähr die einzige gute Nachricht im Süden des Kontinents zurzeit", meint die Ökonomin Monica de Bolle vom Peterson Institute for International Economics in Washington. Der Bauunternehmer Macri mit seinem Manager-Kabinett habe in seinen ersten 100 Tagen nach dem knappen Wahlsieg im Dezember das ebenso knappe politische Kapital schnell für mutige, marktorientierte Reformen eingesetzt.
"Ermutigend" nennt auch IWF-Präsidentin Christine Lagarde den neuen Kurs Argentiniens. Besonders erleichtert zeigte sie sich über den Deal des Landes mit Hedgefonds, der einen jahrelangen Streit um den Bankrott der Vor-vor-vorgängerregierung beenden könnte.
Das Verhalten dieser von Macris Vorgängerin Cristina Fernandez als "Geierfonds" gebrandmarkten Spekulanten, die zu Lasten der Argentinier ebenso wie der meisten anderen Gläubiger nun Renditen von bis zu 2000 Prozent erwarten, stieß zwar auch in Washington nicht auf Sympathie. Aber Hauptsache, es kehrt bald Ruhe ein, der Staat kann sich wieder neues Geld am Kapitalmarkt leihen und die Wirtschaft in Gang halten.
Ob der Deal wirklich zustande kommt, hängt jetzt am Parlament, wo Fernandez' Anhänger vom linken peronistischen Lager immer noch eine satte Mehrheit haben, ebenso wie in den Provinzen. Ökonomin de Bolle setzt darauf, dass die Gouverneure Druck machen, den Deal mit den verhassten Geiern durchzuwinken, damit sie selbst wieder Anleihen aufnehmen können. Die Entscheidung fällt noch im April.
Wie Macris Politik die Inflation noch weiter erhöht
Erstmal jedoch bedeutet Macris Reformkurs, dass die ohnehin hohe Inflation, bislang das größte wirtschaftliche Problem, einen gewaltigen Satz nach oben macht. Sein politisches Lager streut zwar Zweifel an den offiziellen Statistiken, der Sprung der jährlichen Inflationsrate von unter 15 Prozent im Herbst auf 30 Prozent zu Jahresbeginn passt aber zum Absturz der Landeswährung Peso, seit Macri das Wahlversprechen einlöste, als erste Amtshandlung des Devisentausch freizugeben.
Fast schlagartig stieg der Wechselkurs zum Dollar von 9:1 auf 15:1, im März erholte er sich nur moderat. Damit verteuerten sich Importwaren für Argentinier. Diese "Maxi-Abwertung" erinnert an den Abschied von der Dollar-Bindung in der schweren Wirtschaftskrise von 2001, der einem langjährigen Boom unter Cristina Fernandez und ihrem verstorbenen Ehemann Nestor Kirchner voranging, als Argentiniens Wirtschaft allenfalls noch von Chinas Wachstumsraten in den Schatten gestellt wurde.
Die Bedingungen heute sind allerdings andere. Im Angesicht der schwachen Weltwirtschaft gebe es keine Anzeichen, dass ein dank Billig-Peso wettbewerbsfähigeres Argentinien seine Exporte deutlich steigern könne, meint Matias Vernego von der Bucknell University. Außerdem sei die Abwertung "eine Lösung zu einem nicht existenten Problem", da Argentinien im Gegensatz zu 2001 keinesfalls die Mittel zur Begleichung seiner Importrechnungen ausgehen, auch wenn die Devisenreserven zuletzt deutlich schmolzen.
Der Boom der 2000er Jahre lässt sich kaum wiederholen
Vor allem jedoch gründete der Boom der 2000er Jahre auf die starke Binnennachfrage, die einher ging mit einer kräftigen Reduzierung der Armut mit Hilfe von Sozialprogrammen. Der gesunkene Wechselkurs lieferte nur den Anfangsimpuls, indem Importe durch höhere Nachfrage nach heimischer Produktion ersetzt wurden, analysiert Mark Weisbrot vom Center for Economic and Policy Research in Washington.
Gegen eine Wiederholung des Erfolgs spräche heute vor allem die Inflation, die den Argentiniern ihre Kaufkraft nimmt. Und neben dem Wechselkurseffekt hat Macri noch andere Maßnahmen ergriffen, die preistreibend wirken: Er hat mehrere Energiesubventionen abgeschafft (wenn auch die Ärmsten zunächst noch ein halbes Jahr Schonfrist für ihre staatlich gedrückten Strom-, Gas- und Spritrechnungen behalten). Und auch die von Archer Daniels Midland ersehnte Abschaffung der Exportsteuern auf Getreide und Soja bewirkt, dass die Waren im Land teurer werden.
Selbst Macris Sympathisanten wie Robert Kahn vom Council on Foreign Relations erwarten, dass diese Maßnahmen zusammen mit dem angepeilten Sparkurs - bisher sichtbar vor allem als Massenentlassungen im öffentlichen Dienst - das Land zunächst in die Rezession schicken werden.
"Im zweiten Halbjahr wird die Inflation drastisch zurückgehen. Ich spüre, dass dies ein erster Schritt in Richtung Glück wird", versprach der Präsident in seiner 100-Tage-Bilanz. Zu der Zeit, wenn dieses Versprechen wahr werden soll, will er auch der deutschen Wirtschaft seine Aufwartung machen.
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