Umstrittene Notenbankhilfe Japans euphorisierte Börsianer blenden Zinsstabilität aus

Letzter Auftritt: Japans bisheriger Notenbankchef Masaaki Shirakawa hat das Zinsniveau in Japan bei seiner letzten Notenbanksitzung konstant gehalten
Foto: Franck Robichon/ picture alliance / dpaTokio - Die japanische Zentralbank hat ihre Einschätzung der wirtschaftlichen Lage angehoben. Die Konjunktur schwäche sich nicht mehr ab, erklärte die Bank von Japan (BoJ) am Donnerstag. Auch die Industrieproduktion lasse nicht weiter nach - schon das hatte den japanischen Aktienleitindex Nikkei über Nacht mit auf ein Viereinhalbjahreshoch getrieben. Deshalb wurde auf der letzten Sitzung des scheidenden Notenbankchefs Masaaki Shirakawa nichts an der Geldpolitik geändert. Die Leitzinsen beließ die Notenbank unverändert bei nahe Null.
"Anleger schielen bereits voller Vorfreude auf den Führungswechsel im Vorstand der Notenbank, der eine expansivere Geldpolitik verheißt", sagt Commerzbank-Experte Marco Wagner; nach fünf Jahren an der Spitze einer der weltweit größten Notenbanken endet am 19. März die Amtszeit Shirakawas und die zweier weiterer Vorstandsmitglieder.
Als neuer Notenbank-Gouverneur ist der bisherige Präsident der Asiatischen Entwicklungsbank, Haruhiko Kuroda, nominiert. Dass das Parlament der Personalie zustimmt, gilt als Formsache. Als neue Stellvertreter stehen Kikuo Iwata, Professor an der Gakushui Universität in Tokio, und BoJ-Exekutivdirektor Hiroshi Nakaso in den Startlöchern. Anfang April wird die erste Notenbanksitzung mit den drei neuen Vorständen stattfinden.
Kuroda hat bereits angekündigt, die Geldschleusen weiter zu öffnen. In den nächsten zwei Jahren will er die Inflation durch unbegrenzte Aufkäufe auch langlaufender Anleihen auf zwei Prozent heben. Bisher hat die Notenbank nur Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von bis zu drei Jahren erworben. Kuroda will auch, dass die Notenbank verstärkt riskantere Papiere wie Anleihen von Unternehmen und börsengehandelte Fonds vom Markt nimmt. Das einzige Tabu für den designierten Notenbankchef scheint der direkte Kauf von Staatsanleihen von der Regierung zu sein.
Commerzbank-Experte Wagner: "Das Ziel ist die Schwächung des Yen"
Commerzbank-Ökonom Wagner sieht die neue geldpolitische Ära in Japan bereits skeptisch, bevor sie offiziell eingeläutet ist: "Auch wenn allen Beteiligten, insbesondere den ausländischen Notenbankern, glauben gemacht werden soll, dass es dabei um die Beendigung der Deflation geht, ist das eigentliche Ziel der Regierung die Schwächung des Yen." Mit einem günstigeren Yen-Wechselkurs verglichen mit den Währungen der Haupthandelspartner Japans sollen Japans Exporte und damit die schleppende Wirtschaft angekurbelt werden.
Japans Vorhaben stößt bei den übrigen führenden Wirtschaftsnationen entsprechend auf Ablehnung. Die G20 hatten es am vergangenen Wochenende zwar vermieden, Japan offen zu kritisieren. Allerdings sprachen sich die zwanzig größten Industrie- und Schwellenländer gegen Wechselkursabwertungen aus, die allein der Erlangung von Wettbewerbsvorteilen dienen. Eingriffe am Devisenmarkt dürften zu kompetitiven Abwertungen zählen.
Japans Regierung vollzog daraufhin - zumindest öffentlich - die Kehrtwende: Wie Premierminister Shinzo Abe vor wenigen Tagen dem Parlament erklärte, werde die Regierung wohl Abstand von ihrem Vorhaben nehmen, ausländische Staatsanleihen zu kaufen. "Wir hatten im vergangenen November beschlossen, das in Erwägung zu ziehen. Die Notwendigkeit wird grundsätzlich entfallen, wenn wir im März einen neuen Notenbankchef und seine Stellvertreter haben." Noch am Montag vor seinem Rückzieher hatte Abe im Parlament die Möglichkeit genannt, in Staatsanleihen anderer Länder zu investieren. Der Kauf ausländischer Staatsanleihen aber kann einer direkten Intervention am Devisenmarkt gleichkommen.
Die Aussicht auf weitere geldpolitische Lockerungen in Japan hat am Devisenmarkt dann auch bereits starke Wirkung gezeigt: Ohne dass sich die Geldpolitik in den vergangenen Wochen maßgeblich verändert hätte, hat der Yen gegenüber dem US-Dollar seit Mitte November um 20 Prozent abgewertet, verglichen mit dem Euro im gleichen Zeitraum um knapp 5 Prozent. Jetzt schielen die Anleger auf den Antritt des neuen Notenbankchefs, der sich mit seinen markigen Ankündigungen bereits vor seiner Arbeitsaufnahme in das Rampenlicht gestellt hat. "Die Erwartungen liegen also hoch, und damit dürfte es umso schwieriger werden, den Markt nicht zu enttäuschen", sagt Experte Wagner.