Weltmacht China Zehn entscheidende Jahre für China und den Rest der Welt

Militärparade vor der Halle des Volkes in Peking: Der Nationale Volkskongress muss sich auf die Straffung des Polit-Apparats und die Lösung vieler Probleme konzentrieren. Soziale Ungleichheit und Umweltzerstörung stehen obenan
Foto: Getty ImagesKeine Blumen auf dem Hotelzimmer, kein Limousinen-Abholservice an Flughafen und Bahnhof, keine Geschenke und keine exzessiven Ess- und Trinkgelage. Die 2987 Delegierten, die in den diesen Tagen zum Nationalen Volkskongress (NVK) nach Beijing anreisen, werden mit einer neuen Bescheidenheit konfrontiert. Ausgegeben hat sie der neue Parteichef Xi Jinping (59), der damit der grassierenden Korruption in Partei und Staat begegnen will.
Es hat sich einiges verändert, seit Xi im vergangenen November zum KP-Chef gekürt wurde. Nicht mehr soviel Pomp, stattdessen Konzentration auf die Sacharbeit.
Diese Politik wird sich auch auf dem Volkskongress, der am Dienstag beginnt, fortsetzen. Die Delegierten werden zunächst einmal Xi in ein weiteres Amt wählen - in das des Staatspräsidenten. Außerdem wird Li Keqiang (57) zum Ministerpräsidenten bestimmt werden. Xi und Li wird also das neue Führungsduo in den kommenden zehn Jahren sein.
Es werden zehn entscheidende Jahre für China, aber auch für den Rest der Welt sein. In diesem Zeitraum wird China die USA wirtschaftlich überholen und auch militärisch immer stärker werden. Das Wachstum der chinesischen Wirtschaft wird nachlassen und sich bei sechs, sieben Prozent einpendeln.
Gleichzeitig werden die internen Probleme zunehmen. Sie sind dabei mit einer zunehmend kritischer werdenden Bevölkerung konfrontiert, die ihren Unmut über das Internet kommuniziert.
Zahl der Ministerien sinkt deutlich - viele bekommen neue Chefs
Xi und Li stehen vor Mammutaufgaben. Auf dem Volkskongress werden sie erste Andeutungen von Lösungsversuchen geben. Zunächst einmal wollen sie den Regierungsapparat straffen. Die Zahl der Ministerien soll verringert werden - von derzeit auf 28 auf 18. Das korrupteste unter ihnen, das Eisenbahnministerium, wird teilweise im Verkehrsministerium aufgehen.
Das Gesundheitsministerium wird aufgewertet und bekommt die Zuständigkeit für die Familienplanung, was manche Beobachter als mögliche Aufweichung der Ein-Kind-Politik interpretieren.
Das Ministerium für Wissenschaft und Technologie unter dem großen Deutschlandfreund und Ex-Audi-Manager Wan Gang (60) wird zerstückelt und anderen Ministern zugeschlagen. Ministerien in den Bereichen Agrar, Kultur/Medien und Soziales werden zusammengelegt. Ebenso die bislang separaten Regulierungsbehörden für Banken, Börse und Versicherungen.
Mindestens die Hälfte der neuen Ministerien bekommen auch neue Chefs. Ein altes Gesicht freilich bleibt: Notenbankchef Zhou Xiaochuan, der trotz seiner 65 Jahre nicht in den Ruhestand geschickt wird. Zhou gilt als liberaler Reformer. Sein Verbleiben darf als ein Plädoyer für die Fortsetzung der Finanzmarktreformen gesehen werden, an deren Ende eine zunehmend unabhängigere Zentralbank stehen könnte.
Umbau-Pläne betreffen auch deutsche Autobauer
Neben diesen personellen und institutionellen Veränderungen wird der Volkskongress sich den zwei wichtigsten Problemen widmen müssen, die das Volk derzeit umtreibt: Die Umweltverschmutzung und das soziale Ungleichgewicht. Die grauen Tage im Januar haben allen nochmals brutal vor Augen geführt, wie es um Luftqualität zumindest in den großen Metropolen steht. Dazu kommen verseuchte Böden und verschmutztes Wasser.
Jetzt helfen nur noch "drastische Maßnahmen", schreibt deshalb Ma Jun, Chefökonom der Deutschen Bank in Asien. Er meint damit eine Reduzierung des Kohleverbrauchs und - besonders relevant für deutsche Autobauer - des Autoverkehrs. Auch massive Investitionen in saubere Energien und den öffentlichen Verkehr gehören dazu.
Die Xi-Li-Führung will mit einer neuen Umweltsteuer, verschärften Emissionsvorgaben für Autos sowie erhöhten Investitionen zur Verbesserung der Luft- und Wasserqualität reagieren.
Soziale Kluft: Staatsunternehmen sollen Teil der Dividende abliefern
Nicht minder gigantisch ist das soziale Problem. Die Lücke zwischen Reich und Arm, zwischen Stadt und Land wird immer größer. Der Gradmesser dieses Ungleichgewichts - der Gini-Koeffizient - liegt inzwischen offiziell bei 0.47 Prozent. Seit Jahren wird diskutiert, wie man die soziale Kluft verringern kann - ohne großen Erfolg. Jetzt liegt wieder mal ein Plan vor, wie man es schaffen will.
Die gut verdienenden Staatsunternehmen sollen endlich einen Teil ihrer Dividende an den Staat abliefern und damit einen Teil des bislang rudimentären Sozialsystems finanzieren. Die Regierung soll ihren Sozialetat erhöhen, der bislang nur magere 12 Prozent des Haushalts ausmacht. Außerdem sollen die Bauern mehr Landrechte bekommen, damit sie beim Verkauf ihrer Grundstücke mehr Erlöse erzielen.
Die neue Führung muss schleunigst diese sozialen Probleme lösen. Denn sonst hat sie mit zunehmenden sozialen Unruhen selbst ein Problem, das sich kaum kontrollieren lässt.
Wachstumsziel: Militärausgaben treiben Chinas Wachstum