Neue Notenbankpolitik Geldschwemme nutzt den Vermögenden

Türöffner für Reiche: QE 3 treibt Vermögenswerte nach oben
Foto: CorbisHamburg - Diese zwei Wochen haben die Welt der Geldpolitik verändert. Zuerst kündigte die Europäische Zentralbank unbegrenzte Käufe von Staatsanleihen aus Krisenländern an - diesmal nicht verbrämt als Mittel zum Zweck funktionierender Geldmärkte, sondern mit der ausdrücklichen Begründung, Zweifel am Fortbestand der Währungsunion aus dem Markt zu räumen. Die Geldwertstabilität des Euro als alleiniges Ziel der EZB ist damit passé: Erstmal muss der Euro am Leben bleiben.
Noch weiter gehen nun die amerikanischen Kollegen. Die Federal Reserve hat einen "strategischen Schwenk" vollzogen, bemerkt Analyst Ekkehard Link von der Essener National-Bank. "An der Inflationsfront zeigen sich die US-Notenbanker unbeeindruckt." Das neue Kaufprogramm für Hypothekenpapiere, auch als Quantitative Easing 3 oder kurz QE 3 bekannt, kommt, obwohl die langfristigen Inflationserwartungen 2,5 Prozent erreichen. Damit macht der Offenmarktausschuss um Fed-Präsident Ben Bernanke klar, dass er das Inflationsziel von 2 Prozent eben nicht als Obergrenze sieht, wie oft von Marktakteuren angenommen.
Absolute Priorität hat nun die Beendigung der Jobkrise. Die Fed will QE 3 so lange betreiben, "bis sich die Aussichten für den Arbeitsmarkt erheblich verbessern". Ob sie nun eine Arbeitslosenquote von 6 Prozent wie vor der Pleite von Lehman Brothers oder unter 5 Prozent wie vor Beginn der Großen Rezession anpeilt, teilte die Notenbank nicht mit. "Was wir in den vergangenen sechs Monaten gesehen haben, ist es nicht", stellte Bernanke aber klar. 8 Prozent Arbeitslosigkeit wird die Fed nicht tolerieren.
"Eine solche explizite Verknüpfung zwischen Geld- und Kreditpolitik einerseits und Beschäftigungslage andererseits hat es noch nie gegeben", stellt Link fest. Auch, dass die Wertpapierkäufe "weder zeitlich noch betragsmäßig begrenzt" seien und die Fed ihre lockere Geldpolitik bis weit in den kommenden Boom hinein fortsetzen wolle, sei ein Bruch mit alten Dogmen.
Ökonomen, die den Notenbankern seit langem vorwerfen, aus Angst um den Ruf als Geldhüter übermäßig vorsichtig zu agieren und so die wirtschaftliche Misere zu verlängern, sind angetan. "Mit der Zeit werden die Märkte verstehen, dass eine an wirtschaftliche Ergebnisse gebundene Verpflichtung mehr bewirkt als die früheren willkürlichen QE-Summen und Fristen", meint Tim Duy von der Universität Oregon. "Das sind ausgezeichnete Nachrichten für die US- und die Weltwirtschaft", jubelt Lars Christensen von der Danske Bank.
In seiner Pressekonferenz ging Bernanke auf Mike Woodford von der New Yorker Columbia-Universität ein, der Ende August auf der jährlichen Fed-Tagung in Jackson Hole mit einem radikalen Vorschlag Furore gemacht hatte: Die Notenbank solle ihre geldpolitischen Ziele über Bord werfen, weil sie unter Nullzinsbedingungen die Märkte nicht mehr zu Wachstum bewegen könne, solange alle glaubten, bei steigender Inflation werde die Geldzufuhr wieder gedrosselt. Stattdessen solle die Fed eine Zielmarke für die nominelle Wirtschaftsleistung - unabhängig von der Inflation - festlegen.
So weit mochte Bernanke nicht gehen. Aber er räumte ein, dass die Steuerung der Markterwartungen "in der Tat das stärkste Instrument ist, dass Zentralbanken haben, wenn die Zinsen nahe null liegen". Und er verwies auf die deutliche Mehrheit von elf zu eins im Offenmarktausschuss für den neuen Kurs als Beleg, dass die Politik des lockeren Geldes auch nach seinem Abtritt fortgesetzt werde. Steigende Zinsen werden nun frühestens für Mitte 2015 erwartet.
Steigende Aktienkurse sind beabsichtigt
Würde QE 3 so lange betrieben, könnten die anfänglich auf vergleichsweise bescheidene 40 Milliarden Dollar im Monat bezifferten Wertpapierkäufe auch im Vergleich zur Fed-Bilanzsumme von 2,8 Billionen Dollar hohes Gewicht bekommen.
Skepsis, ob die zusätzlichen Dollar-Milliarden der mangelnden Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern abhelfen können, ist verbreitet. "Die Erfahrung zeigt, dass die Zinsen wohl kaum noch deutlich sinken dürften", meint Commerzbank-Ökonom Christoph Balz. Ein größerer Teil der Fed-Maßnahmen versickere, die privaten Haushalte würden relativ wenig entlastet, wegen sinkender Anleihenrenditen würden Investorengelder aber in andere Anlageklassen geleitet und dort die Preise treiben. Über teurere Rohstoffe wiederum schmälere dies die Kaufkraft und den Konsum. Vor allem aber "die Aktienkurse werden wohl profitieren", schätzt Balz.
Das wäre durchaus beabsichtigt. "Viele Leute besitzen direkt oder indirekt Aktien", begründet Bernanke die Hoffnung, steigende Vermögen als Folge von Quantitative Easing könnten die Kauflaune heben. Noch direkter zielt das neue Kaufprogramm für Hypothekenpapiere auf den Immobilienmarkt. "Insoweit die Hauspreise zu steigen beginnen, werden sich die Verbraucher wohlhabender fühlen und eher geneigt sein, Geld auszugeben", erläutert der Fed-Chef die Logik.
Allerdings ist dieser Vermögenseffekt genauso ungleich verteilt wie die Vermögen selbst. Die Bank of England, die früher und stärker auf Quantitative Easing setzte als die anderen Notenbanken, hat die Verteilungswirkung ihrer Politik in einem neuen Bericht untersucht.
Ergebnis: "Die Anleihenkäufe haben den finanziellen Wohlstand der Haushalte abseits von Pensionsfonds hochgetrieben, aber die Anteile sind stark zugunsten der obersten 5 Prozent der Haushalte geneigt, die 40 Prozent dieser Vermögenswerte besitzen." Die Hälfte der Haushalte besitze weniger als 1500 Pfund an Finanzanlagen, auch die Jüngeren seien wenig begünstigt und umgekehrt stärker an der Last niedriger Zinsen beteiligt.
Dennoch beharrt die Bank of England darauf, die Geldschwemme sei letztlich gut für alle. Denn sie habe die Wirtschaftsleistung um 1,5 bis 2 Prozent angehoben und so indirekt auch den unteren Schichten geholfen, "auch wenn diese Zahlen sich nicht in zusätzliches Bargeld für jeden Einzelnen niederschlagen". Der Nutzen für die Armen zeige sich eher in "geringeren Lohnkürzungen und Jobverlusten, als sonst zu erwarten gewesen wären". Wenige werden darüber jubeln.
Als Gewinner der Geldschwemme stehen dagegen paradoxerweise die Vermögenden da - zumindest, solange die Inflation tatsächlich im Zaum bleibt.