
Trotz Schuldenkrise Die Superreichen der Welt setzen auf Europa
Vancouver - Der eine gibt den Europäern nur noch drei Monate, um den Euro zu retten. Dann werde selbst die deutsche Wirtschaft zu schwach, um die Euro-Zone zu stabilisieren. Die Regierungen auf dem Kontinent würden "die Natur der Krise nicht verstehen." Dieser Untergangsprophet ist Milliardär George Soros. Der andere schwer reiche Investor, der in diesen Tagen kräftige Statements zu Europa abgibt, ist der Mexikaner Carlos Slim. Der reichste Mann der Welt macht dabei aber weniger Worte, er lässt stattdessen den Geldbeutel sprechen.
Slim, dessen persönliches Vermögen auf etwa 80 Milliarden Dollar geschätzt wird, investiert massiv, um in der europäischen Telekombranche Fuß zu fassen. Die Shoppingtour reicht von Beteiligungen an der Telekom Austria über die niederländische KPN bis hin zu Anteilen in Serbien, Kroatien, Bulgarien und Mazedonien.
Der Sohn des mexikanischen Telekommagnaten, Slim Domi, erklärt, warum sein steinreicher Vater so enormes Vertrauen für Europa aufbringt: "Wir versuchen ganz simpel zu investieren, wir engagieren uns in physischer Infrastruktur, in Anlagen und in Menschen." Slim Domi fungiert als Co-Chairman bei America Movil, dem Schlüsselkonzern im Imperium von Carlos Slim; America Movil ist der größte Anbieter von Festnetz- und Mobiltelefonie in Lateinamerika mit insgesamt 250 Millionen Kunden.
Wer schätzt die Lage in Europa besser ein, Soros oder Slim? Bricht die Euro-Zone auseinander, oder zeigen sich am Horizont schon jetzt Hoffnungsschimmer, die große Investments auch in diesen dramatischen Monaten als attraktiv und vielversprechend erscheinen lassen?
Trump sieht Milliardenchancen
Wenn es nach dem US-Immobilienmogul Donald Trump geht, hat auf jeden Fall Carlos Slim Recht. Trump hält die Euro-Zone und die gemeinsame Währung zwar für gescheitert. Doch vor allem in Spanien und selbst in Griechenland sieht er "erstaunliche Kaufgelegenheiten." Laut Trump gibt es Ähnlichkeiten zwischen Spanien und der Entwicklung auf dem Immobilienmarkt von Miami. "Miami war bis vor wenigen Jahren eine Desasterzone", sagt Trump, "doch jetzt boomt die Stadt, weil Geld hereinströmt."
Eine genauere Antwort als Trump geben die globalen Kapitalströme, das Geld, das schwer betuchte Portfolioanleger und Direktinvestoren nach Europa lenken - oder auch nicht. Dabei wird auf den ersten Blick klar: Die Reichen dieser Welt Vertrauen durchaus in die Zukunft Europas. Aber sie kommen immer öfter aus Asien, wo es jetzt laut dem neuen World Wealth Report erstmals mehr Millionäre gibt als in Europa. Und die reichen Asiaten finden auf ihrem eigenen Boomkontinent genügend Möglichkeiten, um ihr Geld zu investieren.
Das Vertrauen in Europa scheint nicht grundsätzlich angeknackst zu sein, lediglich der Ruf der Wackelländer ist bei vielen Superreichen kräftig lädiert. Der Rest des Kontinents bleibt ein beliebtes Anlageziel. Das sieht man selbst bei denen, die ihr Kapital aus europäischen Ländern abziehen. Reiche Spanier, die dem implodierenden Bankensystem ihrer Heimat nicht mehr vertrauen, bringen das Geld oft in die Schweiz und in die USA, sagt der Europadirektor beim Beratungsunternehmen K2 Intelligence. Viele reiche Italiener kaufen eher Wohnungen in Deutschland, oder Inseln in Spanien, erklärt Paolo Righi, der Präsident des italienischen Maklerverbandes. Der griechische Geldadel wird währenddessen auffallend oft in den Büros von Londoner Edelmaklern gesichtet.
Reiche Italiener kaufen deutsche Immobilien
Dort geben sich auch reiche Saudis, Südamerikas Rohstoff-Barone und asiatische Firmenlenker die Klinken in die Hände. Topimmobilien in der britischen Hauptstadt haben laut dem Branchenspezialisten Knight Frank im Mai einen jährlichen Zuwachs von fast 11 Prozent aufgewiesen. Die Häuserpreise in feinen Lagen - wie Westminster, Chelsea und Kensington - ziehen so viel internationales Kapital an, dass der Schauspieler und Komiker John Cleese meckert, London sei keine britische Stadt mehr.
Die Preise in den besten Immobilienlagen notieren jetzt laut Knight Frank mehr als 12 Prozent über dem Hoch, das vor der Finanzkrise erreicht worden war. Und sie liegen 47 Prozent über dem Tief, das während der Finanzkrise im März 2009 markiert wurde. London profitiert derzeit auch stark von Umschichtungen innerhalb Europas, die Folge der anhaltenden Schuldenkrise sind. "Viele Italiener haben den Glauben an die Regierbarkeit ihres Landes verloren und verdrücken sich, viele Franzosen versuchen, Francois Hollande zu entkommen. Unser Büro in Frankreich nimmt seit der Wahl in Frankreich sehr viele Anrufe entgegen", erzählt Gary Hersham, der Geschäftsführer beim Luxusmakler Beauchamp Estates.
Beliebte Anlageziele in Europa - wie London - müssen sich aber wachsender Konkurrenz aus dem Rest der Welt erwehren. Es scheint trotz vielfach steigender Risiken noch genügend Auswahlmöglichkeiten vor allem in Nordamerika und Asien zu geben, mit denen Europa um das Geld der reichen Anleger und der expandierenden Firmen konkurrieren muss. Junge Start-up-Firmen in den USA zum Beispiel, oder Häuser in Kalifornien. "Ausländer steigern ihre Investments in den USA, nachdem sie sich auf dem Höhepunkt der Finanzkrise zurückgezogen hatten, wobei der jüngste Zustrom an Kapital vor allem von Europäern kommt, die sichere Häfen gegen die Schuldenkrise daheim suchen", heißt es in einem Bericht des US-Handelsministeriums, das am vergangenen Donnerstag meldete, die USA hätten im ersten Quartal 2012 das zwölfte Vierteljahr in Folge steigende Kapitalzuflüsse registriert.
Unter den weltweit zunehmend gesuchten Anlagealternativen sind aber auch Bergbaubeteiligungen in Australien, Oldtimer, historische Münzen, seltene Briefmarken und chinesische Teppiche. Ein neuer Bericht der Barclays Bank zeigt, dass die Reichen dieser Welt im Schnitt bereits 10 Prozent ihres investierbaren Vermögens in Kunstschätzen und Kleinoden halten. Tendenz: steigend. Der Grund liegt auf der Hand: Weil in der globalen Wirtschaft eine Krise der anderen folgt - und die Börsen kaum zur Ruhe kommen - wird ein Teil des Vermögens aus traditionellen Anlageformen wie Aktien und Anleihen abgezogen und in "harte assets" gesteckt, die man kennt und versteht: Kunst, Wein, Autos, Malerei. "Es gibt ein ausgeprägtes Verlangen nach greifbaren Werten, und deswegen investieren die Reichen immer mehr in Kleinode", steht in dem Barclays-Bericht.
China-Nachfrage nimmt riesige Ausmaße an
Und was machen die vielen neureichen Chinesen? Laut dem neuesten Global Wealth Report hat die Zahl der Millionäre weltweit im vergangenen Jahr um 175.000 zugenommen. Während das private Vermögen in Nordamerika, Westeuropa und Japan abnahm, legte es in China rasant weiter zu. Von Weingütern in Bordeaux bis hin zu deutschen Mittelständlern greifen die Chinesen herzhaft zu. David Guillon, ein Hongkonger Makler, der sich auf Weingüter in Frankreich spezialisiert hat, meldet eine Verdoppelung seiner Deals gegenüber 2011. "Die Nachfrage nimmt riesige Ausmaße an", sagt Guillon, "selbst Staatsbetriebe aus der Volksrepublik China investieren in französische Weingüter, weil sie enorme Cashbestände haben und stetige Verzinsung suchen." Selbst prominente Chinesen wie die Schauspielerin Zhao Wei schlagen in Bordeaux zu. Zhao kaufte sich Ende 2011 für umgerechnet vier Millionen Euro ihren eigenen Weinberg im Südwesten Frankreichs.
Auch für chinesische Firmen ist Deutschland eine der weltweit besten Adressen. Einer Umfrage des Unternehmensberaters Ernst & Young zufolge zählt jeder vierte Manager im Reich der Mitte die Bundesrepublik - neben China selbst und den USA - zu den drei beliebtesten Investitionszielen. Fast jeder zehnte chinesische Unternehmer, der in Deutschland investieren will, plant demnach einen Unternehmenskauf. Wenn chinesische Firmenchefs und Unternehmer nach Europa schielen, entscheiden sich sich in 63 Prozent aller Fälle für Deutschland als Standort. Die Übernahme des Aldi-IT-Lieferanten Medion durch Lenovo ist nur ein Beispiel.
Die Übernahmen von Maschinenbauern wie Putzmeister und Schwing sind weitere. In chinesische Hände übergegangen sind auch Autozulieferer wie KSM Castings, Preh, Saargummi oder Kiekert. Laut A Capital, einem Finanzinvestor mit Standbein in China und Paris, der Beteiligungsmöglichkeiten in Europa ausfindig macht, stiegen Chinas Überseeinvestitionen im ersten Quartal rasant auf 21,4 Milliarden Dollar an. Das ist mehr als doppelt so viel wie im selben Zeitraum des Vorjahres. Laut dem als "Dragon Index" bezeichneten Investment-Barometer von A Capital stecken die Chinesen 92 Prozent ihrer Übersee-Investitionen in Energie- und Rohstoffdeals. Das macht Südamerika aktuell zu ihrer Top-Destination.
Doch Europa folgt gleich auf Rang zwei, mit 16 Prozent Anteil an Chinas Überseebeteiligungen. Von Januar bis März flossen sogar 83 Prozent der internationalen chinesischen Investitionen außerhalb des Rohstoffsektors nach Europa. Dabei sichern sich chinesische Investoren - ähnlich wie der Mexikaner Carlos Slim - nicht nur Beteiligungen in strategisch wichtigen Branchen, sondern zunehmend auch Firmen, die im Zuge der Schuldenkrise günstig bewertet sind. Einer der jüngsten Käufe war die Akquisition von 21 Prozent am portugiesischen Versorger EDP-Energias de Portugal durch den Betreiber des Drei-Schluchten-Damms in China.