

Optionen für Europa Wenn Griechenland kippt ...


Griechenland am Abgrund: Alle bereiten sich auf den Ausstieg aus dem Euro vor
Foto: YANNIS BEHRAKIS/ REUTERSHamburg - Niemand kann sagen, er habe von nichts gewusst. Wenn Griechenland Pleite geht, dann kommt das alles andere als überraschend. Seit zwei Jahren geht es mit dem Land bergab. Immer neue Rettungen, unzählige Reports von internationalen Organisationen und Banken über die Perspektiven für Griechenland und die möglichen Folgen eines Euro-Austritts - all das ist hunderte Mal dargelegt und erklärt und durchdacht worden, so dass sich im Fall des Falles niemand auf Unwissenheit wird berufen können.
Mit anderen Worten: Den Verantwortlichen in Unternehmen, Banken und Behörden, die nicht vorbereitet sind, droht Ärger - wegen mangelnder Sorgfalt, Untreue und dergleichen. Folglich bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als sich auf das schlimmstmögliche Hellas-Szenario vorzubereiten.
Das ist das Perfide an der jetzigen Situation: Weil sich alle auf ein Scheitern Griechenlands vorbereiten, wird dieses Scheitern umso wahrscheinlicher. Denn wer vorbereitet ist, glaubt, die Folgen kontrollieren zu können.
Was also wird passieren? "Der Griechenland-Ausstieg wird auf jeden Fall ungeordnet geschehen", sagte mir kürzlich ein deutscher Euro-Retter. "So etwas kann gar nicht geplant, ruhig und geordnet geschehen."
Das Szenario sieht so aus: Am 17. Juni, bei der nächsten Wahl in Griechenland, wird nach derzeitigen Umfragen abermals keine Mehrheit herauskommen, die bereit ist, sich an die Programmzusagen zu halten. Sollte es so kommen, wird die neue Regierung in Athen kein weiteres Geld aus den Hilfsprogrammen von EU und IWF erhalten. Spätestens dann werden die griechischen Banken sich nicht mehr refinanzieren können, weil ihnen niemand, wirklich niemand mehr Geld mehr leiht.
Die Lage in Griechenland spitzt sich in diesem Fall extrem zu: Das Finanzsystem funktioniert nicht mehr, der Zahlungsverkehr kommt zum Erliegen, die Banken schließen, die Geldautomaten sind leer, die Bürger bunkern Bargeld.
Irgendwann muss die EZB den Stecker ziehen
Was dann? Vermutlich wird die Europäische Zentralbank dann die schmutzige Arbeit erledigen müssen. Sie muss am Ende den Stecker ziehen. Irgendwann wird sie aufhören, die griechischen Institute mit Liquidität zu versorgen; schließlich wollen und dürfen die Euro-Banker nicht immer größere Risiken eingehen.
Der griechischen Regierung wird in dieser Situation nichts anderes übrig bleiben, als den sofortigen EU-Austritt zu erklären. Nur den Euro zu verlassen und ansonsten in der Europäischen Union zu bleiben, ist nach dem EU-Vertrag nicht möglich. Auch ein Ausschluss aus der Euro-Zone ist vertraglich nicht vorgesehen.
Aber Griechenland braucht eine eigene Währung, wenn die EZB die Refinanzierung der Banken einstellt. Es braucht eine eigene Zentralbank, die die Banken refinanzieren kann und den Zahlungsverkehr wieder ins Laufen bringt.
Griechenland steht dann eine harte Zeit bevor. Inflation und Abwertung werden ruinöse Wirkungen auf die Gesellschaft entfalten. Die Auslandsschulden explodieren. Das Land ist abgeklemmt vom internationalen Kapitalmarkt. Griechenland droht im Chaos zu versinken. Vielleicht hilft die EU mit weiteren Geldern. Vielleicht helfen Russen oder Chinesen, um ihren Einfluss zu erhöhen. So wie die Russen offenbar bereits dem ebenfalls am Rand der Pleite stehenden Zypern mit einem Milliarden-Kredit unter die Arme gegriffen haben.
Sturm auf die Banken in Spanien und Italien?
Für die EZB stellt sich an diesem Punkt die Frage, was anderswo in der Euro-Zone passiert. Ist der Spuk vorbei - Griechenland ausgesondert, Euro-Land stabilisiert, der Unruheherd beseitigt? Oder wird damit der Deal der europäischen Integration gebrochen? Wenn ein Land die EU und den Euro verlassen kann, wer glaubt dann noch an die "immer engere Union der Völker Europas", die der EU-Vertrag verspricht? Geht vielleicht bald Spanien oder Italien? Oder führt gar Deutschland eine eigene Währung ein? Der Raum ist weit für Spekulationen.
Möglich, dass es nach einer Pleite Griechenlands zu einem Sturm auf die Banken in Spanien und Italien kommt, weil deren Gläubiger und Kunden fürchten, nun werde dieses Land als nächstes aus dem Euro ausscheiden - und die dortigen Banken von der Liquiditätsversorgung abgeklemmt.
Das Bröckeln des Euro-Landes könnte eine zerstörerische Eigendynamik entwickeln - aller "Brandmauern" zum Trotz. Eben deshalb haben die G8-Regierungschefs am Wochenende noch einmalGriechenlands Verbleib in der Euro-Zone angemahnt.
Hilfen für Hellas sind das weniger risikoreiche Szenario
Der Europäischen Zentralbank würde dann wohl nichts anders übrig bleiben, als viele Hundert Milliarden in die nun von Kapitalflucht bedrohten Länder zu pumpen. Staatsanleihen kaufen, den Banken Liquiditätshilfen gewähren - wieder wird die EZB die Schmutzarbeit machen müssen. Die Risiken in der Zentralbank-Bilanzen würden immer weiter steigen, die Glaubwürdigkeit der EZB in Sachen Inflationsbekämpfung würde weiter schrumpfen, weil die EZB nun ganz offensichtlich andere Prioritäten hat: die Stabilisierung des Finanzsystems. Umso argwöhnischer würden Nord-Staaten wie Deutschland die Euro-Zone betrachten.
Angesichts dieses Krisenpanoramas erscheint die weitere Unterstützung Griechenlands das am wenigsten risikoreiche Szenario - auch wenn die Stützung fragwürdig, womöglich rechtswidrig, auf jeden Fall aber hochrgradig umstritten sein mag.
Wird Griechenland vor dem Hintergrund dieser Weiterungen tatsächlich den Euro und die EU verlassen müssen? Ich würde nicht darauf wetten.