WTO-Urteil China kassiert Niederlage im Rohstoffstreit

EU und USA atmen auf: China muss die Exportbeschränkungen wichtiger Rohstoffe lockern
Foto: Z1021 Peter Endig/ dpaGenf/Peking - Ohne China kein Smartphone. Auch bei den Tablet-PCs sähe es düster aus. Von Batterien für die neueste Generation umweltschonender Elektroautos oder modernster Waffentechnik ganz zu schweigen. Wie groß die Abhängigkeit der High-Tech-Produzenten vom Reich der Mitte ist, hat die unverhohlene Erleichterung im Westen nach dem Urteil der Welthandelsorganisation (WTO) im Rohstoffstreit mit China erneut deutlich gemacht.
Von einem "enormen Sieg" sprach der US-Handelsbeauftragte Ron Kirk. Als "großen Erfolg" bejubelte EU-Handelskommissar Karel de Gucht, dass Chinas Exportrestriktionen bei einigen Spezialrohstoffen der Industrie von der WTO-Berufungsinstanz in Genf für illegal erklärt wurden.
Nun müsse Peking sich beugen, forderte am Dienstag auch der Bundesverband der Deutschen Industrie. Schließlich seien "alle am Rohstoffhandel beteiligten Länder auf verlässliche Rahmenbedingungen angewiesen". Der Spitzenverband hatte am Montag bekanntgegeben, sich für die Sicherung strategisch wichtiger Rohstoffe auf den Weltmärkten stärker in Stellung bringen zu wollen. Dafür wollen zunächst zwölf Unternehmen den Aufbau einer "Allianz zur Rohstoffsicherung" finanzieren.
Mit dem Urteil bestätigte die WTO eine frühere Entscheidung gegen Chinas Exportbeschränkungen zum Beispiel bei Zink und Bauxit. Die Genfer Organisation, die den freien Welthandel sichern soll, wies mit dem Urteil einen Widerspruch Pekings gegen eine frühere Entscheidung zurück. Die WTO hatte im Juli 2011 einer Beschwerde der USA, der EU und Mexikos Recht gegeben, wonach die von China erlassenen Ausfuhrhürden für bestimmte Rohstoffe gegen WTO-Regeln verstoßen.
Experten hoffen auf Signalwirkung für Seltene Erden
Eine genaue Frist für die angemahnte Umsetzung der Regeln gibt es nicht. Wenn China ihnen aber noch längere Zeit nicht nachkomme, könnte die EU - nach weiteren Schritten - bei der WTO Rückendeckung für eigene Sanktionen beantragen, hieß es am Dienstag aus Kommissionskreisen.
Was Millionen von Otto-Normalverbrauchern unter den Handy-Nutzern der Welt fast völlig vorbeiging, hatte 2009 in den westlichen Industrie-Chefetagen die Alarmglocken schrillen lassen: China kündigte an, die Quoten für neun begehrte Rohstoffe - darunter Mangan, Magnesium, Siliciumcarbid, Baxit, Phosphat und Flussspat - zu drosseln.
Die Begründung erschien nicht unplausibel. Die heimischen Ressourcen müssten geschützt, eine zu hohe Belastung der Natur verhindert werden. Kritiker argwöhnten jedoch sofort, China - immerhin seit 2001 Mitglied der WTO - versuche, die Regeln des freien Welthandels mit einem klaren Ziel zu unterlaufen: Unternehmen im Westen durch Preistreiberei stärker in Abhängigkeit und womöglich zur Verlagerung der Produktion nach China zu bringen, wo die nötigen Rohstoffe natürlich günstiger zu bekommen sind.
Derartiges scheint nun zwar abgewendet, auch wenn China den WTO-Spruch nur mit spürbarem Zähneknirschen zu "respektieren" versprach. Doch die Hoffnungen der mit China heftig konkurrierenden Wirtschaftsmächte USA und EU gehen weit über das Genfer Urteil hinaus. "Viel wichtiger sind uns doch die Seltenen Erden", sagte ein mit der WTO befasster westlicher Diplomat. "Da hoffen wir auf eine Signalwirkung des jetzigen Rohstoff-Urteils."
Druck auf China zur Einhaltung von Handelsregeln wächst
Kaum ein Disput zwischen China und dem Westen bewegt die Gemüter mehr als das Tauziehen um die sogenannten Metalle der Seltenen Erden wie Scandium, Lanthan, Promethium oder Europium. Einige der insgesamt 17 Elemente, die unter dem vereinfachten Begriff Seltene Erden zusammengefasst werden, sind wegen ihrer Bedeutung für die Computer- und Kommunikationsindustrie zum Synonym für Zukunftsfähigkeit geworden.
China ist mit einem Marktanteil von mehr als 90 Prozent der größte Produzent der Seltenen Erden. Auch hier begründet die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt die Verringerung der Ausfuhrquoten seit 2010 mit dem Schutz begrenzter Vorkommen und der Umwelt sowie mit einer Konsolidierung der Rohstoffindustrie.
Mit der jetzigen Entscheidung von Genf wächst in wirtschaftlichen Krisenzeiten der Druck auf China, sich besser an internationale Handelsregeln zu halten. Auch im Wahlkampf in den USA werden die Stimmen lauter, Peking gegenüber die Muskeln spielen zu lassen.
China dürfte sich an Genfer Vorgaben halten
Angesichts dessen demonstrieren die Chinesen Gelassenheit: Die WTO-Entscheidung werde sorgfältig geprüft, und man werde die "wissenschaftliche Verwaltung von Rohstoffen fortsetzen - auf der Grundlage der WTO-Regeln, um eine nachhaltige Entwicklung zu sichern", ließ das Handelsministerium in Peking verlauten.
Aufgrund bisheriger Erfahrungen gehen Beobachter aber davon aus, dass sich China an die Vorgabe aus Genf halten wird. Es wurde auch damit gerechnet, dass China den Streit vor dem bevorstehenden Besuch von Vizepräsident Xi Jinping am 14. Februar in Washington nicht eskalieren will: Nichts soll den Antrittsbesuch des künftigen Staats- und Parteichefs trüben, der im Herbst in Peking das Ruder übernehmen soll.
In Deutschland hat die Industrie die Zeichen der Zeit erkannt - und gerade erst konkrete Schritte für eine "Allianz zur Rohstoffsicherung" beschlossen. Ein Dutzend zumeist großer deutscher Industriekonzerne wollen ein Gemeinschaftsunternehmen gründen, um auf Dauer die Versorgung mit wichtigen Rohstoffen aus dem Ausland sicherzustellen.
Die Initiative ist für weitere Partner aus der deutschen Wirtschaft offen und will sich an Projekten zur Erkundung, Erschließung und Förderung von Rohstoffen beteiligen. Die deutsche Industrie reagiert mit dieser Initiative auf zunehmende Befürchtungen einer Rohstofflücke in naher Zukunft.