Schuldenkrise Deutscher Druck auf Griechen steigt

Griechenlands Schuldenkrise ist noch immer nicht gebannt. Deutschland prüft den Einsatz von EU-Sparkontrolleuren, was die Griechen wütend zurückweisen. Knapp vor dem EU-Gipfel in Brüssel ermahnt Bundesfinanzminister Schäuble die Hellenen zu weiteren Reformen.
Griechische Fahnen in Athen: Wütende Proteste nach deutschem Sparkommissar-Vorschlag

Griechische Fahnen in Athen: Wütende Proteste nach deutschem Sparkommissar-Vorschlag

Foto: dapd

Athen/Berlin - Die Lage in Griechenland läuft zunehmend aus dem Ruder, nun will die Bundesregierung Athen hart an die Kandare nehmen: Berlin sorgt mit dem Vorschlag für Aufregung, Griechenland sollte für einen gewissen Zeitraum die Souveränität über seinen Haushalt abgeben. Ein Beauftragter der EU könnte alle größeren Ausgaben Griechenlands überwachen und dafür sorgen, dass dem Schuldenabbau absoluter Vorrang eingeräumt wird. Aus Brüssel kam ein klares Nein zu diesen Überlegungen, in Athen kochte am Wochenende Empörung hoch.

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) verteidigte die Forderung nach mehr Kontrolle. "Wir brauchen bei der Umsetzung des Reformkurses mehr Führung und Überwachung. Wenn dies den Griechen nicht selbst gelingt, müssen Führung und Überwachung stärker von außen kommen, zum Beispiel durch die EU", sagte er der "Bild"-Zeitung (Montag). Rösler zeigte sich unzufrieden mit dem Stand der Reformen in Griechenland. Die Geduld mit dem Land "neigt sich deutlich dem Ende zu. Die Zeit läuft. Weitere Hilfen kann es nur geben, wenn die griechische Regierung die notwendigen Reformen endlich umsetzt."

Griechenland müsse die volle Regierungsverantwortung behalten, betonte hingegen die EU-Kommission. "Verwaltende Aufgaben müssen weiterhin voll in der Verantwortung der griechischen Regierung liegen, die gegenüber ihren Bürgern und Institutionen verantwortlich ist. Diese Verantwortung liegt auf ihren Schultern und so muss es bleiben", teilte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn am Samstag in Brüssel mit.

Zuvor war in Berliner Regierungskreisen ein Berichte der "Financial Times" bestätigt worden, in der Euro-Gruppe werde ein informelles Papier diskutiert, das im Gegenzug für weitere Hilfen eine scharfe Überwachung der griechischen Finanzen fordert. Ein EU-Kontrolleur solle alle größeren Ausgaben Griechenlands genehmigen. Zudem müsse Athen gesetzlich festlegen, dass Staatseinnahmen zuerst für den Abbau der Schulden verwendet würden. Die "Welt am Sonntag" berichtete, sollte sich die Bundesregierung mit ihren harten Forderungen durchsetzen, sollten die Vorschläge am Montag in die Abschlusserklärung des EU-Gipfels aufgenommen werden.

Wütende antideutsche Berichte in Griechenland

Athen reagierte mit klarer Ablehnung, in zahlreichen Medien gab es wütende anti-deutsche Berichte. Finanzminister Evangelos Venizelos ließ mitteilen: "Wer das Volk vor das Dilemma Finanzhilfe oder nationale Würde stellt, ignoriert historische Lehren". Aus Regierungskreisen hieß es knapp, darüber werde nicht geredet. Bildungsministerin Anna Diamantopoulou betonte, das sei eine "krankhafte Fantasie, egal wer sie hat".

Griechenlands Regierung und Bankenvertreter hatten ihre Gespräche über einen Schuldenschnitt am Samstag zunächst unterbrochen. Wie ein Sprecher des Internationalen Bankenverbandes IIF erklärte, könnten die Gespräche aber wohl in dieser Woche abgeschlossen werden. Die privaten Gläubiger seien "nahe am Abschluss eines freiwilligen Schuldenschnitts", hieß es. "Wir sind wirklich einen Schritt vor einer endgültigen Einigung", beteuerte auch Venizelos.

Kurz vor dem EU-Gipfel in Brüssel hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble Griechenland zu weiteren Reformen aufgefordert. Die Europäer seien bereit, Griechenland beizustehen, sagte Schäuble dem Nachrichtenportal "Wall Street Journal Deutschland" in einem am Sonntagabend veröffentlichten Interview. "Aber wir können nicht ersetzen, dass Griechenland diese Maßnahmen umsetzen muss."

Ohne Reformen sieht Schäuble dem Bericht zufolge keinen Sinn in weiteren Finanzhilfen. "Dann gibt es gar keine Summe Geld, die das Problem lösen kann", wurde der CDU-Politiker zitiert. Die Probleme in Griechenland seien ohne starke Anpassungen nicht zu bewältigen. Dafür brauche das Land möglicherweise unterstützende Maßnahmen der anderen Länder, sagte Schäuble dem Bericht zufolge. "Vielleicht müssen wir auch im Kreise der Partner darüber nachdenken, wie man den Griechen bei dieser schwierigen Aufgabe noch enger zur Seite stehen kann", sagte der Minister.

Zweifel an Griechen-Rettung wächst in Deutschland

Zu einer geforderten stärkeren Beteiligung öffentlicher Geldgeber äußerte sich Schäuble zurückhaltend. "Wir dürfen nicht vergessen, dass der öffentliche Sektor - also die Steuerzahler in den Ländern der Eurozone - seit 2010 Griechenland mit vielen Milliarden zur Seite steht und dies auch in Zukunft tun wird", mahnte er. Der gegenwärtig verfolgte Ansatz sei ausgewogen.

Die Staats- und Regierungschefs der EU wollen bei ihrem informellen Gipfel am Montag in Brüssel unter anderem schärfere Regeln zum Schuldenabbau vereinbaren und zugleich Wege zu mehr Wachstum erkunden. Die Rettung Griechenlands ist offiziell kein Thema, dürfte aber angesichts der parallel laufenden Verhandlungen mit privaten Gläubigern über einen Forderungsverzicht am Rande zur Sprache kommen. Zudem sorgt ein deutscher Vorstoß für Aufsehen, Griechenland als Bedingung für weitere Hilfen bestimmte Budgetrechte abzuerkennen.

Der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) bezweifelt, dass das finanziell angeschlagene Griechenland zu retten ist. "Als deutscher Finanzminister würde ich mich auf einen Plan B vorbereiten", sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Montag). Man dürfe die Insolvenz und das Ausscheiden aus der Eurozone nicht herbeireden. "Aber man muss auch diesen Fall einkalkulieren." Für Steinbrück steht fest: "Es dürfte sehr schwierig werden, die Konsolidierungsziele in Griechenland zu erreichen. Die Europäer werden die vereinbarten Voraussetzungen zurechtbiegen müssen, um den nächsten 130-Milliarden-Euro-Schirm zu bewilligen."

Merkel weiterhin gegen ESM-Aufstockung

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hat sich vor dem EU-Finanzgipfel für eine Aufstockung des Euro-Rettungsfonds ESM ausgesprochen. Der dauerhafte Rettungsmechanismus im bisher geplanten Umfang von 500 Milliarden Euro sei "zu knapp gestrickt", sagte Steinmeier der "Welt am Sonntag". Deutschland müsse sich mehr engagieren.

"Ganz Europa ist mit der gegenwärtigen Situation überfordert - vorneweg die Länder, die kaum noch über die Runden kommen", sagte er. "Die Beanspruchung Deutschlands ist hoch, aber als größte Volkswirtschaft und stärkste Exportnation haben wir auch das größte Interesse daran, dass diese Krise nicht in eine gesamteuropäische Dauerrezession mündet." Steinmeier: "Es kann Deutschland auf Dauer nicht gut gehen, wenn es Europa schlecht geht."

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist bisher gegen eine Aufstockung des dauerhaften Euro-Rettungsschirms ESM, der Anfang Juli mit einem Kreditrahmen von 500 Milliarden Euro starten soll. Die EU-Staats- und Regierungschef treffen sich an diesem Montag in Brüssel.

wed/dpa-afx/rtr
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