Großarbeitgeber Deutscher Abenteurer wird Ruandas Vorbildboss

Dubai und Singapur dienen als Vorbild: "Vision 2020" heißt das überehrgeizige Konzept von Präsident Paul Kagame für Ruandas aufstrebende Hauptstadt Kigali
Foto: CorbisKigali - Wer vor fünf Jahren in Ruandas Hauptstadt Kigali in ein Taxi stieg und als Ziel "La Galette" angab, musste dazu einen Straßennahmen nennen. Schon zwei Jahre später war das nicht mehr nötig. Heute fragt der Taxifahrer lakonisch: "Hauptgeschäft oder Filiale?" Und wenn man ankommt, werden einem noch "Grüße an Mike" mit auf den Weg gegeben.
Mike ist Michael Fietzek, Unternehmer, Weltreisender, Autohändler, Abenteurer und noch vieles mehr. Das La Galette ist sein Unternehmen und vielfältig wie der Besitzer. Es ist deutsche Bäckerei, Metzgerei, Delikatessenladen und Restaurant in einem. Eine brummende Adresse im aufstrebenden Kigali.
Die Hauptstadt des nach dem Genozid in wirtschaftlichen und zivilisatorischen Trümmern liegenden Landes, wächst seit einigen Jahren in einem enormen Tempo: Schneller, höher, weiter, lautet die Parole der ruandischen Regierung unter Präsident Paul Kagame. "Vision 2020" heißt das überehrgeizige Konzept, demzufolge Kigali in einem Jahrzehnt eine hypermoderne Stadt mit Wolkenkratzern, Stadtautobahnen, Hochbrücken und Glasfronten sein soll. Dubai, Singapur, sind die städtebaulichen Vorbilder, und auch wirtschaftlich strebt Ruanda diesen Ländern nach. Will Dreh- und Angelpunkt für Geldtransfer und Informationstechnologie in Ostafrika sein.
Noch klafft zwischen hochtrabenden Plänen und Realität eine große Lücke, doch der Wille ist groß, den überbevölkerten, rohstoffarmen und landumschlossenen Staat auf eigene Beine zu stellen. Kagame ist ein vehementer Kritiker westlicher Entwicklungshilfe für Afrika, und auch wenn diese Hilfe bislang einen beträchtlichen Teil des Staatsbudgets ausmacht, betont er manchmal zornig, dass ihm chinesische Investoren lieber sind als europäische Almosenverteiler.
Zum Frühstück trifft sich der ruandische Mittelstand
Als Fietzek sein La Galette im Jahr 1996 als kleine Bäckerei eröffnete, war von dem kommenden Boom und Ehrgeiz noch wenig zu spüren. Ruanda war ein zutiefst traumatisiertes Land und damit beschäftigt, Abertausende von Völkermördern zu verurteilen und damit den Opfern Gerechtigkeit zukommen zu lassen. Doch in dem Maße, wie Ruanda wieder auf die Beine kam und sich das Konsumbedürfnis langsam steigerte, wuchs auch das La Galette zur Großbäckerei und beliebtem Restaurant. Schon zum Frühstück trifft sich dort nicht nur die Expatriat-Gemeinde, sondern zunehmend auch der neu entstandene ruandische Mittelstand. Inzwischen beschäftigt Fietzek 120 Mitarbeiter.
Der heute 67-Jährige entbrannte für den afrikanischen Kontinent, als er von 1965 bis 1969 nach Südafrika ging und sich dort mit vielen Jobs durchschlug. "Damals war das nur Abenteuer". Nach Deutschland kehrte er per Auto zurück: einmal quer durch den afrikanischen Kontinent, dann durch Arabien, Osteuropa und schließlich wieder ins heimische Köln. "Aber die Sehnsucht nach Afrika blieb." Mitte der 80er Jahre kehrte er nach Afrika zurück, ging in den ostafrikanischen Kleinstaat Burundi, weil ein Freund damals dort Handel betrieb.
Wie es dann weiterging erzählt Michael Fietzek gerne in recht nüchternem Ton. Dabei bietet seine Lebensgeschichte Stoff für einen Hollywood-Schinken über harte Männer und grausame Kriege. Burundi in den 90ern war ein von politischen Umstürzen und Spannungen, von Kämpfen zwischen Hutu und Tutsi und von internen Machtkämpfen dieser beiden Gruppen zerrissenes Land. 1987 gab es einen erneuten Putsch, wer fliehen konnte, floh, nur Fietzek blieb. Die internationalen Hilfsorganisationen ließen ihre Fahrzeuge zurück, Fietzek kaufte sie ihnen ab und begann einen Automobilhandel, pendelte zwischen Burundi, Ruanda und dem Kongo hin und her.
Im April 1994 begann das große Morden in Ruanda, die 100 Tage des Völkermordes, an dessen Ende im ganzen Land Leichenberge lagen und Tausende Täter in den Ostkongo flohen. Wieder blieb Fietzek und fuhr Fernsehteams hin und her, organisierte Fahrer, Dolmetscher und Informanten für die internationale Presse, die ins Land kam. "Hautnah habe ich alles miterlebt. Es war eine harte Zeit." Viel mehr will Michael Fietzek heute nicht mehr zu dem Thema sagen. Er erinnere sich ungern an die Einzelheiten. Aber wie er denn überlebt habe, will man wissen, im Kopf die Erzählungen des kanadischen Autors , der ebenfalls zu jener Zeit in Kigali war, und in seinem Roman "Ein Sonntag am Pool in Kigali", in beklemmender Weise das Abschlachten an den Straßensperren erzählt. Fietzek zuckt mit den Schultern. " Man hat mir eben nichts getan."
Großbäckerei, Großmetzgerei, Steakhaus
Auch nach dem Ende des Völkermordes war Fietzek in Ruanda der Mann, den man brauchte, um im unübersichtlichen Gemisch von Rebellen, fliehenden Mördern, aus dem Exil zurück kehrenden Siegern und neuen internationalen Hilfsscharen einen Weg zu finden. Erst als sich die Situation 1996 wieder einigermaßen beruhigt hatte, brachte Fietzek deutsche Backwaren in den Umlauf.
Man sieht ihm seine 67 Jahre nicht an. Wenn er morgens im La Galette mal an diesem, mal an jenem Tisch sitzt und mit den Gästen plaudert, hält man ihn für einen Mann in der Blüte der Jahre. Fietzeks Ehefrau ist mehr als 30 Jahre jünger als er, sein Sohn jetzt zwölf Jahre alt, von Ruhestand ist Fietzek noch weit entfernt. Demnächst plant er, das La Galette um ein Steakhaus zu erweitern. Die Bäckerei hat sich auch auf Hochzeitstorten spezialisiert, selbst eine Torte mit Springbrunnen ist im Angebot. Butter lässt Fietzek aus Deutschland einfliegen, neuerdings kann er sein Mehl in Ruanda beziehen, vorher kaufte er in Tansania. Fisch und Fleisch werden aus dem benachbarten Uganda eingeflogen.
"Das ist eine gute Zeit, um in Ruanda zu investieren, gerade für Mittelständler bieten sich viele Chancen im Industriebereich. Man muss nur wissen, dass es hier viele Regeln gibt. Es ist nicht wie anderswo in Afrika, wo man einfach kommen und machen kann. Das hat viele Vorteile, weil man als Investor Sicherheit und Gesetze hat. Aber man muss sich eben auch an die Gesetze halten."