Spitzentreffen China/USA Kleine Nettigkeiten, knallharte Konflikte

Bei seinem jüngsten US-Besuch wurde Chinas Staatschef Hu Jintao noch mit einem Mittagessen abgespeist. Inzwischen haben sich die Gewichte verschoben. Obama und Hu werden viele Nettigkeiten austauschen, doch die Konflikte der alten und der neuen Supermacht verschärfen sich. 
US-Präsident Barack Obama, Chinas Staatspräsident Hu Jintao: Erstes Treffen auf Augenhöhe

US-Präsident Barack Obama, Chinas Staatspräsident Hu Jintao: Erstes Treffen auf Augenhöhe

Foto: TIM SLOAN/ AFP

Hamburg Monatelang wurde dieses Treffen von großen Stäben der beiden mächtigsten Männer der Welt akribisch vorbereitet. Heute Nachmittag amerikanischer Ortszeit ist es nun endlich soweit: Chinas Staatspräsident (und KP-Chef) Hu Jintao wird auf der Andrew Air Force Base nahe Washington zu einem - so Hu Jintao - "der wichtigsten Gipfeltreffen der vergangenen 30 Jahre" einschweben.

Hus Visite wird ein Staatsbesuch mit viel Pomp und Symbolik werden. Am Abend wird Hu im kleine Kreis mit Barack Obama, Hillary Clinton und Sicherheitsberater Tom Donilon im Old Family Dining Room des Weißen Hauses speisen. Am Mittwochabend wird es dann in einem viel größeren und viel festlicherem Rahmen ein Staatsbankett geben. Gerade dieses war ganz wichtig für Hu, denn bei seinem letzten US-Besuch 2006 wurde er von George W. Bush noch mit einem Mittagessen abgespeist.

Diesmal ist vieles anders als vor vier Jahren, nicht nur die Symbolik. Denn es hat sich viel verändert seither. Ausgelöst von der US-Banken- und Immobilienkrise legte sich eine tiefe Rezession über die Vereinigten Staaten. Die USA sitzen inzwischen auf einem gigantisch hohen Schuldenberg. Hinzu kommt die Schmach der Amerikaner sowohl in Afghanistan als auch im Irak, wo sie jeweils nur mäßig erfolgreich waren. Die USA sind ökonomisch und militärisch in einer Krise, und auch politisch (durch die aufmüpfige Tea Party) inzwischen tief gespalten.

Ganz anders China. Die Wirtschaft boomt weiter mit Wachstumsraten zwischen 8 und 10 Prozent. Die Währungsreserven steigen und steigen. Aktueller Stand: 2,85 Billionen Dollar. Geld ist im Überfluss da, auch für die Aufrüstung.

Absteiger USA, Aufsteiger China

So begegnen sich bei diesem Gipfeltreffen die Vertreter zweier Mächte, die aus unterschiedlichen Richtungen kommen. Absteiger Amerikaner von oben, Aufsteiger China von unten. Ein selbstbewusstes China trifft auf ein verunsichertes Amerika. Das ist eine völlig neue Konstellation - vor allem für die Amerikaner. Zum ersten Mal seit dem Ende des Kalten Krieges begegnet ihnen jemand auf Augenhöhe.

Das ist ungewohnt für die Amerikaner. Sie wissen deshalb nicht, wie sie mit dem neuen Rivalen umgehen sollen. Sollen sie ihn umarmen oder erdrücken? Oder - wie es im US-Politjargon heißt - sollen sie sich für "Engagement" oder "Containment" (Eindämmung) Chinas entscheiden?

Wie seine Vorgänger Bill Clinton und George W. Bush hat auch Barack Obama keinen klaren Kurs gegenüber China. Zu Beginn seiner Amtszeit versuchte er es mit einem Schmusekurs, dann - als die neue Liebe von den Mächtigen in Beijing nicht so richtig erwidert wurde - ging er auf eher kritische Distanz zu ihnen.

Jede Menge Nettigkeiten - trotz der US-Waffenlieferungen an Taiwan

Bei ihrem bevorstehenden Treffen werden Hu und Obama sicher viele Nettigkeiten austauschen. Hu kommt Obama sogar entgegen und fliegt nach seiner Washington-Visite in Obamas Heimatstadt Chicago. Beide werden - wie immer bei solchen Anlässen - jede Menge Verträge - vor allem über erneuerbare Energien - unterschreiben.

Doch die großen Probleme, die zwischen den beiden Nationen bestehen, werden die zwei mächtigsten Männer der Welt nicht in drei Tagen lösen können. Zu unterschiedlich sind die Interessen bei den wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Streitpunkten.

Politisch dominiert das Taiwan-Problem. Auch wenn sich seit einiger Zeit das Verhältnis der Volksrepublik zur "abtrünnigen Provinz" Taiwan sehr entspannt hat - es gibt regelmäßige Konsultationen zwischen Beijing und Taipeh, und es wurden inzwischen Direktflüge etabliert - , regen die regelmäßigen Waffenlieferungen der Amerikaner an Taiwan die Chinesen mächtig auf. Die nächste Lieferung der Amerikaner ist schon geplant, enthüllte rechtzeitig zum Staatsbesuch die "Washington Post".

Chinas Angst vor Umzingelung - auch der Rüstungsetat steigt kräftig

Chinas Rüstungsetat steigt jedes Jahr um 15 Prozent

China reagiert nicht nur wegen Taiwan mit einer kontinuierlichen Aufrüstungspolitik. Seit Jahren steigt der Rüstungsetat jährlich um 15 rund Prozent. Daran wird sich auch in den kommenden Jahren nichts ändern. Geplant sind Flugzeugträger und Tarnkappenbomber. Der J-20 machte gerade beim China-Besuch des US-Verteidigungsminister Robert Gates - Zufall oder nicht - seinen Jungfernflug.

China wird sein Arsenal nicht zu einer Expansion einsetzen. Chinas Führung hat aber panische Sorgen, dass es von seinen Öllieferungen, die zum größten Teil per Schiff durch die Strasse von Malakka kommen, abgeschnitten werden könnte. Um diese notfalls zu sichern, rüstet China - bislang klar eine Landstreitmacht - vor allem zur See auf. Außerdem haben die Chinesen eine diffuse Angst vor einer Umzingelung durch die Amerikaner und ihrer Verbündeten. Im Osten sind es Taiwan und Japan, im Südosten einige Asean-Länder, im Westen Indien, das derzeit von den Amerikanern sehr hofiert wird.

Währungsstreit: China wird sich Tempo der Aufwertung nicht diktieren lassen

Zu diesen militärisch-strategischen Konflikten gesellt sich ein weiterer, und zwar ökonomischer Dauerstreit: Die chinesische Währung Yuan. Sie sei um 20 bis 50 Prozent unterbewertet, wettern viele amerikanische Politiker - allen voran der Scharfmacher im Congress, Charles E. Schumer. China müsse deshalb aufwerten. Beijing tut das auch, aber nur in kleinen Schritten. Aus amerikanischer Sicht freilich in viel zu kleinen Schritten. Aber China wird sich das Tempo der Aufwertung des Yuan nicht von den Amerikanern diktieren lassen.

China fühlt sich auch in der Währungsfrage in einer starken Position. So stark, dass Hu Jintao Anfang der Woche in einem schriftlichen Interview mit der "Washington Post" sogar die Führungsrolle des Dollars als globale Reservewährung in Frage stellte.

Der Staatsbesuch Hus wird sicher eine atmosphärische Entspannung zwischen den beiden Präsidenten bringen, aber man sollte sich von den schönen harmonischen Bildern aus Washington und Chicago nicht blenden lassen: Die Probleme zwischen der alten Supermacht USA und der neuen Supermacht China werden weiter schwelen.

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