Wirtschaftssanktionen Was der Swift-Ausschluss Russlands für Folgen hat

SWIFT Zahlungssystem: Über die BIC (Bank Identifier Code) wird jede Bank im internationalen Zahlungsverkehr identifiziert
Foto: Fredrik von Erichsen/ picture alliance / dpaEin Ausschluss aus dem internationalen Zahlungssystem SWIFT gilt als das schärfste Schwert, das der Westen als Wirtschaftssanktion gegen Russland ziehen kann. Es ist jedoch zweischneidig: Die wirtschaftlichen Folgen wären nicht nur in Russland gravierend, sondern auch in Westeuropa. Zudem würde die Abkopplung Russlands und Chinas vom US-Dollar beschleunigt - beide Länder arbeiten bereits an konkurrierenden Zahlungssystemen. Die wichtigsten Fragen zu SWIFT und zu den möglichen Folgen der Sanktionen im Überblick.
Was ist Swift?
Die Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication, kurz Swift, ist der Kommunikationskanal der internationalen Finanzwelt. 1973 gegründet, verbindet die Organisation mit Sitz in Belgien mehr als 11.000 Banken in über 200 Ländern weltweit. Die Organisation befindet sich im genossenschaftlichen Besitz der Banken und unterliegt dem EU-Recht.
Die Organisation erfüllt eine zentrale Rolle in der Finanzwelt: Wer über Grenzen hinweg Geld überweisen will, kommt um Swift nicht herum. Jeder Bankkunde kommt über den Bank Identifier Code (BIC) auf seiner Plastikkarte damit in Berührung. Die Buchstabenkombination ist die internationale Bankleitzahl und damit die eindeutig identifizierbare Swift-Adresse. Diese ist bei grenzübergreifenden Überweisungen einzugeben. Der Zahlungsempfänger hat damit die Sicherheit, dass die Bank Teil eines weltweiten Netzwerks ist und dass es sich hier um eine seriöse Adresse handelt. Neben Banken verwenden auch Händler von Rohstoffen, Wertpapieren und Edelmetallen sowie Konzerne das Finanznetzwerk.
Die Swift-Nachricht dient dabei der Kommunikation - die Überweisung selbst rechnen die Banken unabhängig ab. Jeden Tag versendet Swift rund 42 Millionen solcher Nachrichten und ist somit ein Grundpfeiler des internationalen Zahlungsverkehrs.
Die Genossenschaft versteht sich als politisch neutral und trifft somit keine Sanktionsentscheidungen. Da das Unternehmen nach belgischem Recht gegründet wurde, muss es sich an die EU-Verordnungen halten. Allerdings unterliegt die Führung vor allem US-Banken unter amerikanischer Rechtsprechung. Die USA könnten außerdem über das operative Zentrum Druck auf SWIFT ausüben. Eines der wichtigsten Datenzentren von SWIFT befindet sich im US-amerikanischen Virginia, da ein Großteil aller Swift-Geschäfte in Dollar erfolgt.
Welche Auswirkungen hat ein Ausschluss für das betroffene Land?
Für die Wirtschaft eines betroffenen Landes hat ein Ausschluss aus dem Swift-Verfahren gravierende Folgen. Denn Banken sind dann nicht mehr in der Lage, mit Geldhäusern in anderen Ländern zu kommunizieren. Der erschwerte Zugang zum internationalen Finanzmarkt verlangsamt Zahlungs- und Warenströme oder verhindert sie sogar ganz. Für Unternehmen, die Geschäfte im sanktionierten Land betreiben, entstehen enorme Kosten und möglicherweise hohe Kreditausfälle. So wird die Wirtschaft des sanktionierten Landes hart getroffen. Doch auch die ausländischen Firmen, die vor Ort tätig sind, nehmen Schaden.
Drei Länder hat es bereits getroffen. Im März 2012 wurden mit den iranischen Banken erstmals einzelne Institute vom SWIFT-Netzwerk ausgeschlossen. Der Iran landete wegen seines Nuklearprogramms auf der Sanktionsliste. So verbot die EU der SWIFT Genossenschaft per Verordnung, den sanktionierten iranischen Banken ihre Dienste bereitzustellen. Im Januar 2016 hob die EU die Sanktionen wieder auf.
Nur zwei Jahre später verhängten die USA Sanktionen gegen Iran und sperrten den Banken somit erneut den Zugang zum Zahlungsnetzwerk. Auch Banken in Afghanistan haben seit der Machtübernahme der Taliban 2021 keinen Zugang mehr zu SWIFT. Dies ist auch für zahlreiche Hilfsorganisationen, die in Afghanistan humanitäre Hilfe leisten, derzeit ein großes Problem.
Dass ein ganzes Land ausgesperrt wurde, gab es bislang nur einmal. SWIFT schloss 2017 Nordkorea aus dem Netzwerk aus, nachdem das Land wegen wachsender Besorgnis um sein Atomprogramm auf der schwarzen Liste stand. Nordkorea reagierte mit Cyber-Attacken auf westliche Unternehmen und Institutionen. Ähnliche Schritte könnte auch Russland unternehmen.
Was genau wurde nun beschlossen?
Nach Angaben der Bundesregierung werden von Swift all diejenigen rusischen Banken ausgeschlossen, die bereits von der internationalen Gemeinschaft sanktioniert sind. Seit Mittwoch ist bereits ein erstes EU-Sanktionspaket in Kraft, das sich unter anderem gegen drei russische Banken richtet, darunter die beiden größten russischen Banken Sberbank und VTB.
Soweit erforderlich könnten aber auch weitere russische Banken von Swift ausgeschlossen werden, teilte die Bundesregierung mit. Damit sollten die Institute "von den internationalen Finanzströmen abgeklemmt werden, was ihr globales Agieren massiv einschränken wird". Beschlossen wurde dies demnach am Samstagabend gemeinsam mit den USA, Frankreich, Kanada, Italien, Großbritannien und der EU-Kommission. Außerdem wird die russische Zentralbank weiter darin eingeschränkt, mit internationalen Finanzgeschäften den Kurs des Rubel zu stützen.
Welche Folgen werden für Deutschland erwartet?
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Vizekanzler Robert Habeck (beide Grüne) hatten im Vorfeld betont, dass mit Hochdruck daran gearbeit werde, "wie die Kollateralschäden einer Abkopplung von Swift so eingegrenzt werden können, dass sie die Richtigen trifft". Denn in Deutschland hatte es zuletzt insbesondere Befürchtungen gegeben, dass im Falle eines Swift-Ausschlusses "eine hohe Gefahr" bestehe, dass die Bundesrepublik "nicht mehr mit Gas, nicht mehr mit Rohstoffen versorgt wird", wie Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) noch am Donnerstagabend gewarnt hatte.
Vor allem die Erdöl- und Erdgaslieferungen aus Russland sind für viele westliche Handelspartner von entscheidender Bedeutung: Sie müssten rasch Ersatzlösungen finden, um ihre Energieversorgung aufrechtzuerhalten. Viele Waren und Energie würden durch die Sanktionen verteuert, die Inflation würde weiter steigen. Aus diesem Grund sehen Beobachter einen Swift-Ausschluss Russlands als zweischneidiges Schwert, das auch die westliche Wirtschaft hart trifft. Die stark steigenden Energiepreise und die Angst vor Sanktionen im internationalen Zahlungsverkehr sorgen bereits jetzt für erhebliche Unruhe an den Finanzmärkten. SWIFT-Sanktionen gegen Russland hätten damit auch große Kollateralschäden in Westeuropa.
Nach dem Swift-Ausschluss russischer Banken sagte DIHK-Präsident Peter Adrian nun den Zeitungen der Funke Mediengruppe, dass dies "natürlich auch spürbare Rückwirkungen auf uns hier in Deutschland haben" werde. Auch die Folgen für die Energieversorgung müssten genau im Blick behalten werden.
In Russland allerdings werde die Strafmaßnahme eine "sehr starke und schnelle Wirkung" entfalten, wenn das russische Finanzsystem einschließlich der Notenbank isoliert werde, fügte er hinzu.
Welche Auswirkungen könnte ein Ausschluss Russlands noch haben?
Die Forderungen nach einem Swift-Ausschluss Russlands sind nicht neu: Bereits nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 wurde der Schritt in Erwägung gezogen. Schon damals bestand aber die Sorge, dass Russland sich weiter abschotten und sich beispielsweise enger an China binden könnte.
Beide Staaten haben bereits eigene Zahlungssysteme aufgebaut, um sich von Swift unabhängig zu machen. Das russische System for Transfer of Financial Messages (SPFS) verbindet zwar erst rund 400 fast ausschließlich russische Banken. Ein Ausschluss aus dem Swift-Verfahren dürfte dieser Initiative aber neue Dringlichkeit verleihen.
Wichtigster Partner von SPFS ist China, dessen eigenes grenzüberschreitendes Interbank-Zahlungssystem Cips (Cross-Border Interbank Payment System) mit dem russischen SPFS verbunden ist. China wie Russland haben ein starkes Interesse daran, ihre eigenen Zahlungssysteme möglichst rasch international zu etablieren.
Russland und China rücken in Zeiten der Krise enger zusammen. Beide haben das Ziel, ihre wirtschaftliche Abhängigkeit vom US-Dollar zu verringern und ein Zahlungssystem zu schaffen, das nicht mehr vom Westen dominiert wird. Ein Ausschluss aus SWIFT dürfte Russland zwar kurzfristig wirtschaftlich belasten, aber gleichzeitig wie ein Turbo für die eigenen Systeme SPFS und Cips wirken.