Verdacht der Steuerhinterziehung Razzia beim Deutschen Fußballbund

Ermittler durchsuchen die Frankfurter DFB-Zentrale und Privatwohnungen von Funktionären. Es geht um den Verdacht der Steuerhinterziehung in Exklusivdeals über Werbung für Adidas und Mercedes-Benz.
Polizisten vor der DFB-Zentrale in Frankfurt am Main am Mittwochmorgen

Polizisten vor der DFB-Zentrale in Frankfurt am Main am Mittwochmorgen

Foto: KAI PFAFFENBACH / REUTERS

Wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main am Mittwoch die Geschäftsräume des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sowie Privatwohnungen von DFB-Verantwortlichen durchsucht. An den Durchsuchungen in Hessen, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz waren insgesamt rund 200 Beamte beteiligt, wie die Staatsanwaltschaft Frankfurt mitteilte. Neben Staatsanwälten waren Beamte der Steuerfahndung, des Bundeskriminalamtes und der Bundespolizei im Einsatz.

Die wegen des Verdachts der fremdnützigen Hinterziehung von Körperschafts- und Gewerbesteuern in besonders schweren Fällen geführten Ermittlungen richten sich den Angaben zufolge gegen sechs ehemalige und gegenwärtige Verantwortliche des DFB. Ihnen werde zur Last gelegt, Einnahmen aus der Bandenwerbung von Heimländerspielen der Fußball-Nationalmannschaft aus den Jahren 2014 und 2015 bewusst unrichtig deklariert zu haben, damit der DFB einer Besteuerung in Höhe von etwa 4,7 Millionen Euro entging.

DFB-Präsident Fritz Keller (62), der erst seit 2019 im Amt ist, sagte den Behörden die Unterstützung des Verbandes zu: "Ich bin angetreten für volle Transparenz, und ich bin für Aufklärung, um einfach eine saubere Zukunft für den Fußball zu haben", sagte er am Mittwoch in Berlin.

Namen der Verdächtigen nannte die Behörde nicht. Präsident des größten Sportfachverbandes der Welt war damals Wolfgang Niersbach (69), der wegen des immer noch nicht restlos aufgeklärten "Sommermärchen"-Skandals um die WM 2006 dann zurücktrat. Niersbach sagte allerdings dem Sportinformationsdienst, dass es bei ihm keine Durchsuchung gegeben habe. Die Wohnung von Niersbachs Nachfolger Reinhard Grindel (59) war einem Bericht von "Bild" zufolge ebenso von den Razzien betroffen wie das Haus des ehemaligen DFB-Vizes und zweimaligen kommissarischen Präsidenten, Reinhard Rauball (75), sowie von drei aktuellen Funktionären des Verbandes.

"Nach den bisherigen Ermittlungen besteht der Verdacht, dass die Beschuldigten von dieser steuerlichen Unrichtigkeit wussten, sie aber bewusst wählten, um dem DFB hierdurch einen Steuervorteil von großem Ausmaß zu ermöglichen", erklärte Oberstaatsanwältin Nadja Niesen in der Pressemitteilung.

Deal zugunsten von Daimler und Adidas

"Durch Vertrag vom 11. Dezember 2013 soll der DFB die Rechte zur Vergabe der Werbeflächen in den Spielstätten von Länderspielen der Fußballnationalmannschaft für den Zeitraum 2014 bis 2018 an eine schweizerische Gesellschaft verpachtet haben. Dieser Gesellschaft soll allerdings bei der Auswahl der Werbepartner kein Handlungsspielraum verblieben sein", hieß es in der Erklärung der Staatsanwaltschaft: "Vielmehr soll sie sich verpflichtet haben, die Exklusivität des Generalsponsors und des Generalausrüsters der Nationalmannschaft zu berücksichtigen und keine Rechte an deren Konkurrenten zu vergeben. Stattdessen soll der DFB trotz der Verpachtung der Rechte über seine Sponsorenverträge aktiv bei der Vergabe der Bandenwerbeflächen mitgewirkt haben."

Generalsponsor war jahrzehntelang Daimlers Automarke Mercedes-Benz, bevor 2019 Volkswagen nach der ersten öffentlichen Ausschreibung den Vertrag übernahm. Als Ausrüster hält der DFB seit 1970 Adidas die Treue.

Die Exklusivität führe laut der Behörde "zur steuerrechtlichen Konsequenz, dass die Einnahmen aus der Verpachtung nicht der steuerfreien Vermögensverwaltung, sondern dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen sind und somit zu versteuern gewesen wären". Den Verantwortlichen sei dies auch bewusst gewesen.

Der DFB und seine langjährige Vermarktungsagentur Infront mit Sitz in der Schweiz hatten kürzlich ihre Zusammenarbeit nach fast 40 Jahren "einvernehmlich" beendet. Begründet wurde dies mit Ergebnissen einer Untersuchung des Beratungsunternehmens Esecon, der DER SPIEGEL im Juni enthüllte . Darin waren Vorwürfe von Betrug und Bestechung gegen Infront erhoben worden. Infront hatte diese zurückgewiesen und die Kündigung durch den DFB nicht anerkannt.

Infront wurde 2002 vom früheren Adidas-Investor Robert Louis-Dreyfus aus Teilen der insolventen Mediengruppe Kirch gegründet. Die Agentur, die inzwischen mehrheitlich dem chinesischen Konzern Dalian Wanda gehört, wird seit Jahren von Philippe Blatter geführt, dem Neffen des langjährigen Fifa-Präsidenten Sepp Blatter. Repräsentiert wird sie vom früheren Fußballstar Günter Netzer (76). Infront hatte bis 2018 den Auftrag, Bandenwerbepartner für Spiele der Nationalelf zu beschaffen. Laut dem Ermittlungsbericht von Esecon habe die Firma 2013 vom DFB den Zuschlag für das Geschäft erhalten, obwohl ein Konkurrent bis zu 18 Millionen Euro mehr geboten habe.

Ein Infront-Sprecher sagte, man sei von der Razzia nicht betroffen. Weder bei Infront noch bei Mitarbeitern habe es Durchsuchungen gegeben. "Die steuerliche Deklaration von Einnahmen aus Vermarktungsverträgen ist Sache des Empfängers, also des ursprünglichen Rechtehalters DFB." Wie der Verband das gehalten habe, wisse Infront nicht.

ak/dpa/reuters/sid
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren