

Management Ausländer rein!


Hörsaal der Universität zu Köln: Deutschland wird als Studienland für Ausländer zunehmend attraktiv. Die Unternehmen müssen nachziehen.
Foto: Oliver Berg/ DPADie Schweizer haben den Anfang gemacht und gegen weitere "Massenzuwanderung" aus der EU abgestimmt. Dann folgte die Europawahl und 20 Prozent der Sitze gingen an Europakritiker - und "Europakritiker" ist fast immer auch ein Synonym für "Einwanderungsgegner".
Das gilt für die Front National in Frankreich genauso wie für Ukip in Großbritannien. Auch die Dänische Volkspartei, die österreichische FPÖ und die ungarische Fidesz haben Probleme mit "zu viel Fremden" im Land. Und in Deutschland erzielte die Alternative für Deutschland einen Achtungserfolg, obwohl sie nach dem Dafürhalten vieler Beobachter von Rechtspopulisten unterwandert ist.
Die vox populi scheint in ganz Europa "Ausländer raus!" zu brüllen - was in krassen Widerspruch zu dem steht, was die Wirtschaft treibt. Der französische Autohersteller Peugeot hat eine Allianz mit Nissan in Japan, Großbritanniens Ikone Mini wird von BMW gebaut, Jaguar und Land Rover gehören der indischen Tata. Hochtief erwirtschaftet einen guten Teil des Gewinns mit der australischen Baugesellschaft Leighton, gehört aber selbst mittlerweile via ACS den Spaniern.
Britische Osterhasen der Marke Cadbury werden von Kraft gemacht, Maggi, das deutscheste aller Gewürze, gehört der Schweizerischen Nestlé, BP und Shell sind immer schon halb britisch, halb niederländisch, die HSBC hat ihre Wurzeln in China, und die Swiss wird längst von der Lufthansa gesteuert. Kurz: Der europäische Wohlstand wird im Austausch mit der Welt geschaffen. Es gibt kaum noch einen Job, der nicht gefährdet wäre, würden die Grenzen in Europa über Nacht dicht gemacht, der Welthandel abgeschafft und Ausländer rausgeworfen.
Tragischerweise jedoch scheitern in ganz Europa Politiker der politischen Mitte an dem Job, der Bevölkerung zu erklären, dass ihr Wohlstand auch durch Immigranten geschaffen wird. Schlimmer noch, nach der Europawahl knicken die ersten Regierungen ein, aus lauter Angst, bald auch bei nationalen Wahlen an die Radikalen zu verlieren. In Großbritannien meldete die Presse bereits, dass arbeitslose EU-Bürger künftig nach sechs Monaten abgeschoben werden.
Was dabei gerne vergessen wird: 53 Prozent der Aktien britischer Unternehmen sind im Besitz von Ausländern und entsprechend sieht es in den Führungsetagen aus: Schon vor vier Jahren ergab eine Untersuchung, dass ein Drittel der von Großbritanniens größten 100 Unternehmen einen Ausländer an der Spitze hatte. Würden die britischen Inseln sich wirklich von allem Ausländischem verabschieden, wären sie die Hälfte ihres Unternehmenskapitals und jeden dritten ihrer Topmanager los. Was das für den Wohlstand der Briten bedeuten könnte, zeigt das Beispiel der Schweiz.
Wie die Schweizer an die Franken kommen
Die Eidgenossen haben nämlich bislang vorgemacht, was ein kleines Land mit einer pragmatischen Einwanderungspolitik erreichen kann. Die Schweiz hat pro Kopf gesehen eines der höchsten Einkommen der Welt, eine enorme Anzahl von Weltkonzernen - von UBS, Credit Suisse und Zurich über Nestlé bis hin zu Roche und Novartis - und insgesamt einen Lebensstandard, der unübertroffen bleibt. Gleichzeitig kommen 45 Prozent der Topmanager aus dem Ausland. Ganz pragmatisch holen die Eidgenossen halt einen Fremden ins Land, wenn sie für einen Job keinen Schweizer finden können.
Wir Deutschen sollten uns also nicht ausgerechnet an dem Volksentscheid zur Zuzugsbegrenzung der Schweiz ein Beispiel nehmen, sondern eher an der dort bisher gepflegten Weltoffenheit - und dem so generierten Wohlstand. Es ist ja auch schon viel passiert. Im vergangenen Jahr haben erstmals mehr als 100.000 Nicht-Deutsche bei uns ein Studium begonnen. Glaubt man den Daten der OECD, ist Deutschland mittlerweile das drittbeliebteste Gastland für Studierende aus anderen Ländern.
Lieber gehen die nur in die USA und nach Großbritannien - wohl, weil da Englisch gesprochen wird. Und Integration über Bildung funktioniert: Ausländer, die hier studiert haben, leben sich besonders gut ein, zeigte eine Studie des Institut der deutschen Wirtschaft. Von den Gaststudenten, die zwischen 2001 und 2010 hier einen Abschluss gemacht haben, lebten 2011 noch 44 Prozent in der Bundesrepublik. Und die jungen Leute, die da aus China, Russland, Polen, der Türkei oder Ukraine kommen, arbeiten genau an den Qualifikationen, die wir brauchen: Sie studieren in der Reihenfolge am liebsten Rechts- und Sozial-, Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften.
Doch bis diese Studiosi es in die Topetagen der deutschen Wirtschaft geschafft haben, kann es dauern. Wenn es schneller gehen soll, müssten wir uns an das Thema Zweisprachigkeit machen. In einem Schweizer Unternehmen beispielsweise sind Deutschkenntnisse nicht zwingend vonnöten. Die Schweiz ist von Hause aus dreisprachig und Englisch kann auch fast jeder.
Wer was zu sagen haben will, muss das auch in Englisch können
Wir Deutsche dagegen scheitern schon am Versuch der Mehrsprachigkeit, weil unsere 20-köpfigen Aufsichtsräte zu 50 Prozent aus Arbeitnehmervertretern bestehen und von denen sprechen die meisten nach wie vor miserables Englisch. Das verhindert den Einsatz von Nicht-Deutschsprachigen im Topmanagement, denn kommt tatsächlich ein Manager aus Skandinavien, Großbritannien, USA oder Asien, muss wegen der Betriebsräte im Aufsichtsrat fast immer ein Simultanübersetzer her.
Die Effizienzverluste in der Kommunikation sind dann so groß, dass sie den Nutzen einer ausländischen Besetzung schon fast wieder zunichte machen. Die Folge: Unlängst stand an dieser Stelle zu lesen, dass sich die Vorstände der Dax-30-Unternehmen aus einem überschaubaren Kreis sehr einheitlich qualifizierter Bewerber rekrutieren. 77 Prozent der heutigen Vorstände sind deutschsprachig. Der Anteil der nicht aus dem deutschen Sprach- und Kulturraum stammenden Vorstände hat seit 2005 nur um acht Prozentpunkte zugenommen.
Viele mögen nun einwenden, wer zu uns kommen will, muss auch unsere Sprache lernen. Sie kommen ja auch und sie lernen - Deutschland ist laut OECD nach den USA derzeit das beliebteste Einwanderungsland - dennoch gilt: Im Geschäftsleben ist nun mal Englisch die Lingua franca der Welt und nicht Deutsch. Verhandlungsfähiges Englisch muss daher Pflicht werden für alle, die in deutsche Vorständen und Aufsichtsräten wollen - und das gilt selbstverständlich auch für die älteren Herren deutscher Nation auf Kapitalgeberseite, die sich bislang ebenfalls erfolgreich ums Englische herumdrückten.