Energiewende Warum ein Ausstieg aus der Kohle schädlich ist

Von Fritz Vahrenholt
Für die Kritiker der Kohleverstromung sind qualmende Kühltürme wie die des Braunkohlekraftwerkes der Vattenfall AG in Jänschwalde Symbole einer verantwortungslosen Energiegewinnung - sie fordern den Ausstieg. Inzwischen gibt es Pläne für eine Abgabe auf die als Klimakiller geltenden Kraftwerke.

Für die Kritiker der Kohleverstromung sind qualmende Kühltürme wie die des Braunkohlekraftwerkes der Vattenfall AG in Jänschwalde Symbole einer verantwortungslosen Energiegewinnung - sie fordern den Ausstieg. Inzwischen gibt es Pläne für eine Abgabe auf die als Klimakiller geltenden Kraftwerke.

Foto: Patrick Pleul/ picture alliance / dpa

Der norwegische Staatsfond, einer der größten Investoren der Welt, soll nach dem Willen des norwegischen Parlamentes nicht mehr in Unternehmen investieren, die bei mehr als 30 Prozent ihres Geschäftes abhängig von Kohle sind.

Umweltaktivisten sind in Feierlaune, die Medien berichten ausführlich über den Anfang des Ausstiegs aus fossilen Energieträgern, die Finanzbranche horcht auf.

Nun hat der Boykott von Unternehmen durch Nachhaltigkeitsfonds, sei es in der Zigaretten- oder Rüstungsindustrie, noch nie dazu geführt, dass die Produkte verschwinden. Solange profitable Ergebnisse produziert werden, findet sich Kapital, das investiert.

Interessant ist allerdings, woher die rund 900 Milliarden Dollar des norwegischen Staatsfonds stammen : Es ist der Ertrag aus dem lukrativen Öl-und Gasgeschäft Norwegens. Die Begründung für den Ausstieg aus der Kohle ist die mutmaßliche Klimabeeinträchtigung durch CO2 -Emissionen beim Verbrennen der Kohle. Doch beim Ersatz der Kohle durch Öl oder Gas entsteht immerhin mindestens 50 Prozent der durch Kohle bedingten Emissionen. Nicht einberechnet sind dabei die Emissionen aus Gas-Pipeline-Leckagen durch das mehr als 20 mal mehr klimabeeinflussende Erdgas.

Doch die grüne Umweltlobby in Deutschland will es gerne noch radikaler: Carbonfree ist das Ziel, also weg von Kohle, Öl und Gas. 100 Prozent der Energieerzeugung soll aus erneuerbaren Energien erzeugt werden. Sind wir wirklich sicher, dass Windkraftanlagen per se die umweltfreundlichere Energieerzeugung darstellt? Um die gleiche Menge Strom zu erzeugen, bräuchte es eines Flächenverbrauchs mit entsprechender Naturzerstörung in astronomischem Ausmaß. Allein um die Strommengen des Kohlekraftwerks in Hamburg-Moorburg zu ersetzen, benötigt man die Fläche des gesamten Landes Hamburg.

Wie realistisch ist es, nicht nur Strom, sondern auch die Heizwärme und die Kraftstoffe für den Verkehr auf absehbare Zeit ohne fossile Energieträger weltweit von China bis Brasilien zu erzeugen? Nach wie vor geht in China alle 14 Tage ein Kohlekraftwerk ans Netz und Indien ist auf dem Weg, es dem Nachbar gleichzutun.

Wir werden noch häufiger Strom im Ausland entsorgen müssen

Der deutsche Weg des Ausstiegs aus Kernenergie und Kohle ist keine überzeugende Blaupause für die Energieerzeugung in anderen Ländern.

Bundesumweltminister Gabriel weiß, dass bei ungebremsten Ausbau eine Kostenlawine von 1000 Milliarden Euro auf uns zukommt. Die Geringverdiener und Mieter finanzieren den Eigenheimbesitzern, Gutverdienern und Landwirten die Solardächer. Der dreiköpfige Durchschnittshaushalt wird mit 250 Euro jährlich zur Kasse gebeten. Wir fragen uns: Warum in aller Welt müssen wir in einem Land, das eine Sonneneinstrahlung vergleichbar mit der von Alaska aufweist, in den nächsten Jahren die Photovoltaik-Kapazität auf 52.000 Megawatt (MW) ausbauen? Zusammen mit Wind sind das dann mehr als 100.000 MW bei einer Höchstlast in Deutschland von 80.000 MW im Winter und 35.000 MW im Sommer. Wir werden noch häufiger als heute den Strom ins Ausland entsorgen und Geld drauflegen, damit Österreich, Holland, Polen, Tschechien ihn uns abnimmt.

Die Nachbarn freuen sich nicht besonders über den über die Grenzen schwappenden Abfallstrom, denn er zerstört die Wirtschaftlichkeit der dort im Betrieb befindlichen Kraftwerke. Pumpspeicherwerke in Österreich und der Schweiz geraten in die Unwirtschaftlichkeit. Das kann doch nicht unser Plan sein? Aber nicht nur der Überschuss wird zum Problem. Wind- und Solarenergie liefert keine gesicherte Leistung. Windkraftanlagen erzeugen augenblicklich nur so viel Strom, als würden sie gerade einmal 1800 Stunden im Jahr mit voller Leistung laufen. Bei Photovoltaik sind es 800 Volllaststunden. Das Jahr hat aber 8760 Stunden. Um eine 10-tägige Windflaute zu überbrücken, bräuchte man im Szenario der Bundesregierung eine Strommenge aus Pumpspeicherkraftwerken, die dem Volumen des immerhin 500 Quadratkilometer großen Bodensees entspricht.

China macht deutsche CO2-Reduktion in zwei Monaten wett

Es kommt eine netztechnische Herausforderung hinzu, die häufig vergessen wird. In einer hochentwickelten Industriegesellschaft benötigen wir jederzeit eine Sekundenreserve, dann, wenn ein Stahlwerk angefahren wird, wenn ein ICE den Bahnhof verlässt, wenn das Flutlicht in einem Stadion eingeschaltet wird. Diese Sekundenreserve können nur Generatoren laufender Großkraftwerke liefern, die in Sekunden automatisch die Nachfrage ausgleichen. In Deutschland benötigt man hierfür zur Zeit etwa 15.000 MW laufender konventioneller Kraftwerke. Photovoltaik und Windkraftwerke sind dazu nicht in der Lage.

Zu allem Überfluss wird mit jedem neugebauten Windkraftwerk, mit jedem neuen Solardach nicht ein Gramm CO2 vermieden. Das liegt an der Tatsache, dass in Europa der Ausstoß an CO2 durch den Zertifikatehandel festgelegt ist. Werden also durch ein neues Windkraftwerk CO2-Mengen eingespart, werden automatisch CO2-Zertifikate freigesetzt, die irgendwo in Europa wieder zu zusätzlichen CO2-Emissionen führen. Deutschland hat heute einen Anteil von 2 Prozent an der weltweiten CO2-Emission, China 27 Prozent mit steigender Tendenz. Um es salopp zu formulieren: Der Beitrag der CO2-Reduktion durch einen oft geforderten Verzicht auf Braun-und Steinkohle in Deutschland wird durch das Wachstum in China in zwei Monaten wieder wettgemacht.

Keine Nation der Erde wird uns folgen

Aber warum machen wir eine überhastete Energiepolitik mit hohen Schlagzahlen und großen Gefahren für die soziale Balance, den Wirtschaftsstandort Deutschland und unsere Natur? Sie ist Angst getrieben. Sie ist getrieben von der Angst, dass wir mit CO2 unser Klima kaputt machen.

Es häufen sich aber die wissenschaftlichen Erkenntnisse, das die Klimawirkung des CO2 durch den Weltklimarat maßlos überschätzt worden ist. Seit 16 Jahren hat es keine signifikante globale Erwärmung mehr gegeben, obwohl doch in diesem Zeitraum ein Drittel der historischen CO2 Emissionen erfolgten und der CO2-Gehalt der Atmosphäre Jahr für Jahr steigt. Die Klimamodelle, die sich allesamt in ihren Prognosen als falsch erwiesen haben, können die natürlichen Schwankungen des Klimas nicht berechnen.

Die 60-jährigen zyklischen Ozeanströmungen haben zur Häfte zur Erwärmung zwischen 1978 und 1998 beigetragen und jetzt , da sie in ihre kühle Phase übergegangen sind, wird bis 2030 keine wesentliche Erwärmung zu erwarten sein. Einen weiteren Abkühlungsbeitrag wird die Sonne leisten, die in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts in einer ihrer aktivsten Phasen seit 1000 Jahren war und nun in eine außergewöhnliche Schwächephase geraten ist, wie wir sie seit 200 Jahren nicht erfahren haben. Ja, CO2 ist ein klimabeeinflussendes Gas, es wird aber die globale Mitteltemperatur auf der Erde bis 2100 nicht mehr als 1 bis 1,5 Grad Celsius ansteigen lassen.

Die Natur gibt uns also reichlich Zeit unser Energiesystem auf eine nachhaltige Basis zu stellen. Warum dann ein überstürzter Alleingang, der soviel aufs Spiel setzt? Keine Nation der Erde wird uns folgen, wenn festzustellen ist, dass die eigene industrielle Basis zerstört wird und die Bürger finanziell überfordert werden.

Totenglöcklein für den einzigen deutschen Energieträger

So zielt die norwegische Entscheidung doch eher ab auf kurzfristig politischen Applaus. Doch auf Moden sollten Investoren nur bedingt setzen. Die Pleiten von Ersol, Windreich, Prokon, Juwi und Solon sowie die Fast-Pleite von Solarworld zeigen uns, wie anfällig Geschäftsmodelle sind, die von der Subvention des Staates abhängen.

Neben Kapitalvernichtung bleibt eine grandiose Zerstörung von zigtausend Arbeitsplätzen. Doch das hindert den grünen Staatsekretär Rainer Baake im Bundeswirtschaftsministerium nicht das Totenglöcklein für den einzigen deutschen Energieträger, der ohne Subvention auskommt, nämlich der Braunkohle, zu läuten. Er will eine zusätzliche Strafsteuer auf CO2 allein aus deutschen Kohlekraftwerken. Wenn die Strafsteuer dazu führt, dass Strom in teureren Gaskraftwerken erzeugt wird, steigen die Stromkosten und auf Grund des Emissionshandels sinken die europäischen Emissionen nicht: weniger deutsches CO2 und genauso viel mehr nichtdeutsches CO2. Mehr als dass man sich selbst ins Knie schiesst, passiert nicht. Wird trotz der Strafsteuer das Kohlekraftwerk weiterbetrieben, steigen die Stromkosten ebenfalls und die Emissionszertifikate werden aus dem Aufkommen der Strafsteuer aufgekauft. Man unterscheidet dann also zwischen schädlichem europäischen CO2 und noch viel schädlicherem deutschen CO2 und die europäischen Emissionen sinken.

Der schleichende Prozess der Deindustrialisierung hat bereits begonnen

Um einen Brennstoffwechsel von Braunkohle zu Gas ohne den Baake-Knieschuß-Trick auszulösen, müssten sich die CO2-Preise nahezu verzehnfachen, was einen verheerenden Effekt auf die Strompreise und die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrie hätte. Die zukünftigen Gaspreise sind kaum kalkulierbar, die heimische Förderung der Braunkohle ist sicher und kostenstabil sowie von Weltmarkteinflüssen völlig unberührt. Die Braunkohle aus dem rheinischen Revier und der Lausitz ist der Garant für den Erhalt der deutschen energieintensiven Industrie, sei es die Erzeugung von Stahl , Kupfer, Silizium oder Aluminium, sei es die Grundstoffchemie oder die Erzeugung technischer Gase wie Sauerstoff, Wasserstoff, Chlor oder Ammoniak. Wer hier die Axt anlegt, muss wissen, dass mit einem Wegfall dieser Produktionen die vertikal integrierten Wertschöpfungsketten der Metallverarbeitung, der Elektro- und chemischen Industrie ins Wanken geraten. Die Stromkosten für die Industrie sind schon heute um 26 Prozent höher als der EU-Durchschnitt. Zu den USA liegt der Unterschied mittlerweile bei 150 Prozent. Der schleichende Prozess der Deindustrialisierung hat bereits begonnen. Die Gewinner unserer Arbeitsplatzverluste werden die USA und Fernost sein.

Es bedarf einer grundlegenden Reform des Erneuerbaren Energiegesetzes, die Kosten sind zu begrenzen und der Ausbau darf erst wieder Fahrt aufnehmen, wenn Ausgleichskraftwerke, Speicher und Netze in ausreichender Kapazität zur Verfügung stehen. Erneuerbare werden eine Zukunft haben, dort, wo sie wettbewerbsfähigen Strom produzieren und Netze den Strom aufnehmen und zum Verbraucher transportieren können. Subventionieren der Technologien von gestern durch Einspeisevergütungen muss ersetzt werden durch eine massive Förderung von neuen technologischen Lösungen. Der Entwicklungsingenieur, die start-ups müssen wieder im Vordergrund stehen und nicht mehr die Projektentwickler und Fondbesitzer, die zum hundertsten Mal einen Wind-oder Solarpark wie gehabt ans Netz bringen, ohne sich darum kümmern zu müssen, wann und wohin der Strom eingespeist werden soll. Das Erneuerbare-Energie-Gesetz in der heutigen Fassung unterstützt die alten Hüte des letzten Jahrzehnts, bringt keine CO2-Minderung und erodiert den Industriestandort Deutschland. Es ist kein Exportschlager sondern ein Auslaufmodell, dessen Folgen kaum noch zu bewältigen sind.

Vielleicht sollten die norwegischen Politiker, vor allen Dingen aber deutsche Politiker darüber mal nachdenken.

Fritz Vahrenholt ist ehemaliger Umweltsenator von Hamburg. Er war danach Vorstand für Erneuerbare Energien bei der Deutschen Shell, gründete den drittgrößten deutschen Windanlagenhersteller Repower und führte die Tochter für Erneuerbare Energien Innogy des Energiekonzerns RWE. Von 2001 bis 2007 war Vahrenholt Mitglied des Nachhaltigkeitsrates von Gerhard Schröder und Angela Merkel. Vahrenholt ist Mitglied des Senats der Fraunhofer-Gesellschaft und Mitglied der Akademie der Technikwissenschaften Acatech. Er ist unter anderem Mitglied des Aufsichtsrates des Kupferproduzenten Aurubis und Autor des klimawandel-kritischen Buches "Die Kalte Sonne". Seit 2012 ist Vahrenholt Alleinvorstand der Deutschen Wildtier Stiftung.

Das vom Autor erwähnte Fehlen einer signifikanten globalen Erwärmung in den vergangenen 16 Jahren ist inzwischen bei Klimaforschern umstritten. Die "Pause" bei der Klimaerwärmung sei, so eine neue Studie, das Ergebnis von Fehlinterpretationen  der Temperaturmessungen.

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