Zufriedener Präsident: Donald Trump will nun offenbar die Methode ändern, mit der die USA ihre Handelsbilanz berechnen
Foto: Carolyn Kaster/ dpaSchreckt der neue US-Präsident wirklich vor nichts zurück? Einem Bericht des "Wall Street Journal" zufolge plant Donald Trump nun auch noch, an der nationalen Handelsbilanz der Vereinigten Staaten herum zu tricksen. So soll das Bilanzdefizit der USA größer erscheinen als es nach gängiger Messung ist. Trump wolle damit mehr Rückhalt in der Bevölkerung für seinen geplanten Protektionismus mit Zöllen und der Kündigung von Handelsabkommen gewinnen, heißt es.
Um das zu erreichen, will die US-Regierung dem Bericht zufolge bestimmte Exporte künftig einfach aus der Handelsbilanz der USA verschwinden lassen. Und zwar konkret jene Exporte von Produkten, die nicht in den USA hergestellt wurden, die also zuvor in gleichem Zustand aus einem anderen Land in die USA importiert wurden.
Als Beispiel nennt das "Wall Street Journal" den Fall eines Autohändlers, der 100 Neuwagen von BMW aus Deutschland einführt, davon jedoch lediglich 50 in den USA verkauft und den Rest in Kanada. Jene 50 Autos, die das Land in Richtung Kanada wieder verlassen, werden gegenwärtig - wie international üblich - in der Handelsbilanz der USA als Exporte erfasst. Das soll laut "WSJ" künftig jedoch nicht mehr der Fall sein.
In Zukunft würden die re-exportierten Autos überhaupt nicht mehr in der Handelsbilanz erfasst werden. Der Effekt: Unterm Strich würde die Bilanz künftig - um im Beispiel zu bleiben - nicht wie bisher lediglich 50 importierte BMWs enthalten (also 100 importierte minus 50 wieder exportierte), sondern sämtliche 100. Der Beitrag der importierten BMWs zum Handelsbilanzdefizit der USA wäre entsprechend in Zukunft doppelt so hoch wie bisher.
Wer ist verantwortlich?
Laut "WSJ" haben Beamte der Behörde des US-Handelsbeauftragten intern bereits Berechnungen nach der neuen Methode vorgelegt, wenn auch unter Protest. Wer die neue Kalkulationsweise, die in dieser Art bislang offenbar eher von der politischen Linken favorisiert wurde, in Auftrag gegeben hat, ist dem Bericht zufolge unklar. Da Präsident Trump bislang noch keinen US-Handelsbeauftragten ernannt habe, falle der Blick vor allem auf Peter Navarro, der als Trumps Direktor für Handel und Industriepolitik sowie Leiter des Nationalen Handelsrats derzeit der ranghöchste Handelsoffizielle der US-Regierung sei.
In einem Beitrag der "Süddeutschen Zeitung" über Trumps Absichten zitiert die Zeitung einen ehemaligen Statistiker der US-Regierung mit der Einschätzung, die Unabhängigkeit der US-Statistikämter generell sei in Gefahr. In einer Welt der "alternativen Fakten", so die Sorge, sei möglicherweise bald kein Verlass mehr auf offizielle Zahlen und Daten von Seiten der US-Regierung.
Andere Experten bleiben jedoch gelassen. Trump werde mit einem solchen Vorstoß nicht weit kommen, sagt ein Harvard-Professor laut "SZ". Journalisten und Wissenschaftler könnten schließlich immer noch auf Daten der Vereinten Nationen zurückgreifen, die auch künftig nach der korrekten Methode rechneten.
Die Trump-Regierung schießt sich auf Deutschland als Feindbild in der Handelspolitik ein - und bekommt neue Nahrung von der Statistik: Die deutsche Leistungsbilanz für 2016 weist den weltgrößten Überschuss auf, 266 Milliarden Euro (295 Milliarden Dollar, 8,5 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung). Die Exportmaschine zieht Geld und Jobs aus dem Rest der Welt ab.
Während Trump-Wirtschaftsberater Peter Navarro über den Billig-Euro als Werkzeug einer Berliner Dumping-Strategie schimpft, weist der "Economist" auf andere Gründe der wachsenden Überschüsse hin: Die Deutschen sparen zu viel und investieren davon zu wenig im eigenen Land, außerdem wachsen die Löhne immer noch zu zaghaft, um das massive Ungleichgewicht wieder ins Lot zu bringen.
Die internationale Kritik ist bekannt, bekommt mit Trump aber mehr Wucht. Zumal China in der Handelsstatistik nur noch Bösewicht Nummer zwei ist. Nach den jüngsten OECD-Daten (vom Schlussquartal 2015 bis Herbst 2016) wies die chinesische Leistungsbilanz ein Plus von 258 Milliarden Dollar auf. Das sind 2,3 Prozent des chinesischen Bruttoinlandsprodukts, schon deutlich mehr in der Balance.
Auch nach fast drei Jahrzehnten wirtschaftlicher Stagnation nimmt Trump Japan noch immer als Bedrohung wahr. Tatsächlich ist die Inselnation weiterhin eine Exportmacht, mit einem Überschuss von 174 Milliarden Dollar (3,6 Prozent des BIP).
Das Modell von Korea Inc. ist aktuell mit der Pleite der Großreederei Hanjin, den Turbulenzen von Samsung und der Suspendierung von Präsidentin Park Geun-hye schwer erschüttert. Südkorea zog 2016 aber immer noch 100 Milliarden Dollar mehr an Zahlungen an, als es im Ausland ausgab. Das sind 7,4 Prozent des BIP - fast schon deutsche Verhältnisse.
Prozentual gesehen noch exportlastiger ist der Stadtstaat Singapur mit bombastischen 30 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die 87 Milliarden Dollar Überschuss speisen sich vor allem aus den Dienstleistungen des südostasiatischen Handels- und Finanzzentrums.
Europas nächstes Gegenstück zu Singapur ist die Schweiz mit 10,2 Prozent. Obwohl das Alpenland so klein ist, zählt es so mit 68 Milliarden Dollar Leistungsbilanzüberschuss immer noch zu den großen Magneten der Weltwirtschaft.
Mangelnde Wettbewerbsfähigkeit heißt das Dauer-Lamento über Italien, kein Land ist seit der Euro-Einführung weniger vom Fleck gekommen. Aber die Leistungsbilanz ist mit 46 Milliarden Dollar (2,5 Prozent des BIP) im Plus. So taucht Italien hinter den Niederlanden im Ranking der Top-Überschussnationen auf. In mancher Hinsicht sind die Probleme der stark überalterten und konservativ sparenden italienischen Gesellschaft denen der Deutschen ähnlich.
Russland ist ein anderes Kaliber, kommt mit 28,5 Milliarden Dollar Überschuss aber ebenfalls auf 2,5 Prozent des BIP. Die Zahl ist jedoch angesichts von Handelssanktionen und Kollaps der Rohstoffpreise stark rückläufig.
Griechenland ist als wirtschaftliches Katastrophengebiet bekannt. Der Blick auf die Leistungsbilanz zeigt mit minus 1,3 Milliarden Dollar (0,7 Prozent des BIP) aber eher einen Musterfall der Stabilität. Tatsächlich wurde die jahrzehntelang defizitäre Bilanz nur deshalb annähernd ausgeglichen, weil das Land so ausgezehrt ist: Die Griechen können sich Importe im früheren Ausmaß nicht mehr leisten, während Tourismuseinnahmen und Überweisungen von Auslandsgriechen noch standhalten.
Eher schon dem wirtschaftspolitischen Ideal einer ausgeglichenen Leistungsbilanz entspricht Frankreich mit minus 26 Milliarden Dollar (1,1 Prozent des BIP).
Mexiko mag gut darin sein, mit niedrigen Kosten und offener Handelspolitik Industrieinvestitionen und Jobs anzulocken. Außerdem strömt stetig Geld von im Norden lebenden Mexikanern ins Land. Aber - das dürfte Trump überraschen - unterm Strich weist die mexikanische Leistungsbilanz ein Defizit aus. Nach den jüngsten verfügbaren Daten von 2015 wuchs es wegen sinkender Öleinnahmen auf den Rekordwert von 32 Milliarden Dollar (2,8 Prozent des BIP), mehr als im viel größeren Brasilien, das gerade eine Jahrhundertkrise erleidet.
Traditionell taucht Saudi-Arabien als Ölexporteur unter den größten Überschussländern auf. Mit den fallenden Preisen und unverändert hohem Importbedarf hat das Königreich die Seiten gewechselt. Vom vierten Quartal 2015 bis zum dritten Quartal 2016 mussten die saudischen Herrscher laut "Trading Economics" ein Leistungsbilanzdefizit von 48 Milliarden Dollar (7,4 Prozent des BIP) verkraften.
Schon bevor die Rohstoffpreise einbrachen, ging Australiens Geschäftsmodell als Chinas bevorzugter Eisen- und Kohlelieferant nicht ganz auf. Die hohe Konsumnachfrage im Land übersteigt die Einnahmen aus dem Ausland. Aktuell beläuft sich das Defizit auf 48 Milliarden Dollar (3,9 Prozent des BIP).
Vergleichsweise moderat ist mit 54 Milliarden Dollar (1 Prozent des BIP) das Minus in Kanada. Doch auch bei dem nördlichen US-Nachbarn steht ein Defizit zu Buche. Und so stellt sich die Frage: Wenn Trump das Handelsabkommen Nafta neu verhandelt, von wem soll die Umkehr der Geldströme in Richtung USA kommen?
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... natürlich den USA. Wenn Präsident Trump wie berichtet nachts um 3 seinen Sicherheitsberater fragt, ob nun ein starker oder ein schwacher Dollar gut für Amerikas Wirtschaft sei, ist die Antwort nicht ganz einfach. Da Trump im Defizit von 476 Milliarden Dollar (2,6 Prozent des BIP) ein Problem erkannt hat, sollte er wohl auf Abwertung setzen. Seine Versprechen von Billionen-Infrastrukturprogramm und gleichzeitiger Steuersenkung wirken aber gegenläufig.
Quellen: Statistisches Bundesamt, OECD, Trading Economics
Die Trump-Regierung schießt sich auf Deutschland als Feindbild in der Handelspolitik ein - und bekommt neue Nahrung von der Statistik: Die deutsche Leistungsbilanz für 2016 weist den weltgrößten Überschuss auf, 266 Milliarden Euro (295 Milliarden Dollar, 8,5 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung). Die Exportmaschine zieht Geld und Jobs aus dem Rest der Welt ab.
Foto: Ingo Wagner/ dpaWährend Trump-Wirtschaftsberater Peter Navarro über den Billig-Euro als Werkzeug einer Berliner Dumping-Strategie schimpft, weist der "Economist" auf andere Gründe der wachsenden Überschüsse hin: Die Deutschen sparen zu viel und investieren davon zu wenig im eigenen Land, außerdem wachsen die Löhne immer noch zu zaghaft, um das massive Ungleichgewicht wieder ins Lot zu bringen.
Foto: Eckehard Schulz/ APGriechenland ist als wirtschaftliches Katastrophengebiet bekannt. Der Blick auf die Leistungsbilanz zeigt mit minus 1,3 Milliarden Dollar (0,7 Prozent des BIP) aber eher einen Musterfall der Stabilität. Tatsächlich wurde die jahrzehntelang defizitäre Bilanz nur deshalb annähernd ausgeglichen, weil das Land so ausgezehrt ist: Die Griechen können sich Importe im früheren Ausmaß nicht mehr leisten, während Tourismuseinnahmen und Überweisungen von Auslandsgriechen noch standhalten.
Foto: Uriel Sinai/ Getty ImagesGroßbritannien hat auf seiner Flucht aus der EU als wichtiger Partner viel Prestige zu bieten - muss sich aber selbst nach weiteren Einnahmequellen umsehen. Das britische Dasein als Finanzzentrum kann nicht funktionieren wie in Singapur, weil zugleich der Warenbedarf einer großen Nation zu decken ist. Zuletzt war die Leistungsbilanz mit 138 Milliarden Dollar (satte 5,3 Prozent des BIP) im Minus. Das ist das weltweit zweitgrößte Defizit, getoppt nur noch von ...
Foto: Pablo Martinez Monsivais/ AP... natürlich den USA. Wenn Präsident Trump wie berichtet nachts um 3 seinen Sicherheitsberater fragt, ob nun ein starker oder ein schwacher Dollar gut für Amerikas Wirtschaft sei, ist die Antwort nicht ganz einfach. Da Trump im Defizit von 476 Milliarden Dollar (2,6 Prozent des BIP) ein Problem erkannt hat, sollte er wohl auf Abwertung setzen. Seine Versprechen von Billionen-Infrastrukturprogramm und gleichzeitiger Steuersenkung wirken aber gegenläufig.
Quellen: Statistisches Bundesamt, OECD, Trading Economics