Drohende Abkühlung Deutsche Wirtschaft widersteht dem Abwärtssog - noch

Autoverladung in Bremerhaven: Exporte steigen, doch die Investitionen gehen zurück
Foto: FABIAN BIMMER/ REUTERSWiesbaden - Kauffreudige Verbraucher und steigende Exporte haben die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal auf Wachstumskurs gehalten. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) kletterte von April bis Juni um 0,3 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Zu Jahresbeginn waren es noch 0,5 Prozent. Volkswirte hatten mit einem Plus von 0,2 Prozent gerechnet, wobei die Schätzungen zwischen minus 0,2 und plus 0,4 Prozent lagen.
"Nach vorläufigen Berechnungen sind die Exporte etwas stärker gestiegen als die Importe", schrieben die Statistiker. "Außerdem wurde im Inland sowohl von den privaten als auch von den öffentlichen Haushalten mehr konsumiert als im Vorquartal." Der Rückgang der Investitionen - vor allem in Maschinen, Geräte und andere Ausrüstungen - konnte so kompensiert werden. Details gibt das Statistische Bundesamt am 23. August bekannt.
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hat den Rückgang des deutschen Wachstums auf die Euro-Krise zurückgeführt. "Wir sehen eine gewisse Verunsicherung der deutschen Wirtschaft wegen der Unruhe in der Eurozone", sagte er am Dienstag in Tallinn/Estland nach einem Gespräch mit dem Premierminister Andrus Ansip. Daher sei die Stabilisierung der Eurozone nicht nur eine finanzpolitische, sondern auch eine wirtschaftspolitische Aufgabe.
Er arbeite deshalb auch an der Stärkung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit, sagte Rösler. Dazu gehörten die Sicherung von Fachkräften, die Bezahlbarkeit von Energie und die Senkung des Rentenbeitrages.
Euro-Zone in der Rezession
"Das ist ein bemerkenswertes Ergebnis angesichts des sehr negativen Umfelds in der Euro-Zone", sagte Andreas Rees von Unicredit. Damit liege Deutschland in der europäischen Wachstumsliga erneut ganz weit vorn. In Italien brach das Bruttoinlandsprodukt um 0,7 Prozent ein, in Belgien um 0,6 Prozent und in Spanien um 0,4 Prozent. Frankreichs Wirtschaft stagnierte.
Die Euro-Zone steckt in einer Rezession: Nach einer Stagnation in den ersten drei Monaten 2012 sackte das BIP in den 17 Ländern mit der Gemeinschaftswährung um 0,2 Prozent ab. Das teilte die europäische Statistikbehörde Eurostat am Dienstag in Luxemburg in einer ersten Schätzung mit. Experten hatten dies erwartet.
Das besser als erwartet ausgefallene deutsche BIP hat den Euro am Dienstag angeschoben. Die Gemeinschaftswährung kletterte auf ein Tageshoch von 1,2370 Dollar nach 1,2329 Dollar im New Yorker Schlussgeschäft vom Montag.
Am Markt für deutsche Staatsanleihen sind die Kurse mit Verlusten in den Handel gestartet. Der richtungsweisende Euro-Bund-Future verlor zu Handelsbeginn 0,27 Prozent auf 142,79 Punkte. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe lag bei 1,434 Prozent.
ZEW-Index fällt
Im Sommer könnte aber auch Europas größte Volkswirtschaft nach Prognose von Ökonomen schrumpfen. "Bis auf weiteres dürfte das aber die letzte positive Nachricht aus Deutschland gewesen sein", sagte Jörg Krämer von der Commerzbank. Exporte, Produktion und Industrieaufträge waren zuletzt gesunken. Der Ifo-Geschäftsklimaindex als wichtigstes Konjunkturbarometer liegt auf dem niedrigsten Niveau seit März 2010.
Auch die Bundesregierung befürchtet einen Rückschlag angesichts der Dauerkrise in Europa. "Die weiteren Aussichten für die deutsche Wirtschaft bleiben erst einmal verhalten und sind mit erheblichen Risiken behaftet", warnte das Wirtschaftsministerium jüngst: "Vor allem die Schuldenkrise in einigen Ländern des Euroraums wirkt erneut belastend, schürt Verunsicherung und führt zu Zurückhaltung in der Wirtschaft." Zudem bleibe die Weltwirtschaft fragil.
Risiken für exportorientierte Branchen steigen
Ebenfalls eingetrübt hat sich die Konjunkturzuversicht deutscher Finanzexperten im August. Die ZEW-Konjunkturerwartungen seien zum Vormonat um 5,9 Punkte auf minus 25,5 Zähler gefallen, teilte das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Dienstag in Mannheim mit. Volkswirte hatten mit einer leichten Erholung auf minus 19,3 Punkte gerechnet. Die Lagebeurteilung gab ebenfalls nach. Sie sank um 2,9 Punkte auf 18,2 Zähler. Volkswirte hatten hier mit einem etwas stärkeren Rückgang auf 17,5 Punkte gerechnet.
Der Rückgang der Erwartungen signalisiert, dass die befragten Finanzprofis weiterhin von einer Abkühlung der deutschen Konjunktur auf Sicht der nächsten sechs Monate ausgehen. "Dies dürfte insbesondere die exportorientierten Branchen betreffen", kommentierte das ZEW die Daten. Obwohl das Erwartungsbarometer ein Jahrestief markiert, betonen die Mannheimer Wirtschaftsforscher, dass der Indikator weit von den niedrigen Niveaus der Finanzkrise entfernt bleibt. 2008 waren teilweise Werte unter minus 60 Punkten erreicht worden.
Die Konjunkturerwartungen für die Euro-Zone haben sich dagegen im August kaum verändert. Der entsprechende Indikator des ZEW stieg um 1,1 Punkte gegenüber dem Vormonat und liegt nun bei minus 21,2 Punkten. Der Indikator für die aktuelle Konjunkturlage im Euro-Raum ist im August geringfügig um 2,2 Punkte zurückgegangen und befindet sich nun bei minus 75,1 Punkten.