Nur noch 60 Millionen Euro sollen Griechenland und seine Geldgeber von einem Verhandlungserfolg am vergangenen Freitag getrennt haben. Doch dann brach der griechische Premier Alexis Tsipras die Verhandlungen ab und kündete ein Referendum über die Vorschläge an
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War der griechische Premier Alexis Tsipras trotz anderslautender Bekundungen nie an einer Einigung im griechischen Schuldenstreit interessiert? Hat der linke Politiker letztlich wegen 60 Millionen Euro den Verbleib seines Landes in der Euro-Zone aufs Spiel gesetzt? Diese Vermutung legt ein Onlinebericht des politischen Magazins "Politico" nahe.
Dem englischsprachigen Bericht des Magazins zufolge waren die Regierung Tsipras und die EU-Kommission am vergangenen Freitag im Schuldenstreit einem Verhandlungserfolg so nah wie nie zuvor. Letztlich trennten die Geldgeber und Griechenland nur noch 60 Millionen Euro, habe EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Parteifreunden der Europäischen Volkspartei (EVP) während eines Treffens gesagt.
Das Magazin zitiert einen EVP-Abgeordneten, der bei dem Treffen zugegen war, mit den Worten: "Er [Juncker, Anm. der Redaktion] sagte: Wir waren so nah, in der Tat, so nah , dass uns nur noch 60 Millionen Euro trennten." Die von Juncker genannte Zahl hätten drei weitere in dem Raum anwesende Quellen bestätigt.
Tsipras war dennoch wenig später abgereist und hatte kurz darauf für Sonntag das Referendum verkündigt. Laut "Politico" sei Juncker zu der Überzeugung gelangt, dass die griechische Regierung nicht an einem Verhandlungserfolg interessiert gewesen sei, heißt es in dem am Mittwochabend veröffentlichten Bericht weiter.
Juncker hatte in der Öffentlichkeit fast gebetsmühlenhaft wiederholt, dass er an eine Verhandlungslösung glaube. Nachrichtenagenturen veröffentlichten Bilder von ihm und Tsipras, auf denen der Präsident die Wange des Premiers tätschelt oder freundschaftlich die Hand auf die Schulter legt. Juncker war auch wegen dieser Bilder in die Kritik geraten. Politische Beobachter hatten dem EU-Kommissionspräsidenten eine zu große Nähe zu dem griechischen Premier vorgeworfen.
Als die Verhandlungen am Freitag geplatzt waren, hatte sich der EU-Kommissionspräsident in einer späteren Pressekonferenz sichtlich ergriffen und enttäuscht gezeigt. Gegenüber Reportern hatte er die Zahl allerdings nicht wiederholt, sondern lediglich erklärt, dass man sich in den Verhandlungen bei den strittigen Positionen bereits sehr nahe gekommen sei und er sich "verraten" fühle.
Das unabhängige Magazin "Politico" gilt in den USA mittlerweile als das Nachrichtenmagazin für Polit-Profis und politisch Interessierte und wird von ehemals führenden Köpfen der "Washington Post" geführt.
Zu große Nähe? EU-Kommissionspräsident Juncker und Griechenlands Premier Tsipras (l)
Nur noch 60 Millionen Euro sollen Griechenland und seine Geldgeber von einem Verhandlungserfolg am vergangenen Freitag getrennt haben. Doch dann brach der griechische Premier Alexis Tsipras die Verhandlungen ab und kündete ein Referendum über die Vorschläge an