Margrethe Vestager in der Fernsehdebatte am Mittwoch
Foto: REUTERS
Foto: Thierry Roge/DPA
Fotostrecke
Liberale als Machtfaktor in der EU: Macrons bunte Truppe
Um eine Empfehlung für die neue EU-Spitze sollten die Liberalen wohl besser nicht bei Guido Kerkhoff vorsprechen. Vollends enttäuscht zeigt sich der Thyssenkrupp-Chef in einem Video an die Mitarbeiter, in dem er das Scheitern der Stahlfusion mit Tata und die dramatische Strategiewende des Ruhrkonzerns zu erklären versucht. Man sei ja zu vielen Zugeständnissen bereit gewesen, aber irgendwann sei es auch mal genug.
Durchkreuzt wurden Thyssenkrupps Pläne von Margrethe Vestager (51), EU-Kommissarin für Wettbewerb - und ausgerechnet die könnte mit Hilfe der Liberalen nach der Europawahl die Führung der Brüsseler Behörde übernehmen.
Offiziell lehnt das liberale Parteienbündnis ALDE, das sich mit der "Renaissance" von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zusammengetan hat, eine Spitzenkandidatur ab. Es solle nicht so getan werden, als könnten die Bürger direkt über den Topjob in Brüssel bestimmen. Das tun in Wahrheit die Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat. Und dort könnten die Liberalen tatsächlich den mächtigen Hebel finden, um den Durchmarsch des Konservativen Manfred Weber zu stoppen.
Vor der Wahl legen sie sich auf keine Personalie fest. Aber über keinen Namen wurde so heftig spekuliert wie über Margrethe Vestager. Und in der Fernsehdebatte im Europaparlament trat sie dann doch als einzige Vertreterin des siebenköpfigen "Team Europe" der Liberalen an - unter der Überschrift "Kandidaten für die Präsidentschaft der europäischen Kommission".
Erst am Abend nach der Wahl machte Vestager ihre Ambition offiziell: "Ja, ich will EU-Kommissionspräsidentin werden."
Ausgerechnet die Liberalen, deren Markenzeichen ihre besondere Wirtschaftsnähe ist, werben also für einen ausgewiesenen Konzernschreck.
Foto: Arnulf Stoffel/ DPA
Fotostrecke
Veto gegen Siemens-Alstom: Diese Übernahmen hat die EU schon blockiert
Denn auch Siemens-Chef Joe Kaeser hätte nur Negativwerbung ("rückwärtsgewandt") für Vestager parat, die im Februar seinen Plan einer Zugfusion mit Alstom vereitelte.
Die Deutsche Börse hinderte die Dänin bereits 2017 daran, mit der London Stock Exchange zu fusionieren.
Gegenüber Apple verhängte sie eine Multi-Milliarden-Strafe wegen der Steuertricks der Amerikaner - gegenüber Google gleichzweimal wegen Marktmissbrauch.
Und am Donnerstag vergangener Woche legte sie noch einmal mit gut einer Milliarde Strafe gegen fünf globale Großbanken wegen Manipulation des Devisenhandels nach - der vorerst letzte Akt im Anti-Konzern-Wahlkampf der Liberalen.
"Mein Job ist es, Monopole zu brechen", kokettiert Vestager nun. In diesem Fall meint sie das politische Monopol der konservativen Europäischen Volkspartei, die bislang alle drei EU-Präsidenten stellt: in Kommission (Jean-Claude Juncker), Rat (Donald Tusk) und Parlament (Antonio Tajani). Ohne die Stimmen der EVP wird auch Vestager sich nicht an die Spitze setzen können - aber dafür, dass all diese Posten jetzt diplomatische Verhandlungsmasse werden, hat auch sie gesorgt.
14 BilderLiberale als Machtfaktor in der EU: Macrons bunte Truppe
1 / 14
Proteste der Gelbwesten, Marine Le Pens Nationalisten im Umfragehoch - Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (41) hat zu Hause reichlich Probleme. Trotzdem will er die Europawahl nutzen, um doch noch mal als Retter und Reformer der EU aufzutreten - nicht nur gegen die EU-Gegner von Rechtsaußen, sondern auch noch die dominierenden Konservativen, die unter Angela Merkels Führung alle Vorschläge Macrons abbügelten.
Foto: Thierry Roge/DPA
2 / 14
Macron wehrt sich gegen den Automatismus, Merkels Kandidaten Manfred Weber zum Kommissionspräsidenten zu machen, dessen Europäische Volkspartei (EVP) trotz herber Verluste erneut die meisten Stimmen bekam. Stattdessen könnte es beispielsweise EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager (51) werden, die sich als bürgernahe Kämpferin gegen Konzerne wie Google oder Siemens profiliert. Macrons neue Europabewegung "Renaissance" hat eine Allianz mit der liberalen Parteienfamilie ALDE gebildet, die auf seinen Druck keine Spitzenkandidatur erklärte - aber Vestager in die Fernsehdebatte schickte.
Foto: REUTERS
3 / 14
Offiziell ist das liberale "Team Europe" siebenköpfig. Dazu zählt zum Beispiel Nicola Beer (49) von der deutschen FDP - trotz Vorwürfen einer zu großen Nähe zu Ungarns illiberaler Führung. Mit Macrons Hilfe könnte ALDE auf rund 100 der 751 Sitze wachsen. Ohne die Hilfe der Liberalen bekämen Konservative und Sozialdemokraten keine Mehrheit für ihre Kandidaten in Straßburg. Noch wichtiger aber ...
Foto: DPA
4 / 14
... ist der Europäische Rat. Mit Macron stellen die Liberalen neun der 28 Staats- und Regierungschefs - die tatsächlich das Sagen haben, auch über Personalien wie die Kommission oder die ebenfalls in diesem Jahr anstehende EZB-Präsidentschaft. Die EVP hat nur noch acht Regierungschefs, und da ist der suspendierte Ungar Viktor Orban schon mitgezählt. Auf dem jüngsten EU-Gipfel im rumänischen Sibiu präsentierten sich die Liberalen als Phalanx, mit einem gemeinsamen Vorstoß zum Klimaschutz. Von links nach rechts: Lars Løkke Rasmussen (Dänemark), Xavier Bettel (Luxemburg), Charles Michel (Belgien), Emmanuel Macron (Frankreich), Mark Rutte (Niederlande). Allerdings ...
Foto: AFP
5 / 14
... ist diese Eintracht erst kurz vor dem Wahltermin entstanden. Vor allem der niederländische Premier Mark Rutte macht seit Jahren Opposition gegen Macrons EU-Pläne und will die Union lieber auf ein Minimum reduzieren. Mit mehreren anderen Staatenlenkern - darunter einigen liberalen Kollegen - schmiedete er dazu eine eigene Allianz, je nach Wohlwollen als "neue Hanse" oder "die sieben Zwerge" apostrophiert.
Foto: AFP
6 / 14
Der Däne Lars Løkke Rasmussen kämpft gerade - ohne große Aussicht - um seine Wiederwahl im Juni. Ohnehin bilden seine Rechtsliberalen in Kopenhagen nur eine Minderheitsregierung von Gnaden der Dänischen Volkspartei, die für Le Pens neue große Rechts-Fraktion bereitsteht. Schon vor der Flüchtlingskrise führte Dänemark neue Grenzkontrollen ein - nicht gerade Macrons Euro-Vision. Die linksliberale Partei von EU-Kommissarin Vestager steht in der Opposition. Daher ist fraglich, ob sie überhaupt von der Regierung im Rat nominiert wird, um den Topjob in Brüssel zu bekommen.
Foto: Mads Claus Rasmussen/ Ritzau Scanpix/ AFP
7 / 14
Die Wahl schon hinter sich hat der Finne Juha Sipilä - und erlitt im April eine krachende Niederlage. Zuvor war seine ebenfalls von Nationalisten gestützte Regierung mit großen Sozialreformplänen gescheitert. Jetzt bietet Sipilä sich dem Sozialdemokraten Antti Rinne (rechts) als Mehrheitsbeschaffer an. Für die Wahl des EU-Kommissionschefs dürfte er noch als geschäftsführender Premier im Amt sein - und den Liberalen eine entscheidende Stimme liefern.
Foto: AFP
8 / 14
Auch der Belgier Charles Michel steht auf Abruf: Dort wurde zeitgleich mit der Europawahl das nationale Parlament gewählt. Ohne die flämischen Nationalisten, die ihm im Streit um den UN-Migrationspakt von der Fahne gingen, hat Michel keine Mehrheit mehr.
Foto: Nicolas Maeterlinck/ dpa
9 / 14
Der estnische Kollege Juri Ratas hat ebenfalls eine Wahl verloren - konnte sich aber im Amt halten, indem er im April mit einer extrem nationalistischen Partei koalierte. Die ALDE hätte sich lieber mit der jungen, Europa-erfahrenen Wahlsiegerin Kaja Kallas geschmückt, deren Reformpartei ebenso wie Ratas' Zentrumspartei zur ALDE gehört. Der Premier in Tallinn gab den liberalen Brüdern und Schwestern eine rüde Abfuhr: "Brüssel sollte Estland nicht diktieren, wie unsere neue Koalition aussieht."
Foto: REUTERS
10 / 14
Zu den größten liberalen Delegationen in Straßburg gehören künftig die sechs tschechischen Abgeordneten der Partei Ano von Premier Andrej Babis. Gegen den Milliardär, der als Kämpfer gegen die Korruption die Prager Politik aufmischte, jetzt aber selbst unter Vorwürfen - unter anderem des EU-Korruptionsbetrugs - steht, laufen Proteste unter EU-Fahnen. Babis gilt als "tschechischer Donald Trump" und vertritt eine harte Linie in der Migrationspolitik. Im Parlament hängt seine Mehrheit von den Kommunisten ab, zuvor waren es die Rechtsextremen. Doch auch das gehört zur liberalen Parteienfamilie ALDE.
Foto: AFP
11 / 14
Nicht ganz sicher ist das Label bei der rumänischen Partei von Senatssprecher Calin Popescu Tariceanu, obwohl die ganz EU-treu sogar den Namen ALDE als ihren eigenen übernommen hat. Die Liberalen wollen ihre Bukarester Freunde jedoch suspendieren. Die sind nämlich Teil einer sozialliberalen Regierung, die wegen einer Aufweichung der Anti-Korruptionsgesetze im Clinch mit Brüssel liegen. In Rumänien fördern die EU-Liberalen jetzt eine neue Partei, die auch mit acht Sitzen die alten Liberalen aus dem Parlament drängte.
Foto: REUTERS
12 / 14
Auf mehr als 100 Europaabgeordnete kommen die Liberalen nicht zuletzt dank der 17 britischen Lib Dems von Vince Cable. Die, vor kurzem noch eine Lachnummer in London, haben sich als führende Anti-Brexit-Kraft präsentiert. Das passt natürlich gut zu Macrons Image. Allerdings trägt ihre Präsenz ein Verfallsdatum. Nach heutigem Stand ist der Brexit für Oktober terminiert.
Foto: REUTERS
13 / 14
Um wirklich als Vormann der Proeuropäer Erfolg zu haben, braucht Macron Allianzen über die Liberalen hinaus. Und siehe da: Portugals sozialdemokratischer Ministerpräsident Antonio Costa bekundet Macrons "Renaissance" seine Unterstützung, auch die italienischen Genossen könnten sich anschließen - obwohl ihr niederländischer Parteifreund Frans Timmermans offiziell der einzig wahre Herausforderer für Manfred Weber ist. Costas eigene Minderheitsregierung, gestützt von Kommunisten und Linksblock, wackelt gerade.
Foto: DPA
14 / 14
Seit langem wildert Macron bei den Grünen, von denen er in Frankreich Toppersonal wie Pascal Canfin für die Europawahlliste abgeworben hat. Im Wahlkampf tritt auch der Deutsch-Franzose Daniel Cohn-Bendit auf. Als Ampelkoalition hätte die "Renaissance" zumindest eine Sperrminorität im Europaparlament. Um etwas zu bewegen, bräuchte sie jedoch die nationalen Regierungen, die vielerorts von populistischen Gegnern abhängen.
Foto: AFP
Proteste der Gelbwesten, Marine Le Pens Nationalisten im Umfragehoch - Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (41) hat zu Hause reichlich Probleme. Trotzdem will er die Europawahl nutzen, um doch noch mal als Retter und Reformer der EU aufzutreten - nicht nur gegen die EU-Gegner von Rechtsaußen, sondern auch noch die dominierenden Konservativen, die unter Angela Merkels Führung alle Vorschläge Macrons abbügelten.
Foto: Thierry Roge/DPA
Auch der Belgier Charles Michel steht auf Abruf: Dort wurde zeitgleich mit der Europawahl das nationale Parlament gewählt. Ohne die flämischen Nationalisten, die ihm im Streit um den UN-Migrationspakt von der Fahne gingen, hat Michel keine Mehrheit mehr.
14 BilderVeto gegen Siemens-Alstom: Diese Übernahmen hat die EU schon blockiert
1 / 14
Thyssen-Tata - das war einmal der Schrecken der Stahlarbeiter von Thyssenkrupp. Jetzt erleiden sie einen noch größeren Schrecken: dass die ausgehandelte und mit Jobgarantien versehene Fusion doch nicht kommt, weswegen tausende Stellen gestrichen werden. Konzernchef Guido Kerkhoff sagte den Plan im Mai überraschend ab, weil die Aussicht auf Erlaubnis der EU-Wettbewerbsbehörde fehlte.
Foto: Arnulf Stoffel/ DPA
2 / 14
Schon im Februar stoppte Brüssel Siemens-Chef Joe Kaeser mit seinem Mega-Deal zur Übernahme des französischen Bahnherstellers Alstom - obwohl auf solch "europäische Champions" sogar die neue deutsche Industriestrategie zielt. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager will ein Beinahe-Monopol auf dem europäischen Bahnmarkt verhindern.
Foto: Stephane Mahe/ REUTERS
3 / 14
Zum Ende ihrer Amtszeit scheint sich die Kommission von Jean-Claude Juncker wenig um Widerstand aus Berlin oder Paris zu scheren. "Wir wollen europäische Firmen, die auf dem Weltmarkt bestehen können", beteuert Juncker. Dafür werde man aber nicht das Wettbewerbsrecht ignorieren. Von mehr als 7000 angemeldeten Übernahmen seit 1990 habe die EU nur 27 mal ein Veto eingelegt - umso schwerer wiegt die aktuelle Kehrtwende.
Foto: Virginia Mayo/ dpa
4 / 14
Zugleich blockierte Vestagers Behörde einen weiteren Deal mit deutscher Beteiligung: Der Hamburger Kupferkonzern Aurubis wollte seine Sparte für Flachwalzprodukte und das Joint-Venture Schwermetall dem Familienunternehmen Wieland-Werke verkaufen. Trotz Zugeständnissen zu wenig Wettbewerb, befand das Brüsseler Amt. Im Übernahmen-Rekordjahr 2018 hatte es kein einziges Veto gegeben ...
Foto: Maurizio Gambarini/ picture alliance / dpa
5 / 14
... obwohl der Zusammenschluss des weltgrößten Brillenherstellers Luxottica mit dem weltgrößten Linsenhersteller Essilor kritisch beäugt wurde. Nach genauer Prüfung befand die Kommission dann aber doch, ihre anfängliche Sorge um die Preismacht des italienisch-französischen Unternehmens sei unbegründet gewesen - Freigabe ohne Auflagen.
Das bislang bedeutendste Verbot von Margrethe Vestager betraf 2017 die geplante Fusion von Deutscher Börse und London Stock Exchange wegen eines befürchteten Monopols auf den Anleihehandel auf dem Kontinent. Mit Blick auf den Brexit ist es für den Konzern ohne den 29-Milliarden-Euro-Deal wohl auch einfacher. Doch schon 2012 war die Deutsche Börse mit dem Wunsch nach Fusion mit der Nyse Euronext an der EU gescheitert.
Foto: Toby Melville/ REUTERS
7 / 14
In Großbritannien verbot die EU 2016 dem zu Hutchison Whampoa gehörenden Mobilfunknetzbetreiber Three, für zehn Milliarden Pfund die dortige O2-Landesgesellschaft von Telefónica zu übernehmen. Dann hätte es immer noch drei große Netzbetreiber wie in Deutschland gegeben, aus Brüsseler Sicht aber zu wenig Wettbewerb. So blieb es bis heute beim Status Quo.
Foto: REUTERS
8 / 14
Für Ex-Telekom-Chef René Obermann war der neue Job beim niederländischen Kabelnetzbetreiber Ziggo ein kurzes Gastspiel, weil der US-Konzern Liberty Global die Firma 2014 übernahm. Vestagers Vorgänger Joaquin Almunia erlaubte den Deal, die EU-Entscheidung wurde dann jedoch vom Europäischen Gerichtshof widerrufen. 2018 erlaubte Vestager die längst vollzogene Übernahme dann erneut - unter Auflagen.
Foto: Oliver Berg/ picture alliance / dpa
9 / 14
Mit der Justiz geriet die EU noch wegen einer anderen Entscheidung aus Almunias Zeit aneinander. Die Kommission hatte 2013 dem US-Logistikdienst UPS verboten, den niederländischen Wettbewerber TNT zu kaufen. Zwei Jahre später ging TNT stattdessen an den - in Europa bislang weniger präsenten - US-Konzern Fedex. Im Januar 2019 hatte die Klage von UPS vor dem Europäischen Gerichtshof Erfolg: Die Amerikaner hätten mehr Gelegenheit zur Stellungnahme bekommen müssen. Die Übernahme wird sich rückwirkend nicht doch noch realisieren lassen, aber UPS fordert 1,74 Milliarden Euro Entschädigung von der EU.
Foto: Peter Dejong/ AP
10 / 14
Ebenfalls 2013 untersagte Almunia den Zugriff der Billigfluggesellschaft Ryanair auf den irischen Flag Carrier Aer Lingus - ebenso wie seine Vorgängerin Neelie Kroes es 2007 bei einem früheren Versuch Ryanairs getan hatte. Die beiden Airlines zusammen hätten den Flugverkehr nach Irland dominiert. Stattdessen ging Aer Lingus 2015 an die British-Airways/Iberia-Holding IAG.
Am aktivsten gegen Großfusionen war als Wettbewerbskommissar Mario Monti, der spätere italienische Premierminister - auch mit Blick weit über Europa hinaus. 2001 blockierte er gleich fünf Deals, darunter das 45-Milliarden-Dollar-Gebot des damals wertvollsten Konzerns der Welt, General Electric, für den Wettbewerber Honeywell. Monti stoppte so die Ambitionen des mächtigen GE-Topmanagers Jack Welch und bot auch der US-Regierung die Stirn. Dass beide Unternehmen amerikanisch sind, sei für das Brüsseler Urteil "irrelevant", befand Monti. Heute hat das unabhängig gebliebene Honeywell einen höheren Börsenwert als GE.
Foto: REUTERS
12 / 14
Noch größer war mit 110 Milliarden Dollar im Jahr 2000 die damals geplante Fusion der US-Telekomfirmen MCI Worldcom und Sprint. Da war sich EU-Kommissar Monti mit seinem Nein aber einig mit dem US-Justizministerium. MCI Worldcom ging kurz darauf über einen Bilanzskandal in die Insolvenz, die Reste übernahm Verizon. Sprint - heute in Obhut des japanischen Softbank-Konzerns - ist weiterhin eine große Nummer im US-Mobilfunkmarkt und immer wieder in Fusionsgesprächen mit der Telekom-Tochter T-Mobile US.
Foto: REUTERS
13 / 14
Auch zum Verkauf des schwedischen Lastwagenbauers Scania an die heimischen Rivalen von Volvo sagte Mario Monti im Jahr 2000 Nein. Hätte er das nicht getan, könnte Scania heute wohl nicht zum Volkswagen-Konzern gehören.
Foto: Volkswagen
14 / 14
Das erste Veto der EU-Kommission gegen eine Übernahme betraf 1991 den Verkauf der britischen Boeing-Tochter De Havilland an die damaligen Flugzeugbauer Aérospatiale aus Frankreich und Alenia aus Italien. Damals führte der britische Konservative Leon Brittan die Behörde. Als Aérospatiale-Matra 2000 mit DaimlerChrysler Aerospace und der spanischen Sepi Construcciones Aeronauticas zu EADS (heute Airbus) fusionierte und so praktisch ein Duopol mit Boeing erzeugte, hatte die EU jedoch nichts dagegen. Als "Airbus auf Schienen" hoffte Siemens-Chef Joe Kaeser deshalb seinen Bahn-Deal promoten zu können - vergeblich.
Foto: DPA
Thyssen-Tata - das war einmal der Schrecken der Stahlarbeiter von Thyssenkrupp. Jetzt erleiden sie einen noch größeren Schrecken: dass die ausgehandelte und mit Jobgarantien versehene Fusion doch nicht kommt, weswegen tausende Stellen gestrichen werden. Konzernchef Guido Kerkhoff sagte den Plan im Mai überraschend ab, weil die Aussicht auf Erlaubnis der EU-Wettbewerbsbehörde fehlte.
Foto: Arnulf Stoffel/ DPA
Schon im Februar stoppte Brüssel Siemens-Chef Joe Kaeser mit seinem Mega-Deal zur Übernahme des französischen Bahnherstellers Alstom - obwohl auf solch "europäische Champions" sogar die neue deutsche Industriestrategie zielt. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager will ein Beinahe-Monopol auf dem europäischen Bahnmarkt verhindern.
Foto: Stephane Mahe/ REUTERS
Zum Ende ihrer Amtszeit scheint sich die Kommission von Jean-Claude Juncker wenig um Widerstand aus Berlin oder Paris zu scheren. "Wir wollen europäische Firmen, die auf dem Weltmarkt bestehen können", beteuert Juncker. Dafür werde man aber nicht das Wettbewerbsrecht ignorieren. Von mehr als 7000 angemeldeten Übernahmen seit 1990 habe die EU nur 27 mal ein Veto eingelegt - umso schwerer wiegt die aktuelle Kehrtwende.
Foto: Virginia Mayo/ dpa
Zugleich blockierte Vestagers Behörde einen weiteren Deal mit deutscher Beteiligung: Der Hamburger Kupferkonzern Aurubis wollte seine Sparte für Flachwalzprodukte und das Joint-Venture Schwermetall dem Familienunternehmen Wieland-Werke verkaufen. Trotz Zugeständnissen zu wenig Wettbewerb, befand das Brüsseler Amt. Im Übernahmen-Rekordjahr 2018 hatte es kein einziges Veto gegeben ...
Foto: Maurizio Gambarini/ picture alliance / dpa
... obwohl der Zusammenschluss des weltgrößten Brillenherstellers Luxottica mit dem weltgrößten Linsenhersteller Essilor kritisch beäugt wurde. Nach genauer Prüfung befand die Kommission dann aber doch, ihre anfängliche Sorge um die Preismacht des italienisch-französischen Unternehmens sei unbegründet gewesen - Freigabe ohne Auflagen.
Das bislang bedeutendste Verbot von Margrethe Vestager betraf 2017 die geplante Fusion von Deutscher Börse und London Stock Exchange wegen eines befürchteten Monopols auf den Anleihehandel auf dem Kontinent. Mit Blick auf den Brexit ist es für den Konzern ohne den 29-Milliarden-Euro-Deal wohl auch einfacher. Doch schon 2012 war die Deutsche Börse mit dem Wunsch nach Fusion mit der Nyse Euronext an der EU gescheitert.
Foto: Toby Melville/ REUTERS
Für Ex-Telekom-Chef René Obermann war der neue Job beim niederländischen Kabelnetzbetreiber Ziggo ein kurzes Gastspiel, weil der US-Konzern Liberty Global die Firma 2014 übernahm. Vestagers Vorgänger Joaquin Almunia erlaubte den Deal, die EU-Entscheidung wurde dann jedoch vom Europäischen Gerichtshof widerrufen. 2018 erlaubte Vestager die längst vollzogene Übernahme dann erneut - unter Auflagen.
Foto: Oliver Berg/ picture alliance / dpa
Ebenfalls 2013 untersagte Almunia den Zugriff der Billigfluggesellschaft Ryanair auf den irischen Flag Carrier Aer Lingus - ebenso wie seine Vorgängerin Neelie Kroes es 2007 bei einem früheren Versuch Ryanairs getan hatte. Die beiden Airlines zusammen hätten den Flugverkehr nach Irland dominiert. Stattdessen ging Aer Lingus 2015 an die British-Airways/Iberia-Holding IAG.
Auch zum Verkauf des schwedischen Lastwagenbauers Scania an die heimischen Rivalen von Volvo sagte Mario Monti im Jahr 2000 Nein. Hätte er das nicht getan, könnte Scania heute wohl nicht zum Volkswagen-Konzern gehören.