EU und IWF: Hitzige Diskussion der Gläubiger Warum die Drachme wieder ein Thema ist

Von Arvid Kaiser
Historische Drachmen: Der Plan B zum Euro-Austritt ist wieder gefragt

Historische Drachmen: Der Plan B zum Euro-Austritt ist wieder gefragt

Foto: Roland Schlager/ dpa

Für risikoscheue Anleger, die trotzdem den Euro-Finanzministern voll vertrauen, gibt es einen heißen Tipp, der ihnen jede Sorge vor Nullzinsen und Inflation nehmen könnte: Griechische Staatsanleihen mit zweijähriger Laufzeit waren an diesem Dienstagabend mit solchen Abschlägen zu haben, dass sie 10 Prozent Rendite versprechen. Noch am Vortag brachte der Kauf derselben Papiere 8,5, im November weniger als 5 Prozent.

Damit das Geld fließt, muss die Hellenische Republik nur bis Anfang 2019 flüssig bleiben. Das ist eigentlich eine lösbare Aufgabe, steht das Land doch unter dem dritten Rettungsschirm des Euro-Staatenfonds ESM.

Ihre finanziellen Zusagen an den ESM hat die griechische Regierung für 2016 übererfüllt. Steuern steigen, Ausgaben sinken. Das zarte Wirtschaftswachstum soll in diesem Jahr auf 2,7 Prozent zunehmen (wenn auch zehnmal so viel nötig wäre, um den Krisenschaden zu beheben).

Für die nächsten Jahre sollte der Schuldendienst keine Probleme bereiten, betonen die Euro-Finanzminister, die es wissen müssen. Sie sind ja die Hauptgläubiger. Sogar bis zur Mitte des Jahrhunderts sieht die von Wolfgang Schäuble und dem Niederländer Jeroen Dijsselbloem angeführte Gruppe "große Schritte zur Tragfähigkeit der griechischen Schulden". Erst Ende Januar sprach der ESM Zinsgarantien zu diesem Zweck aus.

Aber die wieder ansteigende Fieberkurve vom Anleihenmarkt zeigt, dass viele Anleger in ihrer Risikoscheu eben doch nicht mehr genug auf die Worte von Schäuble und Kollegen geben. Die Griechenland-Krise ist zurück, sogar Forderungen nach einem Euro-Rauswurf und Rückkehr zur Drachme wie vom Europaparlamentsvize Alexander Graf Lambsdorff (FDP) machen wieder die Runde.

So ohne Not die neue Unruhe aus finanziellen Gründen gerade jetzt erscheint, politisch hat sie durchaus einen Anlass.

Von Konsens in Washington ist nichts mehr übrig

Denn der Internationale Währungsfonds spielt bei der Taktik der Euro-Partner, Griechenlands Probleme auf Dauer zuzudecken, nicht mit - so gern seine Chefin Christine Lagarde, die selbst einmal französische Finanzministerin war und ähnliche Beschlüsse zu Griechenland mittrug, das auch täte.

Was am Montag aus dem IWF-Direktorium in Washington drang, wirkte zunächst positiv für die Euro-Gruppe: Der IWF, der sich lange gegen eine Beteiligung am neuen Kreditprogramm gesträubt hatte, schien auf die Europäer zuzugehen.

Doch bei genauerem Hinsehen entpuppte sich das Statement als Dokument der Uneinigkeit - auch ohne das wichtigste Mitgliedsland USA, dessen Hauptvertretung in dem Gremium vakant ist. Von dem in Washington üblichen Konsens ist nichts übrig.

Nur "manche Direktoren", die von den Mitgliedstaaten entsandten Vertreter, halten regelmäßige Haushaltsüberschüsse von 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung in Athen getreu der Euro-Linie für machbar. Man kann raten, wer diese manchen sind: Der Deutsche Steffen Meyer und wenige europäische Kollegen.

"Die meisten Direktoren" hingegen - mutmaßlich die vor allem nicht-europäischen Geldgeber des IWF - befanden, dass es mit der Sparpolitik in Griechenland nach acht Jahren der Abwärtsspirale auch einmal reiche. Die absehbaren Überschüsse von 1,5 Prozent jährlich seien die Grenze, um die griechische Wirtschaft nicht noch weiter abzuwürgen und die Schuldenlast so erst recht zu erschweren.

Und diese Mehrheit findet sich laut Mitteilung in Einklang mit dem Urteil der IWF-Fachleute: In der Analyse, aus der mehrere Medien zitieren, werden die Ansprüche von Deutschland und Co. als "nicht tragfähig" beschrieben. Auch nach den jüngsten Zugeständnissen des ESM sei die langfristige Schuldenlast so hoch, dass der Fonds gegen die eigenen Regeln verstieße, wenn er dem bereits verbrannten Geld weiteres gutes hinterherwürfe.

Ohne Schuldenschnitt kein Geld vom IWF, ohne IWF-Geld keines vom ESM

Die Logik ist unbestechlich: Ein Schuldenschnitt muss her, sonst gibt der IWF kein weiteres Geld. Das heißt, dass die Euro-Staaten verzichten, und zwar nicht nur auf theoretische Zinseinnahmen in der Zukunft, sondern auch direkt haushaltswirksam auf den Nennwert ihrer Forderungen.

Fotostrecke

Griechenland nur auf Platz 2: Das sind die Länder mit der höchsten Staatsverschuldung

Foto: JOSE JORDAN/ AFP

Genau das will Schäuble um jeden Preis verhindern, zumal im Bundestagswahljahr - und zugleich hat er zur Bedingung der im Sommer 2015 vereinbarten Griechenland-Kredite gemacht, dass irgendwann auch der IWF das Programm mittrage. Das wurde als "unabdingbar" in den ESM-Beschluss geschrieben - obwohl der ESM allein mehr als genug Geld zur Verfügung hat. Sonst gelte auch das Mandat des Bundestags nichts.

Dieses "irgendwann" schien eine Zeitlang zu helfen, das Dilemma auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Mal berichtete die Euro-Gruppe, der IWF habe einen Beschluss zur Beteiligung bis Ende 2016 zugesagt. Und als dieses Datum verstrich, bekundete IWF-Präsidentin Lagarde im Januar in Davos nochmal ihren Willen, eine neue Euro-Krise zu umschiffen. Wer braucht die jetzt schon?

In dieser Lage verschärfte ESM-Chef Klaus Regling den Druck: Ohne Geld vom IWF werde auch die nächste Rate von den Euro-Gläubigern nicht fließen, die Griechenland wohl im Sommer benötigt, um Altschulden abzulösen.

Ab dem 20. Februar, wenn die Euro-Finanzminister erneut tagen, wird der altbekannte Reigen regelmäßiger Krisentreffen also erneut beginnen. Bis ein Weg gefunden ist, die unvereinbaren Gegensätze abermals zu überdecken. Oder es doch noch zum großen Knall kommt. Dann muss die griechische Regierung ihren "Plan B" zur Drachme wieder aus der Schublade holen. Und der heiße Anlagetipp in griechische Euro-Anleihen ist leider ruinös. Die bisherigen Staatskredite übrigens auch.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren