Griechenlands Wahlsieger kontra Gläubiger Wie die neue Athener Regierung wieder rote Zahlen anpeilt

Neuer griechischer Finanzminister Christos Staikouras (l) und Vorgänger Euklid Tsakalotos
Foto: APDas ging schnell: Am Sonntag haben die Griechen nach vier Jahren die Linksregierung von Alexis Tsipras abgewählt, am Dienstag wurde schon das neue Kabinett des konservativen Premierministers Kyriakos Mitsotakis (51) vereidigt - und gleich begann der erste Streit ums Geld mit den EU-Behörden.
Die Regierung wäre gut beraten, sich an die Abkommen mit ihren Gläubigern zu halten, mahnte der scheidende EU-Währungskommissar Pierre Moscovici in Brüssel. Der Haushaltsüberschuss (vor Zinsen) von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukt, bis zum Jahr 2022 von Griechenland verlangt, sei ein "Eckstein" des jüngsten Schulden-Deals, beharrte auch Klaus Regling, Chef des Euro-Rettungsfonds ESM, dem größten Gläubiger des Landes.
Genau über dieses ambitionierte Ziel wollte Mitsotakis eigentlich eine "ehrliche" Diskussion führen. Denn "ich verpflichte mich zu niedrigeren Steuern, vielen Investitionen für gute und neue Jobs, und Wachstum, das bessere Löhne und höhere Renten in einem effizienten Staat bringen wird" - so hatte der Wahlsieger sich präsentiert.
Denn gerade mit ihrem Einknicken vor den Sparbedingungen der EU hat die Vorgängerregierung an Sympathien im Land eingebüßt. In den vergangenen drei Jahren unter Tsipras schrieb der Staat durchweg schwarze Zahlen - auf Kosten der Wirtschaft, die zwar wieder leicht wuchs, aber bei weitem nicht genug, um den beispiellosen Einbruch von mehr als einem Jahrzehnt wieder wettzumachen.
Zuletzt wuchs das Bruttoinlandsprodukt um magere 1,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Arbeitslosenquote sank zwar auf 18 Prozent, ist aber immer noch die höchste in Europa. Die linken Rebellen von einst wurden nur noch als Geldeintreiber im Auftrag der deutschen Regierung wahrgenommen.
Mehr fürs Wachstum tun, weniger für den Staatshaushalt - der Wählerauftrag ist klar. Mitsotakis' Partei Nea Dimokratia hat in den vergangenen Jahren als Opposition stets Tsipras für seine Demut gegenüber der EU kritisiert. Jetzt kann sie den Griechen zeigen, dass sie ihnen nach so vielen mageren Jahren wieder die Konten füllen kann. Vor allem müssten dafür die Investitionen in Schwung kommen.
Den neuen Finanzminister Christos Staikouras hat Mitsotakis gleich am Mittwoch mit einer Steuerreform beauftragt, die schon in wenigen Wochen ohne Sommerpause ins Parlament eingebracht werden soll. Im Wahlkampf hatte er unter anderem die Senkung von Körperschafts-, Einkommen- und Mehrwertsteuer versprochen. Sinkende Einnahmen des Fiskus mit sinkenden Ausgaben auszugleichen, ist kein Teil des Plans. Tsipras' kleine Kehrtwende im Wahlkampf, die Renten nach vielen Kürzungsrunden wieder zu erhöhen, wurde von Mitsotakis unterstützt.
"Der Himmel wird blauer und die Sonne heller"
Die Hoffnung lautet, dass Griechenland als Niedrigsteuerland mit Bürokratieabbau genug Investoren anlocken kann, um einen Boom auszulösen - und dann im nächsten Jahr die Europäer leichter überzeugen kann, die Haushaltsziele zu lockern.
Allerdings besagen die offiziellen Prognosen, dass der Überschuss 2019 erstmals kleiner ausfallen dürfte als geplant - und da sind Steuerausfälle noch nicht eingerechnet.

Vorsichtshalber hat sich der neue Finanzminister Staikouras schon einmal einen Grund für das verfehlte Ziel zurechtgelegt: Man habe in der Übergabe von der Vorgängerregierung "Bomben mit brennender Lunte" entdeckt. Vor allem die finanzielle Misere des staatlichen Stromkonzerns und der Post müsse behoben werden. Auch die privaten Banken bräuchten wohl Hilfe, um von der Last fauler Kredite befreit zu werden, bevor sie wieder neue vergeben können. All das kostet zusätzlich.
Ohne den Staatshaushalt zu belasten, wird es wohl keinen Aufschwung geben können. Rein finanziell wäre das kein Problem - Griechenland ist seit zwei Jahren wieder am privaten Anleihenmarkt aktiv, aktuell kann das Land sich zu einem Zinssatz von 2 Prozent für zehn Jahre neu verschulden.
Noch leichter ginge es, wenn die historische - nicht zuletzt auf frühere Regierungen von Mitsotakis' Nea Dimokratia zurückgehende - Schuldenlast von mehr als 180 Prozent der Wirtschaftsleistung gestrichen würde. Dass dieser Ballast nicht tragfähig ist, darin ist sich Mitsotakis mit Tsipras und dem Internationalen Währungsfonds einig.
Nur politisch stellten sich die EU-Partner bisher quer. Deshalb gab es zuletzt auch keinen echten Schuldenschnitt, sondern nur eine Streckung der noch höheren Schuldenlast bis über das Jahr 2060 hinaus.
Um wirklich den Wachstumsmotor anzuwerfen, müsste Mitsotakis im Unterschied zu Tsipras die Gläubiger überreden. Sein Argument, die Europäer hätten größere Chance, ihr Geld wiederzusehen, wenn sie Griechenland wachsen lassen, ist nicht neu. Einen Vorteil hat er: Er ist kein Linker. Der frühere McKinsey-Berater präsentiert sich als Managertyp. Zudem liefert er den europäischen Konservativen endlich wieder einen Wahlsieg - zuvor stand die CDU/CSU als führende Regierungspartei in einem großen westeuropäischen Land schon fast allein auf weiter Flur.
Mitsotakis macht jedenfalls keine Anstalten, die Erwartungen der Griechen zu dämpfen: "Von diesem Tag an wird der Himmel blauer und die Sonne heller."