Amazon-Logistikzentrum in Polen (Archivbild): Dem Konzern wird vorgeworfen, Steuervorteile in Luxemburg genutzt zu haben
Foto: Jakub Kaczmarczyk/ dpa"Wir halten uns an die Bestimmungen", verteidigte ein Vertreter von Google die Steuerpraxis seines Konzerns. Auch eine Facebook-Vertreterin sagte, das Unternehmen agiere im Rahmen des geltenden Rechts. Sie und viele andere Vertreter der elf Konzerne, die nun vor einem Sonderausschuss des Brüsseler Europaparlaments (EP) zu deren umstrittenen Strategien zur Steuervermeidung befragt worden sind, argumentieren so.
Der Sonderausschuss war im Februar nach den Enthüllungen über die umstrittenen Steuerregelungen in Luxemburg ("Luxleaks") eingerichtet worden. Er nimmt die Besteuerung multinationaler Unternehmen unter die Lupe. "Das Ziel lautet, Lehren und Schlussfolgerungen zu ziehen", sagte der Ausschussvorsitzende Alain Lamassoure von der konservativen EVP-Fraktion. Der Sonderausschuss soll kommende Woche dem Plenum Ergebnisse vorlegen. Im Mittelpunkt stehen Steuervorbescheide, mit denen etwa Luxemburg und die Niederlande Großunternehmen Vorteile geboten haben sollen.
Schneller handeln wollten dagegen die G20-Staaten. Auf ihrem Treffen im türkischen Antalya haben sie vereinbart, die Steuervermeidung großer Konzerne einzudämmen. Schließlich werden die Mindereinnahmen durch Aushöhlung von Besteuerungsgrundlagen und Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting - BEPS) auf vier bis zehn Prozent der weltweiten Einnahmen aus Körperschaftsteuern geschätzt. Das entspricht laut Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) jährlich 100 bis 240 Milliarden Dollar.
Konkret haben die G20-Staaten deshalb 15 Vorschläge verabschiedet, damit die Firmen künftig dort Steuern zahlen, wo die wirtschaftliche Tätigkeit stattfindet, Investitionen getätigt werden und Gewinne anfallen - und Firmen nicht mehr so leicht Profite in Steueroasen verschieben können. Zu den Vorschlägen zählten:
Dieser Vorstoß dürfte auch die Diskussion im EU-Parlament befeuern. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sprach jedenfalls von einem Erfolg, mit dem "die Spielräume für legale Steuerreduzierung durch die Globalisierung begrenzt" würden - wenngleich "nicht alle Probleme gelöst" seien.
Der EP-Ausschussvorsitzende Lamassoure sagte zur Praxis, mit der einige Konzerne in Europa Steuerschlupflöcher nutzten und dank Sonderabsprachen mit Staaten besonders wenig Steuern zahlten: "Wir und die öffentliche Meinung haben das Gefühl, dass die Zeit gekommen ist, das zu beenden und die Gesetze des Dschungels durch neue zu ersetzen." Deshalb auch die Anhörung der elf Konzerne in Brüssel.
Zusätzlich zu den US-Internetkonzernen Google, Facebook und Amazon (Kurswerte anzeigen) waren auch der Brauereikonzern Anheuser-Busch, die Banken Barclays und HSBC, das Möbelhaus Ikea, die Fastfoodkette McDonald's, der Tabakkonzern Philip Morris und der Medienkonzern Walt Disney geladen.
Als "Corporate Capital of the World" rühmt sich die Kleinstadt Wilmington im US-Staat Delaware. Tatsächlich sind neben dem Chemieriesen DuPont und Kreditkartenfirmen, die dort echtes Geschäft betreiben, fast alle Weltkonzerne mit "Shells" (Firmen ohne Beschäftigte) dort vertreten. Die sind dort besonders einfach zu gründen, einer der Vorteile: Die Steuerlast auf in den USA erzielte Gewinne lässt sich legal deutlich senken, manche Einkommensarten sind völlig steuerfrei.
Dass die Geschäftsberichte der Dax-Konzerne ganze 1307 Tochterfirmen oder Beteiligungen in Delaware verzeichnen (Stand: 2014), liegt vor allem an Fresenius Medical Care mit 712 Nennungen: Der hauptsächlich in den USA aktive und in Dollar bilanzierende Gesundheitskonzern hat für die meisten lokalen Filialen ob in Detroit oder Las Vegas Delaware-Firmen gegründet.
Doch auch die anderen Dax-Konzerne nutzen das Schlupfloch mit nur fünf Ausnahmen. Eon kommt mit US-Wind- und Solarparks auf 60 Delaware-Beteiligungen. In der Anteilsbesitzliste der Deutschen Bank ist Wilmington der häufigste Standort vor London und Frankfurt am Main.
Dass die Steuervermeidung auch ohne exotische Inselstaaten auskommt, zeigt das Beispiel der Niederlande. Lizenzeinnahmen etwa aus der Nutzung von Markenrechten, Patenten oder Designs werden hier nur gering besteuert, ein Klassiker der Konzernsteuerplanung. Wegen der EU-weiten Niederlassungsfreiheit gibt es für deutsche Konzerne kaum rechtliche Probleme.
260-mal taucht die Steueroase Niederlande in den Anteilsbesitzlisten der führenden deutschen Konzerne auf - wobei in die Zählung nur Firmen eingingen, deren Namen eine Rolle als Finanzholding oder ähnliches beziehungsweise Geschäft ohne niederländischen Bezug verraten. Hier sind fast alle Dax-Konzerne vertreten - jenseits der 254 Niederlassungen auch mit echtem Geschäft in dem für Industrie und Handel bedeutenden Nachbarland. Der Airbus-Mutterkonzern EADS, an dem Daimler beteiligt ist, sitzt formell mit einer Holding in Leiden, obwohl das Management tatsächlich fast überall in Europa sitzt, nur nicht in Holland.
Mit Luxemburg ist auf Platz drei der Rangliste auch ein Staat, der in der Öffentlichkeit als Steueroase wahrgenommen wird und innerhalb der EU die Verschärfung der Steuerpolitik bremst. Das Großherzogtum kommt auf 210 Nennungen, die mehrheitlich auf das Konto der Finanzbranche gehen. Allianz, Deutsche Bank und Commerzbank machen das Luxemburg-Geschäft weitgehend unter sich aus. Die Deutsche Börse hat mit der Abwicklungsplattform Clearstream International eine ihrer zentralen Sparten hier angesiedelt.
Die Schweiz kommt ohne Industrietöchter wie das zu BASF gehörende Chemieunternehmen Ciba oder den Biotechniker Merck Serono auf 142 Beteiligungen von Dax-Konzernen, hier sind fast alle vertreten. Oft wird als Firmensitz der besonders steuergünstige Kanton Zug gewählt, beispielsweise für die Gebäudetechniksparte von Siemens oder die Pipeline-Jointventures Nord Stream und Trans-Adria-Pipeline, an denen Eon beteiligt ist.
Die Kaimaninseln in der Karibik gelten dank Nullsteuern und einer verschwiegenen Treuhänderszene als das Lieblingsdomizil der Hedgefondsbranche. Auch die 87 Beteiligungen der Dax-Konzerne sind sehr finanzlastig: Deutsche Bank und Commerzbank machen die Aktivitäten weitgehend unter sich aus. Juristisch anrüchig ist das nicht. Das britische Überseegebiet ist der Bundesrepublik mit einem Doppelbesteuerungsabkommen verbunden, sodass dort steuerfrei verdientes Einkommen legal nach Deutschland transferiert werden kann.
Oft wird Irland wegen seines Körperschaftsteuersatzes von 12,5 Prozent unfairer Wettbewerb vorgeworfen. Der deutsche Satz beträgt aber auch nur 15 Prozent. Die Inselrepublik übt aber eine ähnliche Rolle wie die Niederlande aus: Konzerne können immaterielle Firmenwerte wie Patente oder Markenrechte hier ansiedeln und die damit erzielten Gewinne steuersparend verbuchen.
Berüchtigt wurde das Land zu Beginn der Finanzkrise wegen außerhalb der Bilanz gehaltener Zweckgesellschaften, die IKB, SachsenLB, Hypo Real Estate und andere in Nöte brachten. Zu den 78 irischen Firmen (wieder gelten Auswahlkriterien wie bei den Niederlanden) in Dax-Besitz gehören besonders viele der Allianz. Der Softwarekonzern SAP verdankte im vergangenen Jahr 700 Millionen Euro Gewinn zwei Dubliner Töchtern.
Mit Abstand folgt wieder eine klassische Steueroase: Auf den Britischen Jungferninseln finden sich 37 Tochterunternehmen oder Beteiligungen von Dax-Konzernen. Firmen auf den Karibikinseln bieten sich als Element in einer Schachtelkonstruktion aus Gesellschaften in verschiedenen Steueroasen an, beispielsweise um Dividenden steuerfrei heimzuführen.
Besonders oft werden Zahlungsströme aus dem denkbar weit entfernten Asien über die Jungferninseln umgelenkt. Auf die Region weisen auch Firmennamen wie "Asia Renal Care Asia Pacific Holdings Ltd." (Fresenius Medical Care) oder "Dade Behring Hong Kong Holdings Corporation" (Siemens), beide mit Sitz in Tortola auf den Britischen Jungferninseln, hin.
Österreich wird zwar in der aktuellen EU-Debatte ums Bankgeheimnis oft genannt, auch wegen des österreichischen Stifungsrechts, das als Steuersparmodell aber eher Familienunternehmen nutzt. 36 reine Holdings oder Finanzgesellschaften im Besitz von Dax-Konzernen listen die Geschäftsberichte auf.
Die meisten davon gehören der Lufthansa, die mit der Tochter Austrian Airlines dem Land besonders verbunden ist, und Volkswagen, deren Haupteignerfamilie Porsche in Salzburg heimisch ist. Auch Konzerne wie Beiersdorf oder Henkel wickeln ihr Osteuropageschäft über Wiener Holdings ab.
Dubai liefert ein Musterbeispiel, wie aus einer Steueroase ein tatsächliches Zentrum der Weltwirtschaft entstehen kann - auch wenn das ölarme Emirat vor wenigen Jahren nur mit Finanzhilfe der Nachbarn einer Staatspleite entkam. Dubai lockt gezielt ausländische Investoren mit einem Steuersatz von null an, deshalb war das Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland eine Zeitlang auf der Kippe. Die Dax-Konzerne unterhalten hier 35 Gesellschaften, zumeist Holdings für das gesamte Nahost-Geschäft.
Malta ist ebenfalls ein klassischer Holding-Standort - und zudem Mitglied von EU und Euro-Zone. Nur die reinen Einkünfte der meist sparsam aufgesetzten Holdings werden (gering) besteuert, so können Einkünfte aus dem Ausland über den Umweg Malta weiterverteilt werden. 33 Beteiligungen finden sich hier. Der Energiekonzern RWE zählt zwar nur zwei davon, doch immerhin weist die Scaris Investment Ltd. in Sliema für das vergangene Geschäftsjahr ein Ergebnis von 211 Millionen Euro aus.
Die Kanalinsel Jersey genießt Steuerprivilegien als britischer Kronbesitz. Das lockt sogar internationale Großkonzerne wie den Rohstoffriesen Glencore an, hier ihren Hauptsitz anzumelden und weiteren Zentralen im Schweizer Kanton Zug sowie der Londoner City formell vorzuschalten. Die 32 Niederlassungen von Dax-Konzernen gehören vornehmlich der Deutschen und der Commerzbank, auch Linde ist hier präsent. Auf der Nachbarinsel Guernsey (19 Gesellschaften) dominiert HeidelbergCement.
Bermuda im Nordatlantik hat sich einen Namen als internationales Zentrum der Rückversicherungsbranche gemacht. So überrascht nicht, dass von den 27 Beteiligungen der Dax-Konzerne die meisten der Allianz und Munich Re gehören. Aber auch Industriekonzerne wie BASF siedeln hier vor allem Versicherungstöchter an.
Im vom Netzwerk Steuergerechtigkeit erstellten "Verschwiegenheits-Ranking" der Steueroasen weist das britische Überseegebiet einen der höchsten Werte aus - übertroffen fast nur noch von noch entlegeneren Inselstaaten wie Nauru, Turks & Caicos oder Vanuatu, die weder ein nennenswertes Finanzsystem noch (mit wenigen Ausnahmen) Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland besitzen. Dort sind die Dax-Konzerne zumeist gar nicht vertreten, in wenigen Fällen noch die global präsenten Logistiker Post und Lufthansa.
Oft wird Irland wegen seines Körperschaftsteuersatzes von 12,5 Prozent unfairer Wettbewerb vorgeworfen. Der deutsche Satz beträgt aber auch nur 15 Prozent. Die Inselrepublik übt aber eine ähnliche Rolle wie die Niederlande aus: Konzerne können immaterielle Firmenwerte wie Patente oder Markenrechte hier ansiedeln und die damit erzielten Gewinne steuersparend verbuchen.
Berüchtigt wurde das Land zu Beginn der Finanzkrise wegen außerhalb der Bilanz gehaltener Zweckgesellschaften, die IKB, SachsenLB, Hypo Real Estate und andere in Nöte brachten. Zu den 78 irischen Firmen (wieder gelten Auswahlkriterien wie bei den Niederlanden) in Dax-Besitz gehören besonders viele der Allianz. Der Softwarekonzern SAP verdankte im vergangenen Jahr 700 Millionen Euro Gewinn zwei Dubliner Töchtern.
Mit Abstand folgt wieder eine klassische Steueroase: Auf den Britischen Jungferninseln finden sich 37 Tochterunternehmen oder Beteiligungen von Dax-Konzernen. Firmen auf den Karibikinseln bieten sich als Element in einer Schachtelkonstruktion aus Gesellschaften in verschiedenen Steueroasen an, beispielsweise um Dividenden steuerfrei heimzuführen.
Besonders oft werden Zahlungsströme aus dem denkbar weit entfernten Asien über die Jungferninseln umgelenkt. Auf die Region weisen auch Firmennamen wie "Asia Renal Care Asia Pacific Holdings Ltd." (Fresenius Medical Care) oder "Dade Behring Hong Kong Holdings Corporation" (Siemens), beide mit Sitz in Tortola auf den Britischen Jungferninseln, hin.
Österreich wird zwar in der aktuellen EU-Debatte ums Bankgeheimnis oft genannt, auch wegen des österreichischen Stifungsrechts, das als Steuersparmodell aber eher Familienunternehmen nutzt. 36 reine Holdings oder Finanzgesellschaften im Besitz von Dax-Konzernen listen die Geschäftsberichte auf.
Die meisten davon gehören der Lufthansa, die mit der Tochter Austrian Airlines dem Land besonders verbunden ist, und Volkswagen, deren Haupteignerfamilie Porsche in Salzburg heimisch ist. Auch Konzerne wie Beiersdorf oder Henkel wickeln ihr Osteuropageschäft über Wiener Holdings ab.
Malta ist ebenfalls ein klassischer Holding-Standort - und zudem Mitglied von EU und Euro-Zone. Nur die reinen Einkünfte der meist sparsam aufgesetzten Holdings werden (gering) besteuert, so können Einkünfte aus dem Ausland über den Umweg Malta weiterverteilt werden. 33 Beteiligungen finden sich hier. Der Energiekonzern RWE zählt zwar nur zwei davon, doch immerhin weist die Scaris Investment Ltd. in Sliema für das vergangene Geschäftsjahr ein Ergebnis von 211 Millionen Euro aus.
Foto: Corbis