Ökonom Clemens Fuest, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).
Foto: Uli Deck/ dpaDer Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, hat eine Anhebung des Solidaritätszuschlags gefordert, um die Griechenland-Rettung zu finanzieren. "Ehrlichkeit gegenüber den Wählern und Steuerzahlern und das Gebot der Generationengerechtigkeit erfordern es, zur Finanzierung des Griechenland-Programms die Steuern in Deutschland zu erhöhen oder Ausgabenkürzungen zu verabschieden", schreibt er in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Donnerstag).
Der 46 Jahre alte Fuest ist in den vergangenen Monaten durch zahlreiche öffentliche Auftrittezu einem der einflussreichsten Ökonomen in den Medien geworden. Im kommenden Jahr wird er Präsident des Ifo Instituts für Wirtschaftsforschung und damit Nachfolger von Hans-Werner Sinn.
Fuest argumentiert, wenn der Bundestag über das neue Hilfsprogramm für Griechenland entscheide, gehe es anders als bei vorangegangenen Rettungsprogrammen nicht um Kredite, sondern um Transfers - "also um Geld, das nicht zurückkommt", argumentiert der Mannheimer Ökonom. "Das Auflegen eines Transferprogramms für Griechenland bedeutet für die Eurozone einen grundlegenden Wandel: den Einstieg in die Transferunion."
Es sei daher wichtig, dass gegenüber den Wählern und Steuerzahlern in Europa offengelegt werde, dass die neuen Zahlungen an Griechenland Transfercharakter hätten, welche die Staatshaushalte der anderen Eurostaaten belasten würden.
Wenn man von einem Gesamtvolumen der Hilfen von 84 Milliarden Euro ausgehe und annehme, dass etwa ein Viertel auf Deutschland entfalle, bedeute das eine Belastung von 22 Milliarden Euro über drei Jahre. "Das könnte beispielsweise durch die Erhöhung des Solidaritätszuschlags von 5,5 auf 8 Prozent für drei Jahre finanziert werden," schlägt Fuest vor.
Die Verhandlungen über die Zukunft Griechenlands begannen am Samstag mit dem Treffen der Euro-Finanzminister. Zu der Zeit gab es zwar bereits einen Vorschlag aus Athen. Beteiligte wie Finnlands Finanzminister Alexander Stubb (M.), der französische EU-Kommissar Pierre Moscovici (l.) und Euro-Gruppen-Präsident Jeroen Dijsselbloem wussten bereits vor Beginn der Gespräche, dass "ziemlich schwierige" Gespräche bevorstanden, wie Dijsselbloem sagte.
In der Nacht auf Sonntag trat Dijsselbloem vor die Presse. Seine Botschaft: Es wurde noch keine Lösung gefunden, das Treffen musste auf Sonntagvormittag vertagt werden.
Spaniens Wirtschaftsminister Luis de Guindos (l.) und der neue griechische Finanzminister Euclid Tsakalotos vor Beginn der Gespräche am Sonntagvormittag.
Die deutsche Delegation am Sonntag in Brüssel. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (vorne rechts) sorgte zeitweise für extreme Spannungen, als er einen auf fünf Jahre befristeten Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone zur Diskussion stellte. Als sich Schäuble in der Diskussion von EZB-Chef Mario Draghi bevormundet fühlte, keifte er den Italiener laut FT an: Er sei "kein Idiot". Die Sitzung wurde daraufhin unterbrochen.
Glücklich sieht anders aus: Der griechische Finanzminister Euclid Tsakalotos am Sonntag in Brüssel. Im Hintergrund: IWF-Chefin Christine Lagarde, eine Schlüsselfigur bei der Griechen-Rettung.
Nicht immer einer Meinung: Griechenlands Finanzminister Tsakalotos im Gespräch mit IWF-Chefin Lagarde.
Zum Gipfel der Staatschefs am Sonntag traf auch Griechenlands Premier Alexis Tsipras in Brüssel ein.
Smalltalk vor dem Gipfeltreffen: Tsipras mit zwei der wichtigsten Spieler im Griechen-Poker: Kanzlerin Angela Merkel verfolgte bislang eine harte Linie, während Frankreichs Präsident Francois Hollande Entgegenkommen gegenüber den Griechen erkennen ließ.
Neben Hollande (r.) zählt auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (M.) zu jenen, die bereits ein maximales Maß an Geduld bewiesen haben, um Griechenland in der Euro-Zone zu halten.
Um 6 Uhr am Montagmorgen soll laut FT seine große Stunde geschlagen haben: Alexis Tsipras und Angela Merkel hatten sich in die Details des Privatisierungsfonds verbissen. Weil sie keine Chance mehr auf Einigung sahen, machten sie sich auf den Weg, den Verhandlungsraum zu verlassen - als sich Ratspräsident Donald Tusk in den Weg stellte. "Sorry, but there is no way you are leaving this room", soll der ehemalige polnische Premier gesagt haben. Schließlich einigten sich die Kontrahenten dann doch noch.
Geschlagener Sieger? Alexis Tsipras am Montagmorgen nach Ende der Verhandlungen in Brüssel. Der Grieche konnte zwar einen Grexit verhindern und erreichte einen Deal, dem neue Verhandlungen über ein Hilfspaket folgen sollen. Dafür musste sich Tsipras aber über einige seiner ideale hinwegsetzen - und über das "Nein" der Griechen beim Referendum vor einer Woche. Ein hochrangiger EU-Diplomat sagte der FT: "Sie haben Tsipras gekreuzigt."
Die Verhandlungen über die Zukunft Griechenlands begannen am Samstag mit dem Treffen der Euro-Finanzminister. Zu der Zeit gab es zwar bereits einen Vorschlag aus Athen. Beteiligte wie Finnlands Finanzminister Alexander Stubb (M.), der französische EU-Kommissar Pierre Moscovici (l.) und Euro-Gruppen-Präsident Jeroen Dijsselbloem wussten bereits vor Beginn der Gespräche, dass "ziemlich schwierige" Gespräche bevorstanden, wie Dijsselbloem sagte.
Foto: THIERRY CHARLIER/ AFPUm 6 Uhr am Montagmorgen soll laut FT seine große Stunde geschlagen haben: Alexis Tsipras und Angela Merkel hatten sich in die Details des Privatisierungsfonds verbissen. Weil sie keine Chance mehr auf Einigung sahen, machten sie sich auf den Weg, den Verhandlungsraum zu verlassen - als sich Ratspräsident Donald Tusk in den Weg stellte. "Sorry, but there is no way you are leaving this room", soll der ehemalige polnische Premier gesagt haben. Schließlich einigten sich die Kontrahenten dann doch noch.
Foto: ALAIN JOCARD/ AFPNach 17 Stunden Verhandlungsmarathon kann Griechenland nun doch noch auf eine europäisches Hilfsprogramm hoffen. Doch die Staats- und Regierungschefs fordern von Griechenland Gegenleistungen. Europas Rettung oder Tod auf Raten? Das schreibt die internationale Presse.
Bad Cop Deutschland : "Europa rächt sich an Tsipras" titelte The Guardian am Montagmorgen, bevor die EU-Staats- und Regierungschefs übernächtigt nach einem siebzehnstündigen Verhandlungsmarathon schließlich Bedingungen präsentierten, auf deren Basis nun über ein neues Rettungspaket verhandelt werden soll. Damit sei zwar womöglich ein Grexit vermieden worden, schreibt das Blatt in seiner Online-Ausgabe. Doch Kommentatoren der Zeitung fürchten nun ein weiteres Auseinanderdriften Europas. Deutschland behandle Griechenland wie ein Kind, schreibt eine Kommentatorin. In einem Gastbeitrag für den Guardian hatte Ex-Finanzminister Varoufakis Wolfgang Schäuble als "Zuchtmeister" Europas beschimpft.
Die französische Wirtschaftszeitung Les Echos stellt die Nachhaltigkeit der geforderten Reformen in Frage. "Der Plan kann nur einen rezessiven Effekt haben", schreibt das Blatt in einer ersten Analyse in seiner Online-Ausgabe.
Die Zeitung Le Monde sieht das Schicksal Griechenlands angesichts der anstehenden Milliardenrückzahlungen zu einem beträchtlichen Teil auf den Schultern der Europäischen Zentralbank. Die befinde sich in einer extrem delikaten Position, schreibt das Blatt. Die Frage ist, ob sie vor dem 20. Juli [wenn weitere Milliarden Rückzahlungen fällig werden] die ELA-Hilfen ausweitet." Eine Diskussion, in der auch Deutsche ein Wörtchen mitzureden haben werden.
Die niederländische Wirtschaftszeitung NRC Handelsblad sieht Alexis Tsipras vor einem Höllenjob. "Für ihn ist das Elend noch nicht zu Ende", schreibt das Blatt in seiner Online-Ausgabe. Um all die versprochenen Radikalreformen auch tatsächlich zu stemmen, müsse sich der Premier Verbündete aus anderen Parteien suchen. Womöglich auch eine schon häufig beschworene Koalition nationaler Einheit bilden. Mit seinen eigenen Genossen alleine, von denen sich viele schon kritisch gegenüber den EU-Forderungen geäußert haben, sei das, was Griechenland nun leisten müsse, jedenfalls nicht zu schaffen, schreibt NRC Handelsblad.
Die italienische Zeitung La Stampa zeigt zu einem gewissen Grad Verständnis für die Härte der Gläubiger, die sich nicht mehr nur mit lockeren Privatisierungszusagen begnügen, sondern eine unabhängigen Fonds fordern, in den zu privatisierende griechische Vermögenswerte überführt werden sollen. Natürlich sei unverhältnismäßige Härte unter europäischen Partnern zu vermeiden, schreibt das Blatt. Aber angesichts der Tatsache, dass Privatisierungsversprechungen schon seit Jahren keine Taten gefolgt seien, mache es durchaus Sinn, Garantien einzufordern, schreibt die Zeitung. Damit bezieht "La Stampa" eine andere Position als Italiens Regierungschef Renzi, der Deutschlands harte Haltung am Wochenende scharf kritisiert hatte.