Folgen der Zinswende EZB muss nach Milliardenverlust ihre Reserve anzapfen

Die erhöhten Zinsen im Euroraum schlagen auf die Bilanz der Notenbank durch. Das Jahr 2022 beendet die Organisation von Präsidentin Christine Lagarde mit mehr als 1,6 Milliarden Euro Verlust.
Abgeschrieben: EZB-Chefin Christine Lagarde musste vor allem Anleihen neu bewerten lassen

Abgeschrieben: EZB-Chefin Christine Lagarde musste vor allem Anleihen neu bewerten lassen

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TARMO LEHTOSALO / AFP

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im vergangenen Jahr einen Milliardenverlust aufgrund hoher Zinsausgaben und Abschreibungen auf Wertpapiere eingefahren. Um die Verluste abzudecken, nutzte sie 1,63 Milliarden Euro aus ihren Reserven, wie die Notenbank am Donnerstag mitteilte. So stand 2022 unter dem Strich als offizielles Finanzergebnis insgesamt nur eine schwarze Null. Bereits 2021 war der Jahresüberschuss der Institution von Präsidentin Christine Lagarde (67) deutlich auf 192 Millionen Euro zusammengeschmolzen.

In Jahren, in denen die Notenbank Gewinn macht, schüttet sie diese stets vollständig an die inzwischen zwanzig nationalen Notenbanken der Eurozone aus. In diesem Jahr gehen die Institutionen in den Mitgliedsstaaten, zu denen auch die Deutsche Bundesbank gehört, leer aus.

Die EZB und mehrere nationale Euro-Notenbanken hatten bereits vor möglichen Bilanzverlusten gewarnt. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hatte 2022 aufgrund fallender Aktien- und Anleihekurse sowie der Aufwertung des Franken sogar mit einem Fehlbetrag von 132 Milliarden Franken den größten Verlust ihrer Geschichte eingefahren. Die Bundesbank hat erklärt, dass sie aktuell noch über ausreichend Reserven verfügt. In den kommenden Jahren würden die Rückstellungen aber sukzessive aufgebraucht, sagte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel (56) vor Kurzem. Es werde daher Jahre geben, in denen mit hoher Wahrscheinlichkeit rote Zahlen ausgewiesen werden. Nagel hatte im vergangenen Herbst gesagt, es sei aber nicht damit zu rechnen, dass der Staat Kapital nachschießen müsse.

Die EZB vollzog im vergangenen Juli nach Jahren der ultralockeren Geldpolitik und langem Zögern die Zinswende. Hintergrund ist der massive Inflationsanstieg in der Euro-Zone. Inzwischen hat sie ihre Schlüsselzinsen binnen weniger Monate bereits fünf Mal angehoben. Für die nächste Zinssitzung am 16. März hat sie eine weitere Zinserhöhung um 0,50 Prozentpunkte in Aussicht gestellt. Präsidentin Lagarde muss allerdings den richtigen Zeitpunkt erwischen , um nicht mit weiteren Zinserhöhungen die Wirtschaft auszubremsen.

Hohe Abschreibungen

Die Folgen der Zinswende spiegeln sich bei der EZB nun in der eigenen Bilanz wider. So nahm sie hohe Abschreibungen auf Anleihen in ihrem sogenannten Eigenmittelportfolio und in ihrem US-Dollar-Porfolio vor. Die Kurse dieser Papiere sind im Zuge des selbst verordneten Straffungskurses gesunken – ihre Renditen dagegen gestiegen. Die im Rahmen der großen Anleihekaufprogramme erworbenen Anleihebestände sind davon aber nicht betroffen. Diese werden zu fortgeführten Anschaffungskosten erfasst. Dazu kamen umfangreiche Zinszahlungen im Zusammenhang mit dem Verrechnungssystem Target 2 der Notenbanken der Euro-Zone, die mit dem Leitzinsanstieg zusammenhängen.

Die EZB verfügt nach Nutzung eines Teils ihrer Risikovorsorge immer noch über eine Rückstellung für finanzielle Risiken von 6,6 Milliarden Euro. Ihr Kapital liegt bei 8,9 Milliarden Euro – dazu kommen sogenannte "revaluation accounts" von 36,1 Milliarden Euro. Die finanziellen Ressourcen der EZB lagen damit zusammengenommen Ende 2022 bei 51,6 Milliarden Euro. Die EZB erzielte im vergangenen Jahr ein Zinsergebnis von 900 Millionen Euro – ein Rückgang von knapp 43 Prozent binnen Jahresfrist. Die Abschreibungen schossen dagegen in die Höhe auf 1,84 Milliarden Euro nach lediglich 133 Millionen Euro im Jahr zuvor. Die EZB-Bilanz nahm 2022 insgesamt um 19 Milliarden Euro auf 699 Milliarden Euro zu.

lhy/Reuters
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