Anleihenkaufprogramm EZB lässt die Geldschleusen weit offen

Die Pandemie schwächt sich ab, die Inflation steigt - dennoch hält die EZB an ihren umfangreichen Konjunkturhilfen für die Wirtschaft fest. Sie belässt den Leitzins bei 0,0 und will die Anleihenkäufe sogar noch verstärken.
Europäische Zentralbank in Frankfurt: Die Ankäufe im Rahmen des billionenschweren Krisen-Anleihenkaufprogramms PEPP sollen auch während des nächsten Quartals deutlich umfangreicher ausfallen als in den Anfangsmonaten des Jahres

Europäische Zentralbank in Frankfurt: Die Ankäufe im Rahmen des billionenschweren Krisen-Anleihenkaufprogramms PEPP sollen auch während des nächsten Quartals deutlich umfangreicher ausfallen als in den Anfangsmonaten des Jahres

Foto: Daniel Roland/ AP

Europas Währungshüter gehen trotz besserer Aussichten für die Konjunktur und steigender Verbraucherpreise vorerst nicht vom Gas. Sowohl das milliardenschwere Notkaufprogramm zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie als auch die Zinsen im Euroraum bleiben unverändert. Das entschied der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) um Notenbank-Präsidentin Christine Lagarde (65) am Donnerstag.

Die Währungshüter hatten das Tempo der Käufe im Frühjahr im Vergleich zu den Anfangsmonaten des Jahres deutlich erhöht und wollen es beibehalten, um die Kapitalmarktzinsen niedrig zu halten. Denn höhere Zinsen könnten die Finanzierung von Haushalten und Unternehmen verteuern und die wirtschaftliche Erholung belasten. Erschwerte Finanzierungsbedingungen könnten die Erholung der Wirtschaft von den Pandemie-Folgen gefährden.

Inflation kletterte im Mai auf 2,0 Prozent im Euroraum

Die Inflation im Euroraum zieht seit einigen Monaten an. Angeheizt vor allem von steigenden Energiepreisen kletterte die jährliche Teuerungsrate im Mai auf 2,0 Prozent. Sie lag damit leicht über dem Ziel der Notenbank. Europas Währungshüter betrachten den Teuerungsschub jedoch als vorübergehend. Er sei unter anderem eine Folge des Preiseinbruchs in der ersten Corona-Welle vor gut einem Jahr. Die derzeitigen Engpässe im Welthandel, die viele Rohstoffe und Vorprodukte verteuern, erachtet die EZB ebenfalls als temporär.

Die EZB strebt im gemeinsamen Währungsraum ein ausgewogenes Preisniveau bei einer mittelfristigen Teuerungsrate von knapp 2 Prozent an. Dauerhaft niedrige Preise gelten als Risiko für die Konjunktur: Unternehmen und Verbraucher könnten dann Investitionen aufschieben - in der Hoffnung, dass es bald noch billiger wird.

Ihren Leitzins zur Versorgung der Wirtschaft mit Geld beließen die Euro-Wächter auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Seit März 2016 liegt er bereits auf diesem Niveau. Der Einlagesatz bleibt bei minus 0,5 Prozent. Geldhäuser müssen somit weiterhin Strafzinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Notenbank horten.

"Inflationsspuk hin oder her, die EZB bleibt bei ihrer Linie", kommentierte Alexander Krüger, Chefvolkswirt beim Bankhaus Lampe, die Beschlüsse. "Ihr Vorgehen zeigt eine große Gelassenheit gegenüber dem aktuellen Inflationsanstieg." Statt Inflation zu bekämpfen, werde die EZB wohl noch lange alles tun, um für Stabilität bei Konjunktur, Staaten und Finanzmärkten zu sorgen. Kritischer äußerte sich dagegen Friedrich Heinemann vom Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW. "Bei einer Mehrheit im EZB-Rat herrscht offenbar die Sicht vor, dass sich die Eurozone nur dann erholen kann, wenn die langfristigen Zinsen auf ihrem historisch niedrigen Niveau verbleiben", merkte er an. Diese Sichtweise überzeuge in einem Umfeld der kräftigen Konjunkturerholung immer weniger.

Die Währungshüter stellten zudem in Aussicht, nötigenfalls alle ihre Instrumente anzupassen. Sie sind der von der Pandemie geschwächten Wirtschaft mit diversen Stützungsmaßnahmen zur Seite gesprungen. Das im Frühjahr 2020 aufgelegte Notfall-Kaufprogramm PEPP, das Staatsanleihen, Firmenanleihen und andere Titel umfasst, wurde bereits zweimal aufgestockt. Es hat einen Kaufrahmen von 1,85 Billionen Euro und die Käufe sollen noch bis Ende März 2022 fortgesetzt werden. Zudem hat die Notenbank langfristige, sehr günstige Kreditspritzen für Banken aufgelegt, die in der Fachwelt "TLTRO" genannt werden.

rei/Reuters, DPA
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