Altmaier dringt auf Einigung EU-Finanzminister nehmen neuen Anlauf für Rettungspaket

EU-Finanzminister beraten am Donnerstag weiter über ein Rettungspaket für EU-Staaten
Foto: Bart MAAT / ANP / AFPIm Kampf gegen die Corona-Wirtschaftskrise werden die EU-Staaten am Donnerstag erneut versuchen, eine Einigung zu finden. Schon vor dem offiziellen Start am Donnerstagnachmittag haben die Finanzminister bereits in intensiven Vorgesprächen einen Kompromiss gesucht, berichten Nachrichtenagenturen. Die Drähte glühten nach Informationen von dpa. Ziel ist es, ein milliardenschweres Rettungspaket für Arbeitnehmer, Firmen und verschuldete Staaten zu schnüren.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sagte im Vorfeld, es wäre wichtig, dass heute der Beschluss über die Mittel in Höhe von 500 Milliarden Euro gefasst werde. "Das ist eine unvorstellbar große Summe Geld", mit der vielen Menschen gerade in den am stärksten betroffenen Ländern wie Spanien und Italien geholfen werden könne. "Ich traue Olaf Scholz zu, dass er das gemeinsam mit seinem französischen Kollegen Bruno Le Maire heute voranbringen kann", so Altmaier im Deutschlandfunk.
Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez warnte derweil eindringlich vor einem Auseinanderfallen der Europäischen Union in der Folge der Corona-Krise gewarnt. "Die EU ist in Gefahr, wenn es keine Solidarität gibt", sagte der sozialistische Politiker am Donnerstag im Parlament in Madrid.
Jean-Claude Juncker, früherer EU-Kommissionschef, zeigte sich in der französischen Tageszeitung "Libération" aufgeschlossen für eine gemeinsame Schuldenaufnahme von EU-Ländern in Krisenfällen. Für eine kurzfristige Antwort auf die Notlage wegen der Viruskrise seien sogenannte Corona-Bonds jedoch nicht geeignet. Es würde "Monate und Monate" brauchen, um die nötige Finanzarchitektur dafür aufzubauen, sagte der Luxemburger, der von 2014 bis 2019 die mächtige EU-Behörde führte. Juncker warnte mit Blick auf gemeinsame Anleihen, sie für immer vom europäischen Krisenarsenal auszuschließen. "Die Länder des Südens hätten den Eindruck, dass die sogenannten tugendhaften Länder des Nordens nicht bereit sind, die Last der Krise solidarisch zu tragen."
Am Donnerstagnachmittag wollen die Finanzminister der 19 Eurostaaten mit ihren Kollegen aus den übrigen EU-Staaten ab 17.00 Uhr erneut zusammen beraten, um letzte Hürden für ein Rettungspaket abzuräumen. Die Minister hatten bereits die Nacht vom Dienstag auf Mittwoch 16 Stunden lang durchverhandelt, ohne eine Lösung zu finden.
Der CDU-Wirtschaftsrat warnte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) derweil im Ringen um ein milliardenschweres EU-Rettungspaket in vor einem Einknicken. "Europa braucht keine weiteren Tabubrüche, die kurzfristig kaum helfen, aber langfristig erhebliche Risiken bedeuten", sagte der Generalsekretär des Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Vielmehr drohten durch Kreditlinien ohne Auflagen Probleme auf die EU-Ebene geschoben zu werden, die ihren Ursprung lange vor der Corona-Epidemie hätten.
Es geht um ein Rettungspaket im Wert von rund 500 Milliarden Euro mit drei Elementen: ein Garantiefonds der Europäischen Investitionsbank EIB für Unternehmenskredite, das von der EU-Kommission angedachte Kurzarbeiter-Programm namens "Sure", das in der Krise Jobs sichern soll, sowie vorsorgliche Kreditlinien des Eurorettungsschirms ESM für besonders betroffene Staaten.
Der ESM war 2012 auf dem Höhepunkt der Euroschuldenkrise gegründet worden. Gesichert durch Einlagen der Eurostaaten nimmt er Kredite am Kapitalmarkt auf und reicht sie unter bestimmten Auflagen an Staaten weiter, die selbst am Markt höhere Zinsen zahlen müssten oder keine Kredite mehr bekämen.
Bruno Le Maire: "Ein Durchbruch ist dann Pflicht"
Daneben sollen erste Festlegungen für ein Wiederaufbauprogramm nach der Pandemie getroffen werden. Der Streit über die gemeinsame Schuldenaufnahme über sogenannte Corona-Bonds wird damit aber wahrscheinlich noch nicht gelöst. Stattdessen könnte die Einigung auf eine Kompromissformel gelingen: dass man ein "innovatives Finanzinstrument" in Erwägung zieht. Denn die sogenannten Corona-Bonds sind umstritten. Die Staaten der Eurogruppe sollten sich "nicht gemeinsam verschulden", warnte etwa der Vorsitzende der CSU im Bundestag, Alexander Dobrindt, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
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EU-Finanzminister scheitern erneut
Dass sich die Minister am Mittwochmorgen nach einer Marathonsitzung nicht einigen konnten, hatte für Enttäuschung und Kritik im Europaparlament gesorgt. Bundesfinanzminister Olaf Scholz gab sich aber zuversichtlich, dass "wir noch vor Ostern die entsprechenden Erleuchtungen bekommen". Ein Durchbruch sei dann Pflicht, sagte auch Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire: "Ein Scheitern ist undenkbar." Die Eurogruppe müsse eine ehrgeizige wirtschaftliche Antwort auf die Coronavirus-Krise finden.
Ökonomen sind sich einig, dass die Folgen des Stillstands in der Pandemie eine tiefe Rezession bedeuten. Die Regierungen steuern bereits mit Milliarden-Programmen gegen und auch auf EU-Ebene ist schon einiges beschlossen: Die Schulden- und Defizitregeln wurden ausgesetzt und Milliarden aus dem EU-Budget mobilisiert. Die Europäische Zentralbank hat zudem ein riesiges Anleihekaufprogramm gestartet. Mit dem Rettungspaket soll noch einmal nachgelegt werden.