Ehemaliger EZB-Chef
"Euro-Retter" Mario Draghi übernimmt die Macht in Rom
Italien steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise, der Plan zum Einsatz von rund 200 Milliarden Euro an Corona-Hilfen verzögert sich. Zumindest der politische Stillstand ist vorbei: Der "Euro-Retter" Mario Draghi übernimmt die Regierung.
Er rettete den Euro - kann er Italien einen? Der ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, spricht am späten Freitagabend zu den Journalisten nach einem Treffen mit Italiens Präsidenten Mattarella im Präsidentenpalast
Foto: Alessandro Di Meo, Pool Ansa, Lap / dpa
In Italien hat nach Wochen der politischen Krise der Ex-Zentralbankchef Mario Draghi (73) das Amt der Regierungschefs übernommen. Staatspräsident Sergio Mattarella (79) vereidigte am Samstag in Rom den früheren Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) als neuen Ministerpräsidenten. Anschließend wurde im Quirinalspalast, dem Amtssitz des Präsidenten, das neue Regierungsteam eingeschworen. Es besteht aus Politikern von linken wie rechten Parteien sowie parteilosen Experten.
Für das am Freitagabend vorgestellte Kabinett erntete Drahgi positive Reaktionen, es gab auch Kritik, etwa daran dass lediglich 8 von 23 Ministerposten mit Frauen besetzt werden. Nichtsdestotrotz endet nun eine gut vierwöchige Regierungskrise, die das Land mitten in der Corona-Pandemie blockiert hatte.
Die neue Regierung ist die dritte in der laufenden Legislaturperiode seit 2018 - und die 67. Regierung der Italienischen Republik. Draghi folgt auf den parteilosen Juristen Giuseppe Conte (56), der knapp eineinhalb Jahre ein Mitte-Links-Bündnis geführt hatte. Nach Medienberichten wollte das Kabinett im Laufe des Samstags zu einer ersten Sitzung zusammenkommen.
Am Freitagabend hatte Draghi bei einem Treffen mit Staatspräsident Mattarella den Regierungsauftrag endgültig angenommen. Zuvor hatte der Neu-Politiker einen Vorbehalt geltend gemacht. Er lotete rund zehn Tage aus, ob er auf eine Mehrheit im Parlament setzen kann.
Um seine Machtbasis abzusichern, holte Draghi 15 Vertreter fast aller größeren Parteien ins Kabinett. Nur die ultrarechten Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) haben eine klare Opposition angekündigt. Acht Ressorts werden künftig von Experten geleitet. Eine wichtige Rolle dürfte Daniele Franco als Finanzminister zukommen; bisher war er Generaldirektor bei der italienischen Zentralbank Banca d'Italia.
Neues Kabinett ein "Team der Rivalen"?
Im Regierungsteam sitzen auch wieder mehrere zentrale Akteure der gescheiterten Vorgängerregierung, etwa Außenminister Di Maio (34) von der Fünf-Sterne-Bewegung und Gesundheitsminister Roberto Speranza (42) von der kleinen linken Partei Liberi e Uguali (Freie und Gleiche).
Nur 8 der 23 Ministerposten gingen an Frauen. Insgesamt am stärksten vertreten ist die Fünf-Sterne-Bewegung. Sie ist mit über 30 Prozent auch die größte Kraft im Parlament. Auch die Sozialdemokraten (PD), die konservative Forza Italia (FI) von Silvio Berlusconi und die rechte Lega von Matteo Salvini wurden bedacht. Matteo Renzis Splitterpartei Italia Viva, die Contes Koalition Mitte Januar mit ihrem Austritt zu Fall gebracht hatte, ist ebenfalls wieder vertreten.
Die Zeitung "La Repubblica" wies am Samstag darauf hin, dass die "Einsatztruppe" des neuen Ministerpräsidenten ein "Team der Rivalen" sei, das zwei große Aufgaben habe: Italien zu reformieren und das Fließen der Milliardenhilfen der EU sicherzustellen.
Draghi ist international als "Euro-Retter" bekannt, weil er in der Euro-Krise an der Spitze der Zentralbank EZB 2012 die Gemeinschaftswährung auch durch Machtwort stabilisieren konnte.
Corona-Hilfen und Impfprogramm als erste Aufgaben
Das bisherige Bündnis unter dem parteilosen Juristen Conte war Mitte Januar im Streit um den Einsatz von über 200 Milliarden Euro EU-Hilfen in der Corona-Krise geplatzt. Der Plan dafür, den Rom in Brüssel abliefern muss, hatte sich verzögert. Politiker und Experten warnten davor, dass Italien leer ausgehen könnte. Die Wirtschaftskraft des 60-Millionen-Einwohner-Landes war 2020 wegen der Pandemie um rund neun Prozent eingebrochen.
Das brisante Thema der Corona-Hilfen dürfte zu den ersten Aufgaben Draghis gehören. Außerdem hatte Staatschef Mattarella das Impfprogramm gegen das Virus als vorrangiges Projekt bezeichnet.
Draghi benötigt nach seiner Ernennung eine Bestätigung bei Vertrauensfragen im Zwei-Kammern-Parlament in Rom. Laut Verfassung muss sich eine neue Regierung innerhalb von zehn Tagen nach der Bildung in beiden Häusern vorstellen und eine Mehrheit bekommen. Es wird erwartet, dass Senat und Abgeordnetenkammer nächste Woche abstimmen. Die Mehrheiten gelten als gesichert. Der kleinere Senat hatte am Freitagabend mitgeteilt, dort sei das Votum voraussichtlich für Mittwoch geplant.
rei/DPA
Er rettete den Euro - kann er Italien einen? Der ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, spricht am späten Freitagabend zu den Journalisten nach einem Treffen mit Italiens Präsidenten Mattarella im Präsidentenpalast