Wohin geht das Pfund? Und was kostet der Brexit wirklich?
Foto: ADRIAN DENNIS/ AFPDie Garantien für Nissan nach dem Brexit-Votum könnten für die britische Regierung teuer werden. Premierministerin Theresa May feierte zwar erst kürzlich die Ankündigung des japanischen Autobauers, trotz des geplanten EU-Austritts an den Neuinvestitionen auf der Insel festzuhalten, als wegweisenden Vertrauensbeweis für den Standort. Um Nissan zu halten, sagte der Staat Hilfen zu, falls die Wettbewerbsfähigkeit des Werkes in Sunderland infolge des Referendums vom Juni leiden sollte. Doch das legt einen beträchtlichen Bedarf an Steuergeldern nahe. Denn sollte nach einem Brexit der volle EU-Importzoll von zehn Prozent für die Einfuhr von Autos fällig werden, drohen den Herstellern in Großbritannien Kosten über eine Milliarde Pfund.
Nissan-Chef Carlos Ghosn hatte im September unverhohlen klar gemacht, dass weitere Investitionen in Großbritannien nur bei der Zusage eines Ausgleichs für solche Zölle infrage kämen. Bei dem Autobauer wäre demnach auf Basis der Vorjahreszahlen eine Kompensation von 290 Millionen Pfund nötig. Zwar sind die Details der Einigung zwischen dem Autobauer und Großbritannien unbekannt. Und die Regierung betonte, dass Nissan keine Staatshilfen und die Automobilbranche keine Sonderbehandlung erhalte. Doch sollte diese Summe fällig werden, würde sie die Lohnrechnung bei Nissan von 2015 für die mehr als 7200 Mitarbeiter in Großbritannien übersteigen. Das könnte ähnliche Begehrlichkeiten bei den anderen Herstellern im Vereinigten Königreich wecken.
Toyota, Honda, Mini, Rolls Royce ...
Auch bei den japanischen Autobauern Toyota und Honda, sowie den traditionsreichen britischen Herstellern, Mini und Rolls-Royce, die beide zu BMW gehören, der Luxus-Marke Bentley aus dem Volkswagen-Konzern sowie der James-Bond-Marke Aston Martin würden Entschädigungen für die Zölle über den Lohnkosten liegen. Nach Reuters-Berechnungen belaufen sich die britischen Auto-Exporte in die EU auf rund zehn Milliarden Pfund. Das sind 40 Prozent aller britischen Auto-Ausfuhren.
Zwar betont die Regierung immer wieder, dass sie den Handel nach einem EU-Austritt ohne Zölle und Bürokratie in beide Richtungen erhalten wolle. Dies ist aber alles andere als gesichert. Denn der britische Zugang zum europäischen Markt nach einem Brexit steht infrage, weil die Regierung die Freizügigkeit von Personen einschränken will. Dagegen beharren andere EU-Staaten auf dem Standpunkt, dass es von dem Prinzip keine Ausnahmen geben dürfe. Auch Autobauer wie Volkswagen und Daimler dringen darauf.
Sollte die Regierung die Unternehmen auf Basis dieser Zahlen entschädigen, wären es die bislang größten Subventionen für die britische Industrie, sagte Experte Kevin Farnsworth von der Universität von York. "Eine Subvention dieser Größe wäre gewaltig", sagte er.
Auch der Kursverfall des britischen Pfund nach dem Brexit-Votum dürfte den Herstellern auf der Insel kaum Erleichterung bringen. Da die meisten Komponenten und Rohstoffe nicht von lokalen Zulieferern stammen, sondern auf die Insel eingeführt werden müssen, profitieren die Unternehmen nur geringfügig von den günstigeren Umrechnungskursen.
Angst und Schrecken verbreitet beispielsweise unter vielen Investoren die Vorstellung, Donald Trump könnte demnächst ins Weiße Haus einziehen. Seit am Wochenende die Email-Affäre von Hillary Clinton wieder in den Fokus gerückt ist, verspürt der Republikaner laut Umfragen erneut Aufwind.
Ablesen lässt sich das auch am mexikanischen Peso, der sich zu einer Art "Trumpometer" entwickelt hat: Je besser die Chancen des Immobilienmilliardärs auf einen Wahlsieg, desto schwächer der Peso. Und siehe da:
Seit der Horrorclown der US-Politik wieder Oberwasser bekommen hat, befindet sich der Peso unter Druck. Als Hintergrund gilt die Tatsache, dass sich in Trumps Wahlversprechen vieles findet, das sich, würde es umgesetzt, negativ auf die mexikanische Wirtschaft auswirken dürfte.
Ziemlich angsteinflößend finden viele Investoren auch die Geldpolitik der Europäische Zentralbank und anderer Notenbanken weltweit. Die extreme Niedrigzinspolitik lässt Sparer darben und sorgt für Exzesse etwa am Immobilienmarkt, wo bereits die Sorge wegen möglicher Überhitzungen umgeht. Sollten dagegen die Zinsen irgendwann steigen, drohen Immobilienpreise wie auch Anleihenkurse drastisch einzubrechen.
Wann und wie die Notenbanker aus dieser Bredouille herausfinden wollen, erscheint ungefähr so nebulös wie auf dem Bild der Blick auf den EZB-Turm in Frankfurt.
Seit Jack The Ripper, so scheint es, hat London die Welt nicht mehr so schauerlich in seinen Bann gezogen, wie gegenwärtig angesichts des bevorstehenden Austritts der Briten aus der EU. Der "Brexit" ließ bereits einmal schlagartig die Aktienkurse einbrechen - gut möglich, dass ähnliches Ungemach künftig im Zusammenhang mit diesem Thema noch häufiger bevorsteht.
Auch der Gedanke an China dürfte manchem Anleger die Pulsader schwellen lassen. Das Wachstum der aufstrebenden Macht in Fernost schwächelte zuletzt merklich. Frist der taumelnde chinesische Drache die Renditen in den Anlegerdepots auf?
Und dann wäre da noch der Ölpreis, der seit mittlerweile mehr als zwei Jahren wie ein Zombie durch die Finanzwelt taumelt. Seine frühere Vitalität als Indikator für eine florierende Weltwirtschaft hat Öl 2014 eingebüßt, als es vom Höchstkurs jenseits der 100 Dollar je Barrel steil abwärts ging. Seither zerren die Ölförderländer innerhalb und außerhalb der Opec von allen Seiten wie Leichenfledderer am Preis für das schwarze Gold.
Seit dem Brexit-Votum der Briten im Sommer fiel der Kurs des britischen Pfundes von 1,30 Euro auf mittlerweile nur noch 1,12 Euro, also um rund 16 Prozent. Sehen Sie hier, was das für Ihren Geldbeutel beim nächsten London-Trip bedeutet:
Vom Brexit-Absturz des britischen Pfundes profitieren nicht nur Exporteure auf der Insel, die ihre Waren günstiger ins Ausland verkaufen können. Auch Touristen, die sonst nicht in Pfund rechnen, können sich bei einem Besuch in Großbritannien plötzlich viel mehr leisten.
Es beginnt schon beim Hotel-Besuch. Das Le Méridien Piccadilly im Herzen Londons ist zweifellos eines der besseren Häuser der Stadt. Das Doppelzimmer (mit 32-Zoll-Flatscreen, W-Lan und Kaffeemaschine) für 289 britische Pfund kostete noch vor Kurzem umgerechnet 375,70 Euro. Nach dem Brexit-Referendum sieht die Sache aber anders aus: Inzwischen können Sie dort für etwa 323,50 Euro übernachten. Ersparnis pro Nacht: gut 52 Euro.
Machen Sie eine Stadtrundfahrt. Tagestickets für die beliebten Hop-on Hop-off Busse gibt es laut Visitlondon.com ab 25 Pfund. Bis zum Brexit-Votum hätten sie für zwei Fahrkarten also 65 Euro bezahlt. Heute kosten die Karten dagegen nur noch 56 Euro, also zusammen neun Euro weniger.
In der gleichen Größenordnung sparen Sie Geld, wenn Sie Madame Tussauds berühmtes Wachsfiguren-Kabinett besuchen. Ein Muss für jeden London-Besucher, der zwei Erwachsene momentan umgerechnet rund 65 Euro kostet - etwa zehn Euro weniger als noch vor dem Brexit-Entscheid.
Aus dem London Eye, dem berühmten Riesenrad, haben Sie einen herrlichen Ausblick über die Skyline der Stadt. Preis: 22,50 Pfund für jeden Erwachsenen und 15,75 Pfund pro Kind. Zwei Erwachsene sparen also gegenwärtig auch hier mehr als acht Euro gegenüber beispielsweise Mitte Juni.
Wenn Sie schon ein Wochenende in London verbringen, gehen Sie selbstverständlich am Samstagabend ins Musical. Und Sie haben Glück: Im Klassiker "The Lion King" ("König der Löwen", hier eine Szene aus einer Aufführung in Hamburg) im Lyceum Theatre gibt es in der Abendvorstellung noch zwei gute Plätze, mittig im Parkett. Die kosten allerdings zusammen beachtliche 343,16 Pfund. Aber was soll's? Dank Pfund-Krise sparen Sie an dem Abend etwa 60 Euro!
Da bleibt doch noch genug übrig, um auch dem einen oder anderen der vielen (oft sehr guten) Straßenmusiker Londons etwas in den Hut zu werfen. Auch dabei nicht vergessen: Bei jedem Pfund sparen Sie zurzeit 18 Euro-Cent gegenüber dem Wechselkurs vor wenigen Monaten.
Machen Sie eine Stadtrundfahrt. Tagestickets für die beliebten Hop-on Hop-off Busse gibt es laut Visitlondon.com ab 25 Pfund. Bis zum Brexit-Votum hätten sie für zwei Fahrkarten also 65 Euro bezahlt. Heute kosten die Karten dagegen nur noch 56 Euro, also zusammen neun Euro weniger.
Foto: Getty Images