


Schuldenuhr in Berlin (Bild von 2011): Erfolgreiche Lobbykampagne des Steuerzahlerbunds
Foto: Sean Gallup/ Getty ImagesDer Bund der Steuerzahler feiert sich selbst. Dazu hat die Lobbygruppe auch Grund. Seit dem 12. Juni 1995 läuft die Schuldenuhr des Bundes, die öffentlich sichtbar jedem Bürger ein erschreckendes Bild der Staatsfinanzen vermittelt (Stand heute: 2,05 Billionen Euro, Zuwachs pro Sekunde 165 Euro, Ihr persönlicher Anteil 25.289 Euro). "Für Politiker ist der Druck, die Staatsverschuldung zu bekämpfen, spürbar gestiegen", freut sich BdSt-Präsident Reiner Holznagel.
So weit richtig - mithilfe der Uhr hat der kleine Verein die große Politik beeinflusst, bis hin zur Schuldenbremse im Grundgesetz. Die Uhr läuft noch vorwärts, aber langsamer denn je.
Gar nicht richtig hingegen ist Holznagels inhaltliches Urteil zum Nutzen der Schuldenuhr: "Damit wurden auch die Lasten sichtbar, die unsere Regierung künftigen Generationen aufbürdet."
Denn die Schuldenuhr klärt nicht auf, sie verschleiert hinter dem Schein klarer roter Leuchtziffern die Wahrheit.
Das fängt mit der Kleinigkeit an, dass es nicht die eine objektive Zahl zur Staatsverschuldung gibt, zum Beispiel spielen statistische Definitionen eine Rolle. Eurostat (entscheidend für die Berechnung der Maastricht-Quoten) gibt die Schuld des deutschen Staats einschließlich der Sozialversicherungen sogar höher an als der Bund der Steuerzahler, mit 2,17 Billionen Euro per Ende 2014. Dafür schrumpft diese Zahl bereits seit zwei Jahren, was eine ganz andere Realität vermittelt als die Schuldenuhr.
Die Berechnung des persönlichen Anteils führt ebenfalls irre, weil die Schuldenlast nicht wirklich von allen Einwohnern Deutschlands zu gleichen Teilen getragen wird. Manche zahlen mehr Steuern als andere, und das wollen auch die radikalliberalsten Reformer nicht ändern. Für die meisten Deutschen ist die fünfstellige Zahl daher weit übertrieben.
Wichtiger jedoch ist die Frage, welche Lasten für künftige Generationen tatsächlich aus den Schulden entstehen.
Die wichtigste Information fehlt auf der Schuldenuhr ...
Große Zahlen schinden immer Eindruck, sagen aber erst dann etwas aus, wenn man sie ins Verhältnis setzt. Laut Eurostat machen die in Jahrzehnten angehäuften deutschen Staatsschulden knapp drei Viertel der Wirtschaftsleistung eines Jahres aus.
Ob diese Quote hoch oder niedrig ist, lässt sich diskutieren. Für die vom Ausland abhängige Ukraine bedeutet eine Schuldenquote von 71 Prozent den Offenbarungseid, das vor allem bei den eigenen Bürgern verschuldete Japan hat seit Jahren kein Problem mit mehr als 200 Prozent.
Auch für Deutschland zeigt der Anleihenmarkt - trotz des jüngsten Kursverfalls werden die meisten staatlichen Schuldscheine noch immer zu negativen Renditen gehandelt - eher einen Mangel an Schulden im Vergleich zum Überhang an Ersparnissen an. Ein Großteil unserer Gläubiger sind wir selbst, die deutschen Sparer.
Die wichtigste Information, die auf der Schuldenuhr fehlt, ist die Gegenseite der "Bilanz" des Staats: das Vermögen, das für kommende Generationen ebenso interessant ist wie die ererbten Schulden. Neben den Lasten gibt es nämlich auch Nutzen, wenn auch vielleicht nicht genug.
Der Staat investiert chronisch zu wenig in die Zukunft, vor allem in ein für alle leistungsfähiges Bildungssystem. Selbst der Steuerzahlerbund konzediert einen "Sanierungsstau" in der öffentlichen Infrastruktur. Mehr Ausgaben wären hier also durchaus sinnvoll, werden auch wegen der Schuldenbremse aber höchstens mit kreativen Umwegen und unzureichend getätigt.
Die einfache Lösung, um die Lücke zwischen Sparüberschüssen und Investitionsdefiziten zu schließen, wären mehr Staatsschulden für Schulen, Straßen, Schienen- und Stromnetze - bei den derzeitigen Niedrigzinsen nach Ansicht des Internationalen Währungsfonds ein Selbstläufer. Doch die Fixierung auf Schulden verhindert solides Haushalten mit Blick auf die Zukunft.
Diese Fixierung bewirkt auch, dass über die Vermögensseite nur wenig bekannt ist. Das Statistische Bundesamt erhebt zwar Daten (PDF), aber nur im Jahresrhythmus und mit Verzug (die Zahlen für 2014 werden erst im September veröffentlicht). In das Staatsvermögen gehen auch Dinge wie Elbphilharmonien oder Hypo Real Estates ein, für die sich die Nachwelt vielleicht gar nicht bedanken würde. Aber um genauso anschaulich wie die Schuldenuhr zu sein, würde eine Vermögensuhr die Information verbessern.
... und hier ist Ihr persönliches Guthaben
Hier ein Versuch, hochgerechnet aufgrund der Zahlen des Statistischen Bundesamts:
Staatsvermögen in Deutschland: 2.605.577.500.000,00 Euro (als Zugeständnis an die Seriosität gerundet)
Zuwachs pro Sekunde: 1122,53 Euro
Ihr persönlicher Anteil: 32.127,96 Euro
Auch nach Abzug der Schulden bleibt den Teilhabern der Bundesrepublik Deutschland AG also immer noch ein positives Guthaben, wenngleich es zwischenzeitlich schon einmal knapp ums Eigenkapital stand.