AKW-Fonds Umweltausschuss-Chefin befürwortet Atomstiftung

Die Chefin des Umweltausschusses im Bundestag hat sich offen für einen staatlichen AKW-Fonds gezeigt: Grünen-Vize Bärbel Höhn sagte, die Rücklagen der Energieversorger sollten in eine Stiftung überführt werden, "damit die Steuerzahler nicht auf Milliardenkosten sitzen bleiben".
Grünen-Vize Höhn: "Ich mache mir Sorgen, dass ein großer Energieversorger pleite geht"

Grünen-Vize Höhn: "Ich mache mir Sorgen, dass ein großer Energieversorger pleite geht"

Foto: Oliver Berg/ picture alliance / dpa

Dortmund/München/Berlin - Die bekanntgewordene Idee der Atomkonzerne, die Rückstellungen für die Atomkraftnutzung ebenso wie das Kostenrisiko auf den Staat zu übertragen, stößt in der Politik auf breite Ablehnung. Allerdings stehen selbst Grünen-Politiker der Überlegung offen gegenüber, die Rücklagen der Konzerne in einen zweckgebundenen Fonds zu überführen, ohne die Unternehmen von der Haftung für darüber hinaus anfallende Kosten zu befreien.

Angesichts der angespannten Finanzlage der Konzerne sagte die Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag, Bärbel Höhn (Grüne), den Dortmunder "Ruhr Nachrichten": "Ich mache mir Sorgen, dass früher oder später ein großer Energieversorger pleite geht und dann auch die Rückstellungen nicht mehr für den Rückbau der Atomkraftwerke zur Verfügung stehen." Deshalb sollten die Rücklagen in einen staatlichen Fonds übertragen werden, "damit die Steuerzahler nicht auf Milliardenkosten sitzen bleiben".

Dass Eon , RWE  und EnBW  ihr Atomgeschäft in eine öffentlich-rechtliche Stiftung übertragen wollen, hatte der "Spiegel" berichtet. Offiziell bestätigt ist dies aber nicht. Bisher haben die Energiekonzerne 35,8 Milliarden Euro für die Abwicklung des Atomausstiegs zurückgelegt. Ob die Summe ausreicht, ist allerdings unklar.

Die Erfahrungen mit dem Abriss von Kernkraftwerken sind überschaubar. In Deutschland wurden acht Atomkraftwerke (AKW) nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima 2011 sofort stillgelegt, die übrigen neun sollen bis Ende 2022 folgen. Die Kosten für den Abriss sind hoch. RWE hat allein die Summe für die Stilllegung und den Abriss des hessischen Atomkraftwerks Biblis auf rund 1,5 Milliarden Euro beziffert.

Auch die Suche nach einem Endlager für Atommüll hat jahrzehntelang keinen Erfolg gebracht.

Oettinger: "Rücknahme von Klagen"

Die Idee einer Übertragung des gesamten Geschäfts fand am Montag in der Politik nirgends Unterstützung. Kanzlerin Angela Merkel ließ mitteilen, dass es keine Verhandlungen darüber gebe, geschweige denn Ergebnisse.

Das Bundesumweltministerium erklärte: "Wir gehen weiterhin davon aus, dass die Betreiber der Atomkraftwerke die volle Verantwortung für den Betrieb während der Restlaufzeit und alle Schritte der Entsorgung tragen."

"Der Vorschlag ist uns nicht bekannt", erklärte das Bundeswirtschaftsministerium. Das System der Rückstellungen für den Abriss der Anlagen und die Entsorgung des Atommülls habe sich bewährt. "Wir gehen davon aus, dass die derzeitigen Rückstellungen in angemessener Höhe bestehen."

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EU-Energiekommissar Günther Oettinger schloss eine staatliche Übernahme des Atomgeschäfts der Energiekonzerne in Deutschland hingegen nicht aus. "Der Gedanke, der jetzt in die Welt gekommen ist, ist nur vertretbar, wenn man damit auch die Rücknahme von Klagen gegen Deutschland verbindet und so im Grunde genommen zu einer Einigung kommt", sagte Oettinger im Bayerischen Fernsehen. "Ansonsten werden wir einen Klageweg haben, der in den nächsten zwei, drei Jahren für den deutschen Haushalt von erheblichem Risiko ist."

Oettinger bezog sich damit auf die anhängigen Klagen der Konzerne gegen den Atomausstieg und die Abschaltung ihrer Anlagen. Die Forderungen können sich nach Branchenangaben auf bis zu 15 Milliarden Euro belaufen.

Der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) kritisierte den Vorstoß der Versorger scharf. "Eine Stiftung einrichten zu wollen und dieses Vorhaben mit den Schadensersatzklagen zu verbinden, ist schlichte Erpressung. Darauf darf sich die Bundesregierung auf keinen Fall einlassen", sagte Remmel der "Rheinischen Post". "Erst Milliarden-Subventionen für den Ausbau der Atomenergie zu erhalten und dann die Kosten der Abwicklung und der Endlagerung auf die Gesellschaft übertragen zu wollen, ist unverschämt und unseriös."

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier hatte sich zuvor indes offen für Gespräche mit den Konzernen gezeigt. "Ich glaube, dass man da noch eine sehr intensive Diskussion darüber führen muss." Am Ende könne nicht der Steuerzahler die ganze Angelegenheit übernehmen. "Die andere Seite ist die: Wir können nicht warten, bis die Unternehmen am Ende pleite sind. Also, in der Zwischenzeit muss etwas passieren", sagte der stellvertretende CDU-Vorsitzende.

ts/dpa-afx/rtr
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