Angela Merkel vs. Martin Schulz Die TV-Duellanten im Körpersprache-Check

Von Stefan Verra
Ging doch: Angela Merkel nach dem TV-Duell.

Ging doch: Angela Merkel nach dem TV-Duell.

Foto: Michael Sohn/ AP
Stefan Verra
Foto: Severin Schweiger

Stefan Verra ist einer der gefragtesten Körpersprache-Experten im deutschen Sprachraum. Er ist Gastdozent, Bestsellerautor und teilt seine Tipps und Körpersprache-Analysen auf stefanverra.com . Sein aktuelles Buch: "Leithammel sind auch nur Menschen - Die Körpersprache der Mächtigen" 

Noch vor Beginn des Duells merkt man Merkel die Routine an. Schnellen Schrittes, mit einem sehr breiten Lächeln geht sie Richtung Studio. Damit vermittelt sie Überlegenheit. Wie sich zeigt, hält sie diesen positiven Ausdruck in den ersten Minuten bei. So würden wir Angela Merkel gern öfter sehen.

Angela Merkel auf dem Weg zum TV-Duell.

Angela Merkel auf dem Weg zum TV-Duell.

Foto: REUTERS

Genau in diesen ersten Minuten ist Schulz noch im Kampf mit sich selbst.

Sein Gehirn sucht auch ein wenig Ruhe - deswegen verschließt er seine Sinneskanäle, indem er blinzelt oder den Mund mit der Zunge schließt. Beides macht er sehr häufig während des Duells.

Er tänzelt von einem Bein aufs andere, sein Körper zeigt wenig Stabilität. Diese Bewegung ist nicht an sich schlecht - er setzt sie nur leider nicht gezielt ein. Es bleibt ein Ausdruck von Unruhe.

Im Fluss.

Im Fluss.

Foto: HANDOUT/ AFP

Martin Schulz kann auf zwei Arten aus dieser Unruhe rauskommen. Erstens: Er wird laut, kanalisiert also seine Nervosität in Poltern und Angriffigkeit. Aber ab Minute 20 wird klar: Schulz wählt die zweite. Die, die er seit Jahrzehnten gut kennt. Er lässt Merkel aussprechen, fällt ihr selten ins Wort und gibt ganz den diplomatischen Gesprächspartner. Damit verliert er an Redezeit, lässt Merkel in ihrem gewohnten Radius agieren.

Zudem hört er ihr aufmerksam zu. Damit wirkt das Bild, als ob Merkel dem braven Schulz die Welt erklärt. So sehr diese Art im politischen Diskurs wünschenswert ist: In diesem Duell kann er damit weder Nicht-Wähler noch Unentschlossene in ausreichendem Maße aktivieren. Er hätte das Energielevel auf eine Ebene heben können, auf der Merkel nicht mehr mit kann. Hätte er.

Merkel bleibt in ihrer gewohnten Körpersprache. Wenn auch etwas positiver. Der Blick höher als Schulz, die Mundwinkel öfter zum Lächeln geformt als der SPD Mann. Wenn man das "Duell" ohne Ton ansieht, merkt man, dass Merkel oft nickt. Sie verleiht damit ihren Worten nicht nur Nachdruck. Nicken ist auch induktiv. Sie steckt den Zuschauer damit auch an. Man neigt dazu, unbewusst selbst zu nicken und ihr damit Recht zu geben. Schulz hingegen neigt während des Gesprächs dazu sorgenvoll dreinzuschauen.

Foto: Michael Kappeler/ dpa

Natürlich ist sie keine Strahlefrau geworden, das wäre nicht authentisch. Wenn sie zuhört, sehen wir den Blick, der mehr Desinteresse als Arbeitseifer zeigt. Das müsste für jeden Herausforderer ein willkommener Angriffspunkt sein. Schulz ist da zu passiv. Da fehlt ihm die Wachheit, sie zu überraschen, das Tempo zu erhöhen, den Blick auf sich zu lenken, wo sie noch Worte sucht. So könnte man Merkel in die Ecke zu drängen. Sie verfällt dann nämlich meist in ein stoisches Abwarten. Genau das wäre eine Achillesferse.

Martin Schulz: Vielleicht ein zu guter Zuhörer.

Martin Schulz: Vielleicht ein zu guter Zuhörer.

Foto: Dpa/ dpa

Das Fazit also: Merkel war die Souveränere. Der Hauptgrund ist aber nicht sie selbst, der Hauptgrund ist, dass Schulz zu wenig tut, um sie zu fordern.

Diese Konfrontation wird für Martin Schulz wenig bewegen. Dafür hat er zu wenig von der Emotion widergespiegelt, die frustrierte, angstvolle und unzufriedene Bundesbürger sehen müssen, um das Gefühl zu bekommen: Dieser Kandidat versteht meine Emotionen. Die meiste Zeit über hat dieses Duell ähnlich spannend gewirkt wie die Pressekonferenz für den Neubau eines Zebrastreifens.

Stefan Verra ist einer der gefragtesten Körpersprache-Experten in Deutschland, Dozent und Autor zahlreicher Bücher. Verra ist Mitglied der Meinungsmacher von manager-magazin.de. Dennoch gibt sein Beitrag nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider.

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